CXIX. Von aller su[e]nden mu[o]ter die haizzet vntrewe.

18605 Alle die vor genanten sünde
18606 Habent ein ammen, die ich iu künde
18607 Unde ofte si vor hân genant,
18608 Alein si verre si bekant:
18609 Si heizet Untriuwe und füert ein her,
18610 Daz gêt von hinnen über mer
18611 Und vürbaz âne widerwende
18612 Von einem ende anz ander ende,
18613 Als wît als nu diu werlt ist.
18614 Lâ dich erbarmen, herre Crist,
18615 Daz wir sô manigen hœren klagen
18616 Der triuwen münze sî verslagen!
18617 Ob man die wârheit sprechen sol:
18618 Daz schînet ans rîches münze wol,
18619 Die man velschet hin und her
18620 Und si mit kupfer machet unmêr.
18621 Si hât an ir die rehten hant
18622 Und ein kriuze, daz uns bekant
18623 Sî daz allez unser heil
18624 Stêt an den zwein: swer erbeteil
18625 Mit gote wil haben und sîn kint werden,
18626 Der behalte sîn triuwe hie ûf erden
18627 Und lâze im ofte gên ze herzen
18628 Kristes tôt und sînen smerzen,
18629 Den er an dem kriuze leit
18630 Durch unser êwigen sêlikeit.
18631 Nu ist beide kriuze und hant verkêrt
18632 An den hallern swâ man vert,
18633 Wenne breite haller wâren hie vor,
18634 Die heten ein kriuze, daz stuont enbor
18635 Und ein hant gar gelîche geslagen:
18636 Die stênt nu sam si sîn benagen,
18637 Daz man si kûme gekiesen mac:
18638 Vil manigen koufman triuget der slac.
18639 Die triuwe bezeichent uns diu hant,
18640 Den gelouben tuot uns daz kriuze bekant.
18641 Triuwe und geloube habent ein gebrêch
18642 In der schrift, den manic blech
18643 Wirt von kupfer an geslagen.
18644 Lât iu die wârheit vürbaz sagen:
18645 Triuwe und geloube hânt einen namen
18646 In der schrift, des süln sich schamen
18647 Alle die ungetriuwe sint,
18648 Wenne si sint niht gotes kint.
18649 Swer rehte liebe ze gote hât,
18650 Der ist getriuwe an aller stat
18651 Und ist sînem ebenkristen holt:
18652 Daz bringet im êwiger fröuden solt.
18653 Wenne swelch mensche lebt nâch gotes gebote,
18654 In dem ist got und ez in gote.
18655 Wizzet daz der guoter witze wielte,
18656 Der diu kurzen wort behielte,
18657 Diu gebuochstabet stênt an den vil swêren
18658 Silberînen turneisêren
18659 Und dâ mit unsern herren êrte
18660 Und ander liute daz selbe ouch lêrte.
18661 Diu münze und ouch venecier
18662 Hânt schœne gebrêche und der haller:
18663 Des gênt ouch si durch verriu lant,
18664 Dâ Jêsus Crist ist bekant.
18665 Ouch habent diu kleinen bernerlîn
18666 Ein ringelîn üm ir kriuzelîn:
18667 Seht daz bediutet, daz gotes wort
18668 Noch süln erschellen in diu vier ort
18669 Der werlde, sô juden und heiden ûf erden
18670 In unsern gelouben gevangen werden
18671 Als daz kriuzelîn in den rinc:
18672 Diz sint bezeichenlichiu dinc.
18673 Swer geloubt daz got die werlt von nihte
18674 Habe gemachet und niht von ihte,
18675 Wie kan der tiufel den berouben
18676 Gotes liebe und rehtes gelouben?
18677 Got machet alle tage von nihte
18678 In der werlde und ouch von ihte
18679 Wunder, diu menschlich gesihte,
18680 Trahten, spehen und getihte,
18681 Alliu sîn kraft und sîn fünf sinne
18682 niht mügen begrîfen ûzen und inne.
18683 Uns schrîbet sant Isidôrus
18684 In einem sînen buoche alsus:
18685 "Got hât driu dinc gemachet von nihte
18686 Besunder, und ander dinc von ihte:
18687 Der werlde materie, engel mit den sêln".
18688 Swer nu kan zeln und wol ûz scheln
18689 Alle sîn ander creatûre,
18690 Der ist der buoche niht ein gebûre.
18691 Der werlde materie alsô vür gienc,
18692 Dô alliu dinc got ane vienc
18693 Vor aller geschepfede anevange,
18694 Als ein dôn tuot vor gesange,
18695 Sô wort und dôn sint ein gesanc
18696 Einz, zwei, zwei, einz, anevanc.
18697 Disen tiefen sin sül wir niht trennen
18698 Und süln aber vürbaz rennen
18699 Ûf werltlicher tôren strâzen.
18700 Swer tiefer rede sich niht wil mâzen
18701 Und die niht wol bewêren kan,
18702 Der mac wol sîn ein tummer man.
18703 Swer ie gehôrte winde diezen,
18704 Doners kraft und wazzer fliezen
18705 Und swer ie sternen glast gesach,
18706 Himels und wolken obedach,
18707 Grôziu dinc von kleinem sâmen werden
18708 An tiern, an boumen, an krûte ûf erden:
18709 Der mac wol wizzen, daz des kraft,
18710 Der aller künste hât meisterschaft,
18711 Ân anegenge ein zirkelreif
18712 Ist aller dinge, den nie begreif
18713 Menschen kraft und menschen sin.
18714 Als gein einem helfande ist ein bin,
18715 Noch kleiner ist aller der werlde maht
18716 Gein im, der alliu dinc hât gemacht.
18717 Diu sunne, als wir geschriben lesen,
18718 Hât hitze, schîn und doch ir wesen:
18719 Diu driu sint an ir gar ungescheiden:
18720 Alsô merken juden, ketzer und heiden
18721 Und swer niht wol gelöubic sî,
18722 Daz unser herre ist einer und drî.
18723 Wir gelouben daz hern Lôtes wîp
18724 Von fleisch und beine het einen lîp,
18725 Und daz der worden sî ein stein
18726 Und weder fleisch habe noch bein:
18727 Und daz her Nabuchodonosor
18728 Ein gewaltic künic wêr hie vor
18729 Und sît ein ohse wêr siben jâr;
18730 Und wie ein engel bî sînem hâr
18731 Hern Abacuc fuorte über lant
18732 Mit muose und brôte; und wie gesant
18733 Von gote wart ein fiurrôt wagen,
18734 Der ze himel Helyam muoste tragen;
18735 Und daz hern Balaams eselîn
18736 Menschlich wort sprach; und den drîn
18737 Kinden in dem ofen niht enwar,
18738 Des lohe sô hôhe sluoc ûf gar,
18739 Daz er niun und vierzic klâfter hôch
18740 Was, von dem manic mensche flôch
18741 Und ouch manigez wart verbrant:
18742 Swem disiu wunder sint bekant,
18743 Den dunket niht gar unmügelîch,
18744 Ob unser herre gewaltes rîch
18745 Sich menschlich in des brôtes schîn
18746 Verbirget und ouch in den wîn.
18747 Sus vinde wir wunders alsô vil,
18748 Daz ich ir niht mêr schrîben wil,
18749 Von heiligen in der niuwen ê:
18750 Der wunder ist ein sô tiefer sê,
18751 Daz in nieman durchgründen kan:
18752 Des nim ich mich ouch sîn niht an.
18753 Got hât mit drîerleie spîsen
18754 Gespîset die jungen mit den grîsen
18755 Von anegenge der werlde her:
18756 Mit irdischer spîse spîset er
18757 Die heiden vor der alten ê;
18758 Die juden, dô in tet der hunger wê,
18759 Spîste er mit himelbrôtes süeze;
18760 Wer giht daz er gelust niht büeze
18761 Uns kristen mit sîn selbes lîbe?
18762 Daz brôt ist beidiu manne und wîbe
18763 Ein wegespîse gein himelrîche:
18764 Dar helfe sîn güete uns genêdiclîche!
18765 Wie getar der spehen nâch gotes tougen,
18766 Der der minsten siuren ougen
18767 niht könde gemachen von sînen witzen?
18768 Wie getar er sîn gedanke spitzen
18769 Gein dem, der in von einem sô kranken
18770 Sâmen brâhte ze hôhen gedanken?
18771 Witze und gedanke sölte er im danken
18772 Einvelticlich: nu wil er wanken
18773 Von menschen sinne gein gotes wundern,
18774 Rehte als er sich wölle sundern
18775 Von den tôren ûf der erden
18776 Und wîser denne die engel werden.
18777 Unser herzen stênt gein gotes tougen
18778 Als gein der sunnen iulen ougen.
18779 Alle hantvesten sint enwiht
18780 Und habent si rehter insigel niht:
18781 Swer rehtes gelouben niht enhât,
18782 Den hilfet weder rât noch tât
18783 Gein der êwigen sêlikeit.
18784 Dem tiufel wart nie niht sô leit
18785 Als kristen geloube, swer an sîn ende
18786 Den beheltet âne missewende
18787 Mit den werken, diu dar zuo
18788 Gehœrent beidiu spât und fruo.
18789 Wenne menschen sin und sîn gedanc
18790 Sint kristen gelouben gar ze kranc:
18791 Dâ von sprach sant Augustîn
18792 Ein vil merklich wörtelîn:
18793 "Daz ist geloube und anders niht,
18794 Daz man geloube des man niht siht.
18795 Swaz ich sihe, des geloube ich niht:
18796 Daz weiz ich wol, wenne mir des giht
18797 Mîn ouge, daz ze mir von gote
18798 Ist offenbar mîns herzen bote:
18799 Swaz aber mîn ouge niht ensiht
18800 Und doch mîn munt vür wâr des giht,
18801 Des ist tougenlich in gote
18802 Ze mîner sêle sîn genâde ein bote".
18803 Des menschen ouge vil ofte siht
18804 Dâ von der sêle niht wol geschiht,
18805 Wenne ez sint des menschen ougen
18806 Ofte sînes herzen speher tougen:
18807 Si füegent laster unde lop.
18808 Dâ von sprach der guote Job:
18809 "Durch mînes houbtes vensterlîn
18810 Ist der tôt gesloffen în
18811 Ze mîner sêle ûf mînen schaden:
18812 Wer ist der, dem si niht geste laden
18813 In sînes herzen kemenâten,
18814 Von den diu sêle etswenne verrâten
18815 Wirt in ir selbes obedache,
18816 Diu vor was lange mit gemache?"
18817 Ein wîssage ouch spricht: "Des geloubt,
18818 Mîn ouge hât mîn sêle betoubt".
18819 Sît reht geloube tougenlîch
18820 Die sêle spîset und machet rîch,
18821 Sô muoz ich ein teil vürbaz sprechen,
18822 An juden, an ketzern mich gerechen,
18823 Der unrein kriec dâ wider ist,
18824 Daz got ze deheiner frist
18825 Wâr got und wâr mensche müge gesîn
18826 Verborgen under des brôtes schîn,
18827 Swâ die priester messe singen
18828 Und gote vür uns ir opfer bringen.
18829 Sol der niht grœzers wunders walten,
18830 Der fiur in wazzer hât behalten
18831 Von anegenge der werlde her,
18832 Als ich iu noch baz bewêr?
18833 Ein stein in einem wazzer lît
18834 Tûsent jâr, daz alle zît
18835 Über in fliuzet und hât er doch
18836 Fiur in im behalten noch,
18837 Daz ûz im schône springet
18838 Swenne man in dar zuo twinget:
18839 Swer daz eben merken wil,
18840 Den dunket des niht gar ze vil,
18841 Ob got die hôhen wirde sîn
18842 Verbirget in des brôtes schîn.
18843 Zweinzic rîme ziuhe ich dâ her in,
18844 Die sint hern Frîdankes und niht mîn:
18845 "Swer mac tuon allez daz er wil,
18846 Dem ist keins wunders niht ze vil;
18847 Er lêt uns alle tage sehen
18848 Manic groz wunder, wil mans jehen;
18849 Wir sehen diu himel zeichen sweben
18850 Ob uns und üm gên als si leben,
18851 Sunnen, mânen, sternen schîn:
18852 Waz mac gelîch dem wunder sîn?
18853 Von doner mac man wunder sagen:
18854 Er heizet daz ertrîch allez wagen;
18855 Von winden wunders vil geschiht,
18856 Die nieman grîfet noch ensiht;
18857 Der nebel füllet wîtiu lant
18858 Und wirt sîn nieman vol sîn hant;
18859 Wir mügen der geiste niht gesehen,
18860 Doch muoz man grôzer krefte in jehen;
18861 Tiufel noch tôt ich nie gesach
18862 Und fürhte ir beider ungemach;
18863 Gotes wunder sint sô grôz,
18864 Daz menschen sin gein in ist blôz."
18865 Wer sölte dem niht wunders jehen,
18866 Der einer kleinen siuren sehen
18867 Sô wunderlich erliuhtet hât,
18868 Daz si wol merket wâ si gât?
18869 Und daz ein helfant ein mûs
18870 Fürhtet, der grôz ist als ein hûs
18871 Und ûf im treit wol fünfzic man,
18872 Als ich von im gelesen hân?
18873 Under allen tiern wirt kein tier
18874 Zam und gehôrsam alsô schier
18875 Als der helfant, swie grôz er ist.
18876 Lâ dich erbarmen, herre Crist,
18877 Daz wir gein im sô kleine sîn
18878 Und uns gehôrsam ist ein pîn!
18879 Ein tier daz heizet camêliôn,
18880 Dâ schrîbent die meister wunder von:
18881 Daz der luft sîn spîse sî,
18882 Und swelher varwe ez wone bî,
18883 Nâch der werde sîn balc gevar
18884 Denne rôt aleine: daz diutet gar
18885 Uns sunder, die der werlde guft
18886 Spîset als daz tier der luft,
18887 Die sich alle tage verwent
18888 Nâch der werlde und sich niht gerwent
18889 Mit der rôten varwe des smerzen
18890 Cristes bluotes in dem herzen.
18891 Eins bockes bluot den adamas
18892 Speltet, mit dem man hertez glas
18893 Durch grebet und herte edel gesteine:
18894 Weine, sündiger mensche, weine,
18895 Daz der meide kindes bluot
18896 niht kan erweichen dînen muot
18897 Und dînes herten herzen flins!
18898 Gedenke daz er den hœhsten zins
18899 An dem kriuze hât vür dich geben,
18900 Daz er dir koufte daz êwige leben!
18901 Des wurmes bluot, mit dem vil schôn
18902 Der wîse künic Salomôn
18903 Des tempels marmelsteine spielt
18904 Und von einem strûze den sin behielt,
18905 Der mit dem bluote ein glas zebrach,
18906 In dem er sîne jungen sach
18907 Gevangen: des wurmes bluot besunder
18908 Hât grôze kraft und michel wunder:
18909 Waz krefte hât denne daz reine bluot
18910 Des herren, der alliu wunder tuot
18911 Und durch uns sünder leit den tôt,
18912 Der müeze uns helfen ûz aller nôt?
18913 Nu wil ich ziehen in ze geziuge,
18914 Der nie gelouc, daz ich niht liuge,
18915 Daz ein gesuoch den andern âz
18916 Ûf mîn pfant, under des ich saz
18917 Ob disem büechelîn und ez tihte
18918 Und wîten ez zesamen rihte,
18919 Dô zwelf menschen alle tage
18920 Mîn brôt âzen: dise klage
18921 Süln die frumen aleine vernemen:
18922 Eines bœsen gâbe wölte ich mich schemen:
18923 Wem sölte der selbe geben iht,
18924 Dem wê tuot sô er geben siht?
18925 Mîn hûs, mîn koste und mîn pfant
18926 Stênt alliu jâr in gelückes hant,
18927 Wenne ich gewisser gülte niht hân
18928 Und mich betrage swâ mit ich kan,
18929 Âne sünde, âne schande, als verre ich mac.
18930 Ich pflige der schuol noch, der ich pflac
18931 Vor zwein und vierzic jâren
18932 Und sihe nu niht gebâren
18933 Rîche liute und vil prêlâten
18934 Sô milticlich, als die dâ tâten,
18935 Bî den ich unz her bin erzogen.
18936 Ich sihe noch manigen hôhe brogen,
18937 Der doch gar lützel milte hât:
18938 Den ziert sîn körper und sîn wât
18939 Und daz man in siht walgen
18940 In vêhen miuse balgen:
18941 Doch hân wir alle gesehen dicke
18942 Rîlich gewant an bœsem ricke:
18943 Des êre wir manigen durch sîn guot,
18944 Der nie gewan tugent noch hêren muot.
18945 Vêch, merderîn, hermîn, eichornîn
18946 Sint kosper durch irs glanzes schîn,
18947 Aleine vür frost vil bezzer sîn
18948 Fühsîn, hesîn und lemmerîn.
18949 Swaz hochfart bringet, daz ist wert:
18950 Einveltiger kleider der niht gert,
18951 Der sich der werlde nieten wil:
18952 Des hât diu werlt tôren vil,
18953 Die manic guot tuoch ze flecken machent,
18954 Des die wîsen ofte lachent.
18955 Ouch ist ein site, des enlobe ich niht,
18956 Mit dem habent tumme herren pfliht:
18957 Swer sîn arme liute beschatzet
18958 Und hin und her zesamen kratzet,
18959 Daz er ein rîlich kleit gewinnet
18960 Ê denne ez schaben sich beginnet,
18961 Daz denne ein loter von im treit:
18962 Daz ist grôziu sünde und affenheit:
18963 Sôgetân milte ist gote unwert:
18964 Kein wîse man sôgetânes lobes gert.
18965 Sol der sînen muot von tôren wenden,
18966 Der des tages glast wil blenden
18967 Mit kerzen glaste, der wahs wêrlich
18968 Versmelzet wirt gar unnützlich,
18969 Mit dem man got billicher êrte
18970 Denne daz man ez tümplichen verrêrte?
18971 Swer bœsen herren lange frist
18972 Ûf genâden lône dienet, seht dem ist
18973 Als der âne frumen lange riffelt
18974 Und landes vil ân nuz erstriffelt:
18975 Wenne swer mit bôsheit ist besezzen,
18976 Der gedenkt: "Man hât schier vergezzen
18977 Ob du frümiclîchen tuost!
18978 Tuo niht denne daz du doch tuon muost!
18979 Swaz du ersparst, daz ist behalten:
18980 Lâz tôren tugenden und êren walten,
18981 Die niht wizzen wie grôziu dinc
18982 Zuo kan bringen her pfenninc!"
18983 Pfenninc hât manigen dienstman
18984 Denne künic oder keiser ie gewan;
18985 Pfenninc kan übel unde guot
18986 Als denne sîn meister ist gemuot;
18987 Pfenninc vergizzet sêle und lîbes,
18988 Gotes selber, kinde und wîbes;
18989 Pfenninc lêrt predigen manigen man
18990 Der wênic der heiligen schrift kan,
18991 Er machet ouch manic wîp unstête
18992 Diu selten âne gâbe missetête;
18993 Pfenninc geistlichen muot verkêrt,
18994 Pfenninc vil ungelouben lêrt,
18995 Pfenninc kan strîten, süenen, kriegen,
18996 Pfenninc kan sweren, liegen, triegen,
18997 Pfenninc kan singen, springen, ringen,
18998 Pfenninc kan zuht und êre verdringen;
18999 Pfenninc ist ein heilictuom,
19000 Daz ze Rôme hât hôhen ruom;
19001 Pfenninc ist küene als Alexander,
19002 Pfenninc kan singen als ein galander.
19003 Pfenninc kan alles des ein teil,
19004 Daz sêlde bringet und unheil.
19005 Swelch herre nu der untugende pfliget
19006 Daz er sô hôhe den pfenninc wiget,
19007 Den sol man selten frœlich vinde
19008 Bî kurzewîle oder bî sînem gesinde:
19009 Wenne im der pfenninc fröude swachet,
19010 Nâch dem sîn bitter herze krachet.
19011 Kargiu hant und swinde gemüete
19012 Gruonent selten in êren blüete.
19013 Ein ieglich mensche an sînem sinne
19014 Ist überflüzzic nâch gewinne
19015 Oder nâch sîner sêle verlüste.
19016 Lât iuch der wîsheit niht gelüste,
19017 Der nu manige liute pflegent,
19018 Die allez ir getrehte wegent
19019 Wie si guot und êre gewinnen,
19020 Und niht wie si got reht minnen,
19021 Daz si der êwigen pîn entrinnen
19022 Und êwige fröude bî gote gewinnen!
19023 Swer mit gedult getragen kan
19024 Armuot, der ist ein sêlic man:
19025 Und ist er sînes gemüetes fri,
19026 Sô wont im gar vil gnâden bî:
19027 Wenne got kan den sînen lônen
19028 Und geben zweier hande krônen:
19029 Der genâden krône ûf ertrîche,
19030 Der êren krône in himelrîche.
19031 Lât zwên mit einander loufen
19032 Oder mit einander zwên sich roufen
19033 Oder zwên spiln ûf einem brete,
19034 Gelîch gevar in glîcher wête:
19035 Kumt einer über hundert mile dar
19036 Und neme ir aller kriege war,
19037 Er gan zehant ir einem baz
19038 Denne dem andern, wie füegt sich daz?
19039 Nu hœrt wâ ez der meister lêre
19040 Mit tiefen sinnen hin kêre:
19041 Si sprechent daz der mensche sî
19042 Der selben nature, diu jenem wonet bî,
19043 Dem er baz denne dem andern gan.
19044 Ein anderz ich ouch funden hân
19045 In der heiligen schrift lêre:
19046 Daz mit eben gelîcher êre
19047 Gesellen ir zweier engel sîn
19048 In einem kôre, die dise künste în
19049 Giezent und gebent disen zwein,
19050 Daz si mit günsten sîn gemein:
19051 Die habent die genâde hie ûf erden
19052 Und mügen dort ouch gesellen werden
19053 Mit einander in himelrîch,
19054 Volgent si den engeln beide gelîch
19055 Wir sîn gelêrt oder ungelêrt:
19056 Von swem nu got wirt baz geêrt,
19057 Der ist im ouch lieber dort
19058 Und gibt im stêter fröuden hort.
19059 Man siht die selben genâde tuon
19060 Eins vil armen hirten sun,
19061 Sô man in wîhet, die man tuot
19062 Eins keisers sun: sô rehte guot
19063 Ist des süezen gotes milte,
19064 Den sîner genâden nie bevilte
19065 Die er beide armen und rîchen
19066 Tegelîch teilt sô volliclîchen,
19067 Und wil daz pfaffen sîn gar reine
19068 An irem leben und sô gemeine
19069 Als si an der wîhe sint.
19070 Und hête ein armer hirte ein kint
19071 Daz man ze ritter sîlte segen,
19072 Diu wort wêrn als hôhe gewegen
19073 Mit den man in ze ritter mechte,
19074 Als ob er hête tûsent knehte:
19075 Wenne got wil daz wir alle gelîche
19076 Uns rihten gein dem himelrîche
19077 Mit dêmuot, als er uns daz spor
19078 Allen hât getreten vor.
19079 Doch wizzet daz mêre wirdikeit
19080 An einen menschen wirt geleit
19081 Denne an tûsent ander:
19082 Der künic Alexander
19083 Het vil mêre êren denne ein man,
19084 Der nie liute noch lant gewan:
19085 Wenne er tet mêr in zwelf jâren
19086 Denne die drîzic jâr künic wâren,
19087 Dô er machte zwelf grôze stete
19088 Der ieglich sînen namen hete:
19089 Sôgetân êre und wirdikeit
19090 Hât sorge, angst und arbeit.
19091 Einem herren wirt sîn brôt vil sûr
19092 Und muoz doch sterben als ein gebûr:
19093 Aleine diu êre si mache blint,
19094 Doch weiz ich daz eins keisers kint
19095 Sîn muoter als unsanfte gebirt
19096 Als dô ein hirte geboren wirt:
19097 Si werdent beide blôz geborn
19098 Âne krône, âne schilt und âne sporn,
19099 Ane silber, âne golt, âne wîn, âne korn,
19100 Wenne si sint beide nâch erfrorn
19101 Und grellent als zwô junge katzen,
19102 Die man siht ungelîche kratzen
19103 Swenne si kument ze irn tagen:
19104 Waz sol man dâ von lenger sagen?
19105 Sprechet alle "frô, herre, frô"!
19106 Zwei büebelîn siht man in dem strô:
19107 Der sol einez ein keiser sîn,
19108 Daz ander hüeten sol der swîn,
19109 Und ist doch einez des andern genôz,
19110 Hungeric, arm, einveltic, blôz.
19111 Hern Moyses lîbelîn was niht grôz,
19112 Dô er ûf grôzen wazzern flôz
19113 Und lac in einem kîrbelîn
19114 Gewindelt daz was binzîn,
19115 Der sît den künic Pharaô
19116 Von herzen grunde machte unfrô,
19117 Dô got die zehen slege tet
19118 Durch in, als noch geschriben stêt
19119 An dem andern sîner fünf buoche:
19120 Dâ stêt vil wunders, der ez wil suoche.
19121 Moyses was der schœnste man,
19122 Von dem ich gelesen hân
19123 Von anegenge der alten ê:
19124 Houbt, ouge, zan getet im nie wê,
19125 Rücke noch sîte, fuoz noch hant.
19126 Fürsten, frîen, bürge und lant
19127 Twanc er und fuorte der juden her
19128 Mit kreften durch daz rôte mer.
19129 Daz melm in under iren füezen stoup.
19130 Ouch nam er manigen grôzen roup,
19131 Sît künic Pharaô ertranc
19132 Der wider got und wider in ranc:
19133 Des beleip er ouch tôt in dem mere
19134 Mit einem gar unzellichen here,
19135 Daz ir deheiner nie genas.
19136 Moyses gote sô heimlich was,
19137 Daz er kôste mit im besunder
19138 Und durch in tet manic kreftic wunder
19139 Ich hân gelesen, daz Jôsuê
19140 Wîlent in der alten ê
19141 Fünf künige hiez in ein hol
19142 Vermûren, den ez niht gar wol
19143 In kurzer frist dar nâch ergienc:
19144 Wenne er si alle fünfe hienc,
19145 Und hiez in ûf ir helse treten
19146 Dô si daz leben dennoch heten,
19147 Daz bî dem gewalte in wêre bekant,
19148 Daz erbe und eigen, bürge und lant
19149 Sîn und der sînen sîlte sîn.
19150 Ouch liden von im grôze pîn
19151 Mit disen fünf künigen einer und drîzic
19152 Künige, die alle wâren flîzic,
19153 Wie si mit krefte und mit here
19154 Sich sînes gewaltes mîhten erwere:
19155 Den gesigte er doch allen an.
19156 Swem got noch guotes und êren gan
19157 Und den sîn genâde wil ûf zucken,
19158 Den kan unsanfte ieman verdrucken.
19159 Nu sül wir aber vürbaz rennen
19160 Und unsern herren baz erkennen.

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Administration: Henrike Lähnemann Zuletzt geändert am 12.11.2004