CIII. Ein vor rede vo[n] bo[e]sen screibern.

15901 Wizzet daz manic hôch getihte
15902 Von tummen schrîbern wirt ze nihte,
15903 Die die schrift niht wol verstênt
15904 Und nâch ir selbes sinne gênt,
15905 Sô si diu wörter anders rückent
15906 Und die buochstaben underzückent,
15907 An den diu kraft des buoches liget.
15908 Swer ouch diu wort niht eben wiget,
15909 Der machet lustic buoch unlustic.
15910 Swer tump ist, nîdisch oder unkustic,
15911 Von dem wirt manic dinc vernihtet,
15912 Swie wol man schrîbet oder tihtet:
15913 Des entuot ein frum man niht.
15914 Ob er eteswenne hœrt oder siht
15915 Daz einem dinge niht gar ist reht,
15916 Dâr ûz machet er doch kein gebreht:
15917 Er beschœnt ez oder swîget gar:
15918 Sô nimt der bœse des bœsen war.
15919 Ich hân gestupfelt als ein man,
15920 Der eigen bûvelt nie gewan
15921 Und in rîcher liute korn
15922 Hinden eherte, swenne si vorn
15923 Sichelinge hin truogen oder garben.
15924 Tûsent marke muoz der darben,
15925 Der ze drîn scherfen ist geborn:
15926 Swer flîziclich ehert, der hât ouch korn.
15927 Ein bine vil manige bluomen rüerte
15928 In velden, in welden, biz si gefüerte
15929 Ir honic in ein vezzelîn
15930 Als vil als des denne mac gesîn.
15931 Swer nu ûz disem buoche nême
15932 Swaz disem und dem wêr widerzême,
15933 Sô wêne ich daz daz jüngste stücke
15934 Ein wibel wol trüege ûf sînem rücke:
15935 Nieman sol ez hân vür ein geblerre,
15936 Wenne ez ist wîten unde verre
15937 Gesament in der heiligen schrift
15938 Und treit in im honic und gift,
15939 Sûr und süeze, liep und leit.
15940 Swâ ie den man sîn liebe hin treit,
15941 Daz lobt er und anders niht.
15942 Mit tôren hât ein tummer pfliht:
15943 Der wîse nimt maniges dinges war,
15944 Daz einem tôren versmâhet gar.
15945 Manic dinc der wîse besunder minnet,
15946 Dâr üm ein tôr sich niht versinnet.

Sexta Distinctio

Von lazheit

CIII. Von lazheit vn[d] vo[n] bo[e]ser gewo[n]heit.

15947 Nu hân ich iu genuoc vür geleit. Trägheit, Jb, f. 108v
15948 Waz zorn, nît und gîtikeit
15949 Rîcher und armer diener habent,
15950 Die mit in loufent unde drabent
15951 In dirre werlde unstêtikeit,
15952 Und wie manic unsêlikeit
15953 Hôchfart, unkiusche und frâz
15954 Uns leider in giezent âne mâz:
15955 Noch stêt ir swester vor der tür,
15956 Die ich weder gein himel spür
15957 Noch gein der werlde volliclich,
15958 Denne daz si fûlet unflêticlich
15959 Als ein holz, daz unnütze ist
15960 Und in im selber wirt ein mist:
15961 Ich meine die fûlen bemstîn
15962 Lazheit: diu sol nu gên her în
15963 Mit irem gesinde, daz ich iu nenne
15964 Als vil als ich sîn nu bekenne:
15965 Senfteleben und müezikeit,
15966 Ûfschieben und unstêtikeit,
15967 Unflât und versiumikeit,
15968 Trâkeit und unverstandenheit,
15969 Urdruz, zwîfel, unendelikeit
15970 Und unandêhtigiu trûrikeit
15971 Sint ir gesinde tac und naht,
15972 Die manigen menschen habent brâht
15973 Ân schimpf, ân fröude, ân êre, ân lachen
15974 In sünde, in schande, in des tiufels lachen.
15975 Diu vorgenante bemstîn
15976 Mac wol des tiufels bolster sîn:
15977 Swenne ir gespiln sint etswâ mite
15978 Bekümmert, sô ist dirre site,
15979 Daz aller dinge si verdriuzet
15980 Und daz ouch nieman ir geniuzet.
15981 Si enist weder kalt noch warm,
15982 Si enist weder rîch noch arm,
15983 Si enist weder junc noch alt,
15984 Si enist weder stille noch balt;
15985 Si mac wol lachen mit dem munde,
15986 Ezn gêt aber niht von herzen grunde;
15987 Ir enist ûf erden nieman liep
15988 Und ist ir selbes sêlden diep,
15989 Wenne si gein himel selten trahtet
15990 Und lützel gotes ûf erdên ahtet;
15991 Si siht selten ieman schimpfen:
15992 Trûren, swinden, nase rimpfen
15993 Wonent ir bî und weiz doch niht
15994 Von welhen sachen daz geschiht ;
15995 Si wont bî leien und bî pfaffen
15996 Die müezic gênt, die man hœrt klaffen
15997 Mêr denne in bevolhen sî;
15998 Si wont ouch swîgenden münchen bî,
15999 Die ze kôre ungerne gênt
16000 Und gern bî marketmêren stênt;
16001 Si hât manigen alsô besezzen,
16002 Daz er sîn selbes hât vergezzen,
16003 Gotes, guotes, friunde und êren:
16004 Niht anders kan man den gelêren
16005 Denne daz er lebe wirs denne ein vihe,
16006 Und swar in sîn gelust hin ziehe,
16007 Daz er zehant sich dâ hin neige
16008 Und ê der zît sich mache veige:
16009 Leider im ist niht anders kunt
16010 Denne daz er lît reht als ein hunt,
16011 Der in sich grinet und doch niht hizet
16012 Und keiner guoten dinge sich flizet.
16013 Lazheit verdriuzet daz si singe,
16014 Lazheit verdriuzet daz si springe,
16015 Lazheit verdriuzet daz si stê,
16016 Lazheit verdriuzet daz si gê,
16017 Lazheit verdriuzet in der hitze,
16018 Lazheit verdriuzet daz si sitze,
16019 Lazheit verdriuzet in der kelte,
16020 Lazheit kan ân arbeit elte,
16021 Lazheit verdriuzet daz si wache,
16022 Lazheit verdriuzet daz si lache,
16023 Lazheit verdriuzet guoter mêre,
16024 Lazheit ist ir selber swêre,
16025 Lazheit verdriuzet daz si bete,
16026 Lazheit verdriuzet daz si trete,
16027 Lazheit verdriuzet daz si rîte,
16028 Lazheit verdriuzet daz si strîte;
16029 Lazheit machet manigen zagen,
16030 Der wol möhte guot und êre bejagen ;
16031 Lazheit machet daz man und wîp
16032 Verliesent guot, sêle, êre und lîp;
16033 Si hât manic herze besezzen
16034 Daz ez ungern siht trinken und ezzen,
16035 Swie rîche ez friunde und guotes sî;
16036 Lazheit wont manigem menschen bî,
16037 Des herze gein gote ist als ein blî:
16038 Und wênt ez doch ez sî gar frî,
16039 Ob ez sich gein der werlde kan
16040 Verrihten und rehte nie gewan
16041 Andâht gein gote, daz wirt betrogen,
16042 Hât ez der sêle niht baz gepflogen
16043 [Denne sich sîn werltlicher sin versiht,
16044 Sô trœste ich noch untrœste in niht].
16045 Der mensche hât selten bœse site,
16046 Der sich bekümmert etswâ mite
16047 Daz lobelich got und im nütze ist
16048 Und dem an lît ze stêter frist.
16049 Sît nieman ist sô gar volkumen
16050 Daz er dem wandel si benumen,
16051 Des ist des menschen brœdikeit
16052 Mit drîn übeln ümmeleit:
16053 Daz êrste ist unverstandenheit,
16054 Daz ander kummers tegelich leit,
16055 Daz dritte ist tegelich missetât:
16056 Daz êrste ez an der sêle hât,
16057 Daz ander von des lîbes wegen,
16058 Daz dritte ist beidenthalp gewegen:
16059 Sus wêr der mensche schier verwildet,
16060 Wêr er niht gote gelîch gebildet.
16061 Des hât sîn barmherzikeit
16062 Driu guot den drîn übeln wider leit:
16063 Kunst gein unverstandenheit,
16064 Gemach gein kummers arbeit,
16065 Tugent gein der missetât.
16066 Diu kunst aber zwên wege hât:
16067 Der eine die sêle gein got ûf rihtet,
16068 Der ander des lîbes nôtdurft berihtet:
16069 Gelêrte liute ûf dem êrsten stênt,
16070 Hantwercliute den andern gênt;
16071 Der êrste büezet unverstandenheit,
16072 Der ander büezet kummers leit.
16073 Der êrste wec hât siben stîge,
16074 Ungerne ich iu die nu verswîge:
16075 Ez sint die siben frîen künste,
16076 Die manige sêle ze gotes günste
16077 Bringent, und manige sêle verkêrent
16078 Die got niht einvelticlîchen êrent.
16079 Der ander wec ist manigerleie,
16080 Den gêt und rîtet manic leie
16081 Der der frîen künste niht enkan:
16082 Der selbe wec hât manigen man,
16083 Knehte, meide und wîp ernert,
16084 Daz si des kummers sich habent erwert
16085 Und von irs lîbes arbeit
16086 Daz êwige lieht in wart bereit.
16087 Schuolbuoch, der nu nieman gert,
16088 Wârn hie vor liep unde wert
16089 Bî mînen zîten in sehzic jâren,
16090 Dô die liute einveltic wâren:
16091 Sô gênt nu niuwe künste her vür,
16092 Bî den ich wênic iht guotes spür
16093 Denne hôchfart und gîtikeit
16094 Und schône gemâlte glîchsenheit.
16095 Des endecristes vorrenner
16096 Und rehtes gelouben zetrenner.
16097 Sint manigerleie gelêrte liute,
16098 Die bî uns gênt ûf erden hiute.
16099 Des sprichet der wîse Salomôn
16100 In der Minnen buoche dâ von:
16101 "Vâhet uns diu kleinen fühselîn
16102 Diu gotes wîngarten schedelich sîn!"
16103 Daz ist diu heilige kristenheit.
16104 Der tuont si heimlich manic leit.
16105 Vil wunders ist in der Minnen buoche.
16106 Man muoz ez aber mit flize suoche.
16107 Ê denne tôren sich beginnen
16108 Ûf erden üm übel und guot versinnen,
16109 Sô muoz in diu sêle entrinne
16110 Von manigerleie muotwillen unsinne.
16111 Ez entuo denne unser herre zuo in
16112 Sîn genâde und wandel iren sin.
16113 Des lêret uns meister Kâthô
16114 In sînem büchelîn alsô:
16115 "Nützer ist denne daz künicrîche
16116 Swer friunde im machet arme und rîche."
16117 Diz siht man ofte übergeben:
16118 Daz machet unser tummez leben.
16119 Swaz man lobet an dem man,
16120 Dâ sol er sich flîzen an:
16121 Swes er aber unêre habe,
16122 Des sol er sich vast enthabe.
16123 Gunst ist bezzer denne kunst,
16124 Zuht mit künste machet gunst.
16125 Lazheit unde müezikeit
16126 Bringent in ein gewonheit
16127 An pfaffen und leien vil bœser site,
16128 Den nu diu werlt volget mite.
16129 Man lêt gotes dienst von kleinen sachen:
16130 Kan aher ieman daz gemachen,
16131 Daz wir des tiufels dienst hie lâzen
16132 Und uns bœser dinge mâzen?
16133 Swer uns daz werte, daz wêr uns leit.
16134 Daz machet der sünden emzikeit.
16135 Sus slahe wir der werlde trummen.
16136 Ein touber spottet oft eines stummen,
16137 Ein alter tôre eins jungen tummen,
16138 Ein lamer gickelt ûf den krummen.
16139 Ze gotes dienste ist maniger laz,
16140 Den der tiufel michels baz
16141 In sînen dienst brêhte swenne er wölte,
16142 Denne manic pfaffe dem er volgen sölte:
16143 Des hât er manige marterêr
16144 Ûf erden, der er ungern enbêr.
16145 Eine die des nahtes stelent,
16146 Eine die nâch minne quelent,
16147 Eine die ûf ir leben rîtent,
16148 Eine die durch hôchfart strîtent,
16149 Eine die nâch êren strebent
16150 Und lîp und sêle üm êre gebent,
16151 Eine die sich selber smückent
16152 Und durch karkeit nider drückent,
16153 Eine die mit nîde sint besezzen
16154 Und den niht ûz getürren mezzen,
16155 Eine die nâch guote sô swinde sint
16156 Daz si gein gotes liebe sint blint,
16157 Eine die gern vil übels têten
16158 Ofte ob si sîn state hêten,
16159 Eine die gern mêre sünden wölten
16160 Denne si mügen oder sölten:
16161 Des stêt geschriben: "Vil tuot lêre,
16162 Gewonheit aber michels mêre."
16163 Wenne affen zegel und esels ôren
16164 Tragent veil der werlde tôren,
16165 Von den wehset ein seltsên orden.
16166 Kint sint alte liute worden
16167 Und alte liute sint worden kint,
16168 Die man an guoten witzen blint
16169 Siht und an affenheite fruot:
16170 Daz machet an in ir kranker muot.
16171 Niht wol ich den gewarten kan,
16172 Die guoter witze sint worden wan.
16173 Sag ich in hofelicher mêre,
16174 Sô bin ich ein sloterêre;
16175 Swîge ich mit zühten âne gevêre,
16176 Sô bin ich ein glîchsenêre;
16177 Spriche ich die wârheit nâch der swêre,
16178 Sô bin ich ein striffelêre,
16179 Strâfer heizet man vîler,
16180 Prediger, pfaffen: gîler,
16181 Swer schimpfet, der ist ein gineglapf,
16182 Swer trinket, der ist ein lêrennapf.
16183 Sô sprichet einer, ich hœrte
16184 Von hern Dietrich von Bern
16185 Und ouch von den alten recken,
16186 Der ander wil von hern Ecken,
16187 Der dritte wil der Riuzen sturm,
16188 Der vierde wil Sifrides wurm,
16189 Der fünfte wil hern Tristerant,
16190 Dem sehsten ist Erke baz bekant,
16191 Der sibende wil hern Parzifâl,
16192 Der ahte die tafelrunne überal.
16193 Der niunde wil Kriemhilden mort,
16194 Der zehende der Nibelunge hort,
16195 Den einliften gênt în miniu wort
16196 Als der mit blîe marmel bort,
16197 Der zwelfte wil Rückern besunder,
16198 Der drîzehende künic Alexanders wunder;
16199 Dirre wil den ritter mit dem rade,
16200 Sô wil jener gên ze dem bade,
16201 Dirre wil summern, der wil gîgen,
16202 Der wil trummen, der wil swîgen,
16203 Der wil harpfen, der wil rotten,
16204 Der wil tanzen, der wil notten,
16205 Der wil singen, der wil sagen,
16206 Der wil springen, der wil jagen:
16207 Wie sölte der mensche sîn geschaffen,
16208 Der tummen leien und tummen pfaffen
16209 Ze willen alsô gedienen könde,
16210 Daz man im guotes und êren gönde?
16211 Noch ist er niendert kumen dar,
16212 Der gotes liebe neme war
16213 Oder der mich bite von gote sagen,
16214 Swie vil si hin und her gejagen.
16215 Lazheit und bœse gewonheit
16216 Machent dise unverstandenheit:
16217 Wenne in der werlde ist manic man,
16218 Der selber niht wol gereden kan
16219 Und vil lîhte sich von jugent
16220 Hât gewent einer grôzen untugent:
16221 Swie tugentlich ieman vor im kôset,
16222 Daz er des sprüche doch verdôset,
16223 Als maniger der niht tihten kan
16224 Und doch einem tihter niht engan,
16225 Daz man sîn getihte lobe.
16226 Wer giht nu daz der mensche iht tobe,
16227 Der gotes geschepfede wölte swachen
16228 Und selber einen flôch niht könde gemachen?
16229 Ûf erden wart nie niht sô guot,
16230 Man schelte ez wol der ez gerne tuot.
16231 Slotern, smetern, snarren, kallen,
16232 Snappen, klaffen, lellen, snallen
16233 Heizet man hofelichez tihten,
16234 Der ez gerne wil vernihten.
16235 Ich wên niht daz in diu erde trage,
16236 Der allen liuten wol behage.
16237 Antlütze, willen, stimme und leben
16238 Hât got ungelich uns allen geben.
16239 Der wîse man her Tulius
16240 Sprach in des alters buoche alsus:
16241 "Von sinnen und witzen ist der senât
16242 Genant, ich meine der Rœmer rât!"
16243 Wol der stat, diu noch die hât,
16244 Die mit witzen alle ir tât
16245 Verrihtent und dâ die jungen liute
16246 Der alten lêre volgent hiute!
16247 Wenne swâ der jungen tummez leben
16248 Wil gein der wîsen witze streben,
16249 Dâ hebt sich angest unde nôt,
16250 Schade und schande und gêher tôt.
16251 Daz bewêrt, als ich gelesen hân,
16252 Salustius und her Lucân
16253 Und manic ander wîse man,
16254 Den ich von herzen übel gan,
16255 Daz ir buoch und ir getihte
16256 Sô gar nu worden sîn ze nihte
16257 Und gelêrten liuten sô unwert,
16258 Daz ir leider nieman gert.
16259 Guot rât, zuht mit bescheidenheit
16260 Alter liute krône treit,
16261 Unzuht, traz und freidikeit
16262 Hât der jungen vil verleit.
16263 Swer gar verschalket in der jugent,
16264 Der lernt unsanfte im alter tugent.
16265 Gar wîse liute und kleiniu kint
16266 Selten immer müezic sint:
16267 Ir gedanc des nahtes dar nâch gêt,
16268 Swar nâch den tac ir herze stêt:
16269 Der wîse aleine wirt gewert
16270 Nâch sînem willen des er gert,
16271 Wenne er mit witzen kan besehen
16272 Waz müge geschehen und niht geschehen:
16273 Meister Plâtô schrîbet daz:
16274 Dâ von merket ez dester baz!
16275 Wenne tugenthafter heiden lêre
16276 Iu hilfet nâch der heiligen schrift vil sêre.
16277 Der werlde unstête ist manigerleie:
16278 Daz schadet dir pfaffe und ouch dir leie!
16279 Ein dinc von herzen übel zême:
16280 Swer guot bestüende oder guot entnême,
16281 Ob der mit jeme zürnen wölte
16282 Swenne er sîn guot im gelten sölte,
16283 Der friuntlich im geborget hête:
16284 Ein heiden dem andern daz niht tête.
16285 Ungewisser liute entgeltent hiute
16286 Getriuwe und gar gewisse liute,
16287 Daz man in niht gelouben mac:
16288 Dirre zwîfel füllet der jüden sac:
16289 Hülfe wir einander âne gevêre,
16290 Sô würden den jüden die biutel lêre.
16291 Bœse liste gein bœsen listen
16292 Velschent leider manigen kristen:
16293 "Triuc du mich, sô liuge ich dir,
16294 Gib ich dir niht, sam tuo du mir!"
16295 Diz hœrent die jungen von den alten
16296 Und lernent alle guot hehalten:
16297 Des ist der gîtigen schar vil breit,
16298 Der milten smal, daz ist mir leit.
16299 Sîn gesinde, sîn kost mit flîze wiget
16300 Ein man, der guoter witze pfliget,
16301 Als denne sîn gülte mac getragen.
16302 Ein gîtiger, den man siht verzagen
16303 An gotes milte, ist immer arm,
16304 Sîn hûs sî rîch, kalt oder warm.
16305 Eins schallers muot vert oben hin:
16306 Got, lîp, sêle, schade und gewin
16307 Sint in sînem herzen geliche gewegen.
16308 Swen man des brahtes nu siht pflegen,
16309 Der gert niht anders ûf erden mêre
16310 Denne daz diu werlt in lobe und êre.
16311 Wizzet swer rehter milte pflêge,
16312 Daz der noch vür dise alle wêge.
16313 Dem honige fliegent mucken nâch,
16314 Wefsen ist ze wirze gâch,
16315 Kefern, wibeln unde bremen
16316 Siht man des tôdes ofte rêmen,
16317 Wenne si fliegent unbedâht:
16318 Des vellet ir manigiu in ein bâht:
16319 Sam tuont die die sich gurren trœstent
16320 Und arme liute mit brande rœstent
16321 Und mit roube erkürzent vil
16322 Ir jugent und irs lebens zil.
16323 Zuoflühte trœstet sich manic man:
16324 Wê dem, der niht gefliehen kan
16325 Und ouch niht gefliehen mac,
16326 Swenne im kumt der leide tac
16327 Daz sîn sünde sîn gewegen,
16328 Kraft, traz, êre und guot gelegen!
16329 Die mucken bezeichent hofegesinde,
16330 Die wefsen koufliute, die sô swinde
16331 Nâch gewinnes süeze trahtent,
16332 Daz si lîbes und sêle niht ahtent
16333 Und in gewinnes wirze verderbent,
16334 Sô si mit grimmen sorgen sterbent.
16335 Diu spinne ir webe nâch gewinne
16336 Rihtet biz si verdirbet dâr inne:
16337 Alsô swendent leider manige liute
16338 Nâch gewinne ir leben hiute.
16339 Swer allez sîn getrehte leit
16340 Ûf irdisch guot mit gîtikeit,
16341 Wer sol des sêle hin nâch gedenken,
16342 Swenne er si selber wil versenken?
16343 Wêr im sîn sêle gewesen liep,
16344 Sô wêr er niht gewesen ein diep,
16345 Rouber oder wuocherer,
16346 Valscher, brenner, unkiuscher,
16347 Verrâter, morder, valsch rihter,
16348 Glîchsener oder gîtiger:
16349 Swaz die ersparnt ûf ertrîche,
16350 Daz frumt in wênic gein himelrîche:
16351 Ir kint zernt ez ofte gar rîlîche,
16352 Daz si ersparnt jêmerlîche.
16353 Zweierleie gîtic liute sint:
16354 Die leien habent ze worte ir kint,
16355 Die pfaffen wöllent sêle gerête
16356 Nâch tôde machen: vil baz der tête,
16357 Der dirre dewederz ze worte hête
16358 Und mit almuosen und mit gebete
16359 Sîner sêle hülfe, die wîle er lebte,
16360 Und niendert nâch grôzem guote strebte:
16361 Wenne irdisch guot verkêrt den muot,
16362 Daz er gein got ist selten fruot.
16363 Gar liebiu kint sint helle bant,
16364 Valsch sêle gerête ist helle pfant:
16365 Swer lebende wol den armen tête,
16366 Daz wêre daz beste sêle gerête.
16367 Armer liute ist pfaffen guot,
16368 Und swer mit dem iht anders tuot
16369 Denne diu heilige schrift in lêrt,
16370 Sîn selbes unheil er gemêrt,
16371 Als ich dâ vor ouch hân geschriben:
16372 Wölte got, wêr allez unreht vertriben!
16373 Glichsener ist nu leider vil,
16374 Der guottête ist der tiufel spil,
16375 Wenne si sich selber und ander liute
16376 Mit valschem leben triegent hiute.
16377 Wizzet swer einen frumen man
16378 Beltlich niht getar sehen an,
16379 Daz der ein valschaft herze hât,
16380 Ob erz durch zuht oder scham niht lât:
16381 Daz merket der wol, der in an siht,
16382 Von welhen sachen daz geschiht.
16383 Unkustiger liute valschlich wort
16384 Sint honiges vol und stiftent mort,
16385 Si swerent, stelent, roubent, brennent,
16386 Sippe und friuntschaft si zetrennent;
16387 Ir valsch der tummen herze gêt în
16388 Als vol mergels süezer wîn,
16389 Der in dem glase hât klâren schîn
16390 Und uns des nahtes machet pîn,
16391 Swenne er uns swinde beginnet strâfen
16392 Sô wir gerne wölten slâfen.
16393 Wilent was ein gewonheit,
16394 Von der kam êre und sêlikeit:
16395 Daz junge liute die alten êrten
16396 Und sich vorne gein in kêrten,
16397 Swenne si si mit witzen lêrten
16398 Wie si guot und êre gemêrten:
16399 Sô kêrent si nu den rücke dar
16400 Dô si der alten nement war,
16401 Und habent ir gespötte ûz in.
16402 Muotwillic leben und bœse gewin
16403 Habent sô gar der jungen sin
16404 Verkêret, daz ich den worden bin
16405 Von mîner lêre vil gar unmêre,
16406 Den ich liep billicher wêre:
16407 Daz machet ir angeborn untugent,
16408 Diu bî in beliben ist in der jugent.
16409 Swelch schuoler wol wil lerne,
16410 Der êrt sînen meister gerne:
16411 Swen aber kein liebe ze lernen treit,
16412 Den müet sîns meisters wirdikeit.
16413 Des entet künic Alexander niht,
16414 Als uns diu schrift von im vergiht,
16415 Der gein dem meister Socrates
16416 Spranc von dem wagen, unter des
16417 Er in sach gein im gên aleine:
16418 Diz machte sîn tugent, diu was niht kleine
16419 Er tet niht als der übel man
16420 Nêrô sînem meister hât getân,
16421 Dem er sîn leben an gewan,
16422 Als ich dâ vor gesaget hân.
16423 Dâ von sprach ein Philosophus
16424 In einem sînem buoche alsus:
16425 "Waz hilfet, hân ich grôze witze,
16426 Ob ich bî der ungezzen sitze?
16427 Waz hilfet, hân ich rîchen sin,
16428 Ob ich unwert den rîchen bin,
16429 Die gelêrten liuten helfen sölten
16430 Und ez wol têten, ob si wölten?"
16431 Man sprichet von armen und von rîchen,
16432 Daz si minnent gerne ir gelîchen:
16433 Ein rouber hât einen andern liep,
16434 Ein diep minnet einen andern diep,
16435 Ein tugent minnet ein ander tugent,
16436 Ein jugent suochet ein ander jugent:
16437 Ein gelêrt man wêr einem andern holt
16438 Denne grôziu êre, silber und golt:
16439 Diu verkêrent maniges mannes muot,
16440 Daz er gein friunden unfriuntlîch tuot.
16441 Die mîne guote gesellen wâren
16442 Bî armuot, die sach ich gebâren
16443 Anders denne geselleclîch
16444 Sân zehant sô si wurden rîch:
16445 Swenne si riten ûf hôhen pferden,
16446 So enwolten si niht an die erden
16447 Sehen daz si grüezten mich:
16448 Daz dûhte mich gar unbillich.
16449 Sô trœstet mich daz der wîse man
16450 Sprach wîlent, meister Claudiân:
16451 "Wâr üm sölte mir wesen leit
16452 Der ungerehten wirdikeit?
16453 Si werdent dâr üm hôhe erhaben,
16454 Daz si deste swinder snaben."
16455 Ie hœher berc, ie tiefer tal,
16456 Ie hôher gestigen, ie swinder val.
16457 Guot und êre wirt in vil sur,
16458 Werdent si des tiufels nâchgebûr
16459 Der si nu heizet schallen.
16460 Ein dinc künde ich iu allen
16461 Mit kurzen worten, daz mich twinget
16462 Und mir dicke truren bringet.
16463 Swer daz mit flîze bedenken wölte,
16464 Der tete niht anders denne er sölte.

[Letzte Seite]   [Nächste Seite]     oder direkt zurück zum Index
Administration: Henrike Lähnemann Zuletzt geändert am 12.11.2004