CXLV. Wer ho[e]ren wo[e]lle vo[n] d[er] welt lauf. Der tu[o] nu[n] hie die orn auf.

22743 Wizzet daz diu êrste werlt
22744 niht sô schône was geberlt
22745 Mit manigem hofelichen site
22746 Als manigen liuten nu wonet mite:
22747 Wenne die liute in wilden welden
22748 Ümme liefen und in velden,
22749 Gelîch wilden tiern und tummem vihe.
22750 Sît lêrten si zesamen ziehe
22751 Dörfer, stete, in den si sâzen
22752 Und mit einander trunken und âzen.
22753 Doch wên ich daz her Adâm hête
22754 Lützel gêren an sîner wête:
22755 Prîsschuohe, hûben, gebildet hemde
22756 Wâren im biz an sîn ende fremde;
22757 Ich wên daz er ouch selten sêze,
22758 Dâ man ûz golde und silber êze:
22759 Swaz man im gap, daz âz er:
22760 Ich wên daz er selten wazzer
22761 Ûz rôsen und lilien habe gebrant;
22762 Ouch wên ich daz frouwen Êven gewant
22763 Lützel bilde hête und valten,
22764 Der man die frouwen nu siht walten.
22765 Doch sült ir merken ein grôz unbilde:
22766 Daz kristen liute sint worden wilde,
22767 Die bî wolfen und bî bern
22768 In rûhen welden wonent gern
22769 Und in wüestunge machent bürge,
22770 Daz man arme liute würge:
22771 Sint si genôz der guoten einsideln,
22772 Daz vindet der tiufel an sîner videln.
22773 Einsidel und morder sint in welden:
22774 Wer wil ir beider leben melden?
22775 Wir lesen eteswenne daz der genas
22776 An der sêle, der ein morder was,
22777 Und daz jens sêle verlorn wart,
22778 Der manic jâr nie geschar den bart:
22779 Doch gevellet mir baz jener leben,
22780 Die man der werlde guot bilde siht geben
22781 Und den man guoter dinge getrûwet
22782 Denne jener, vor den den liuten grûwet.
22783 Ein freidic man hiez Mecencius,
22784 Von dem hân ich gelesen alsus:
22785 Swenne er den vienc, des vînt er was,
22786 Der muoste ein stinkende madic âs
22787 Eins menschen tragen an die vart,
22788 Dâ ez ûf in geleget wart
22789 In ein grap, dâ er verdarp
22790 Mit jâmer und under dem âse starp:
22791 Wie der selbe sît ende nême,
22792 Swen ze lesen des gezême,
22793 Der suoche diu buoch von Rœmer tât,
22794 In den grôz dinc geschriben stât
22795 Von roube, von brande, von valsche, von morden.
22796 Von Rôme ist nu ein zuofluht worden
22797 Aller der heiligen kristenheit:
22798 Diu ie nâch guote und êren streit,
22799 Diu nimt nu leider ofte guot ân êre
22800 Wider got und sîner boten lêre.
22801 Manic velt wart wîz von tôten gebeine,
22802 Von bluote rôt, von âse unreine,
22803 Ê denne ie Rôme kom an die maht
22804 Nâch der si vaht tac unde naht:
22805 Diz machte erge und gîtikeit:
22806 Die tuont der werlde noch manic leit.
22807 Unreht gewalt, bete und stiure
22808 Machent milte liute ûf erden tiure.
22809 Swer herren und jüden ofte muoz geben
22810 Sîn guot, der muoz mit sorgen leben;
22811 Swen tegelich sorge und nôtige bürgen
22812 Âne hilfe, ân rât beginnent würgen,
22813 Der muoz sîn ein gemartert man
22814 Und trüege er golt mit sîden an.
22815 Diz ist der werlde ein grôzer slac:
22816 Swaz der mensche erwerben mac
22817 Mit sorgen und arbeit naht und tac,
22818 Des wirt an sînen dempfesac
22819 Vil mêre denne an sîn sêle geleit:
22820 Unmâze ist wîsen liuten leit.
22821 Swer legt sînen flîz an sînen lîp,
22822 An friunde, an guot, an kint, an wîp,
22823 An kunst, an gunst, an lop, an êre:
22824 Der sol bedenken vor vil mêre,
22825 Waz krefte, waz tugende, waz wirdikeit
22826 An unser sêle got hât geleit;
22827 Er ist ein sinnic, sêlic man,
22828 Swer lîp und sêle wol wegen kan.
22829 Wizzet swelch mensche irdischen muot
22830 Hât, daz minnet ouch irdisch guot:
22831 Swer aber mit flîze gein himel trahtet,
22832 Irdischer êren er lützel ahtet.
22833 Der geist strebt ûf, daz fleisch ziuhet nider:
22834 Aleine daz fleisch erstên sol wider,
22835 Die erden ez minnet doch nâch sîner art:
22836 Und wêr ez niht der sêle sô zart,
22837 So endörfte si niht von sînen schulden
22838 Nâch disem lîbe dort marter dulden.
22839 Sünde mîdent manige liute
22840 Durch drîerleie sache hiute:
22841 Eine siht man dâr üm sünde mîden
22842 Daz si der helle pîn iht lîden,
22843 Eine daz in got wölle geben
22844 Nâch disem leben daz êwige leben,
22845 Eine die lebent reiniclich
22846 Durch ganze tugent sunderlich:
22847 Dise mîder underscheiden sint
22848 Als knehte, ritter und küniges kint:
22849 Durch vorhte mîdent sünde die knehte,
22850 Üm solt siht man die ritter vehte,
22851 Der tugenden minnern wirt ze lône
22852 Von gote des êwigen lebens krône;
22853 Swenne der kneht ze ritter wirt
22854 Und denne durch tugent sünde verbirt,
22855 Sô mac er lôn bî gote vinden,
22856 Ein erbeteil mit himel kinden.
22857 Ein kurz urloup, mensche, ich dir künde:
22858 "Swâ unser herre niht sî, dâ sünde!"
22859 Ob sünde niht sünde wêre,
22860 Doch sölte si sîn unmêre
22861 Durch manigerleie grôz unflât,
22862 Die diu sünde an ir hât.
22863 Und wêrn die tiufel alle tôt,
22864 Dennoch lebte der süeze got,
22865 Unser schepfer, den wir sölten êren
22866 Und tac und naht sîn lop gemêren.
22867 Swâ ich einen winter belîben sölte,
22868 Ungern ich blôz dar kumen wölte,
22869 Ich zechte ie dar, als verre ich möhte,
22870 Swes ich bedörfte und swaz mir töhte:
22871 Nu wêr wir alle gern êwiclîche
22872 Bî unserm herren in sînem rîche,
22873 Und unser tumpheit ist sô grôz
22874 Daz wir wênen er enpfâhe uns blôz!
22875 Sîn rîche ist uns immer unbekant,
22876 Und habe wir vor dar niht gesant
22877 Daz wir bî sînen genâden vinden,
22878 Sô scheidet er uns von sînen kinden.
22879 Swer gewis der êwigen fröude wil sîn,
22880 Der merke waz schreip sant Augustîn:
22881 "Habe gotes liebe in dîner brüste
22882 Und tuo denne allez des dich gelüste!"
22883 Swer niht gein got wil werden schuldic,
22884 Der zeme sich selber und sî geduldic.
22885 Mir sagte ein klôsterman ein mêr,
22886 Daz mac sich füegen wol dâ her:
22887 Vier ebte gein capitel riten
22888 Mit irme gesinde nâch iren siten.
22889 Einen krâmer si dâ vor in sâhen
22890 Mit einem esel ze markte gâhen,
22891 Den er gar sêre hete überladen.
22892 Dô sprâchen die ebte: "Du nimst schaden,
22893 Guoter man, wiltu sô sêre
22894 Dîn nôz überladen! tuo sîn niht mêre,
22895 Wiltu niht daz ez vor dir sterbe
22896 Oder an rücke oder an beine verderbe!"
22897 Der krâmer sprach: "Ez trüege noch nêre,
22898 Des man frumen hête und êre:
22899 Swie grôze nôt ez von mir dol,
22900 Vier ebte gedult trüege ez noch wol!"
22901 Dô sâhen die herren ein ander an
22902 Und swigen und riten von im hin dan,
22903 Wenne er sagte in die wârheit,
22904 Ez wêr in liep oder leit.
22905 Ouch lese wir in der Veter buocheDer jähzornige Mönch, Jb, f. 155v
22906 Diz mêre, swer ez mit flize wil suoche,
22907 Daz wîlent wêr ein klôsterman,
22908 Der selten stêten muot gewan:
22909 Nu was er resche, nu was er laz,
22910 Nu wolte er diz, nu wolte er daz.
22911 Eins tages er sînen abet bat
22912 Daz er im erloubte ein ander stat,
22913 Dâ er sîn sêle baz möhte behalten
22914 Denne in dem klôster bî jungen und alten.
22915 Der abt gewerte in des. Vil balde
22916 Machte er ein zelle in einem walde,
22917 In der er slief, saz, tranc und âz:
22918 Dâ twanc in weder nît noch haz.
22919 Dâ het er bî im einen kruoc,
22920 Den er von ecken ze ecken truoc
22921 In der zelle hin und her,
22922 Er wêr vol wazzers oder lêr:
22923 "Dort stuont er wol, hie stêt er baz,
22924 Ienz machte er hol, diz macht er naz."
22925 Nu stuont der kruoc mitten in der zelle.
22926 Eins âbendes gienc der münich gar snelle
22927 Und erviel sich über den kruoc.
22928 Diz ungemach er im niht vertruoc,
22929 Wenne er sluoc in an die want
22930 Und sprach: "Alrêrst ist mir bekant,
22931 Daz mîn gemüete unstête ist gar,
22932 Swâ ich bin oder swar ich var!
22933 Mac ich bî einem kruoge aleine
22934 Niht belîben, wie sölte mich ein gemeine
22935 Samenunge bî ir denne dulden?
22936 Ich bin unstête von mînen schulden"!
22937 In sîn klôster er dô gienc,
22938 Sîn abt in aber wider enpfienc:
22939 Dô bezzerte er sich von tage ze tage
22940 Und lernte verswîgen und vertrage
22941 Und beleip an einem muote stête:
22942 Sêlic wêr der mensche, der diz noch tête!
22943 Wizzet daz herter widerspân
22944 Vil ofte zorn hât getân
22945 Zimmerliuten, swenne er in scharten
22946 Machte an bîheln und an barten:
22947 Seht alsam tuot ein krieges man,
22948 Den von sînem kriege nieman kan
22949 Bringen: swer dem sol gewarten,
22950 Der gewinnet grâ hâr in der swarten.
22951 Der ohse treit ungerne sîn joch
22952 Und daz er hazzet, daz treit er doch:
22953 Swer hazzet dâ bî er belîben muoz,
22954 Dem wirt vil selten sorgen buoz.
22955 Wizzet er ist ein sêlic man,
22956 Der selber im daz geringen kan,
22957 Dem er niht wol entrinnen mac:
22958 Manic esel treit vil swêren sac.
22959 Gedult überwindet freidikeit:
22960 Stille wazzer ofte nider leit
22961 Starke türne und veste brücken.
22962 Swer sich wol kan nider drücken,
22963 Sô in gewalt und frevel twinget,
22964 Wizzet daz im vil baz gelinget
22965 Denne ob er sich vaste sezte wider:
22966 Türne drückent bercfride nider.
22967 Waz sol der pfîl dir in dem herzen,
22968 Der alle tage dir machet smerzen
22969 Und dich anders niht gerichet
22970 Denne daz er tac und naht dich stichet?
22971 Ich müeste einen lieben friunt ûz kiesen,
22972 Durch den ich wölte mîn sêle verliesen:
22973 Swer denne durch sînen vînt verliuset
22974 Sîn sêle, zwei bitter dinc er kiuset:
22975 Tac und naht pîn an dem herzen,
22976 Nâch disem lîbe dort êwigen smerzen.
22977 Swenne ich etwenne in buochen lise,
22978 Wer jene wêren und ouch dise
22979 Die vor uns lebende wâren,
22980 Dirre gein tûsent jâren
22981 Und jener sibenhundert jâr,
22982 Sô mac mir wahsen grâwez hâr,
22983 Daz ich sô kurze zuoversiht
22984 Vor mir hân und bin doch niht
22985 Deste bezzer an mînem leben.
22986 Got müeze uns frist und hilfe geben,
22987 Daz wir nâch sînem willen alsô
22988 Geleben, daz wir bî im sîn frô!
22989 Uns armen ist ûf erden alle zît
22990 Als einem der blint gevangen lît,
22991 Dem selten ie dehein liep geschach
22992 Und in der werlde ouch nie gesach
22993 Stern, mânen noch die sunnen,
22994 Loup noch gras mit werlde wunnen:
22995 Swer dem vil sagte von schœnen frouwen,
22996 Von berge, von tal, von walde, von ouwen,
22997 Von vogeln, von vischen und von tieren,
22998 Wie sunne und mâne die werlt zieren,
22999 Waz wîz, swarz, rôt, blâ, grüene, gel,
23000 Brûn sî, daz ist im ein spel:
23001 Als ist ûf erden uns allen gelîch:
23002 Könde wir die fröude in himelrîch
23003 Gewegen gein disem jâmertal,
23004 Sô wêr der werlde wunne smal,
23005 Valschaft, unflêtic unde blint
23006 Und noch wilder denne der wint.
23007 Ich enweiz wie mich mîn natûre handelt:
23008 Sô sich sô manic dinc an mir wandelt
23009 Und mich krenket von tage ze tage,
23010 Sô hebt sich jâmer unde klage.
23011 Ze manigen dingen was mir heiz:
23012 Hêt ich gewest, daz ich nu weiz,
23013 Um diu hête ich mich baz bedâht.
23014 Ze manigen dingen hât mich doch brâht
23015 Gewonheit mêr denne mîn natûr:
23016 Ich nim nu süeze vür wîlent sûr
23017 Ich nim ouch warm vür wîlent kalt:
23018 Dô was ich junc, nu bin ich alt
23019 Und ist der muot mir worden swêre
23020 Mit den geliden. Wie sêlic er wêre,
23021 Der gote diente die wîle er möhte
23022 Und die wîle sîn dienst iht töhte!
23023 Der alte ist selten âne klage:
23024 Nu houpt, nu site, nu lunge, nu mage
23025 Tuont im wê, nu hant, nu fuoz,
23026 Trûrens wirt im selten buoz.
23027 Swenne er gedenket hin und her
23028 Wie gesunt, wie junc, wie starc er wêr
23029 Und ouch merkende wirt dâ bî
23030 Wie alt, wie kalt, wie kranc er sî:
23031 Sô sölte er ûf gein himel trahten
23032 Und ûf die werlt gar lützel ahten.
23033 Swer êwigez leben wil erwerben,
23034 In dem muoz vor diu werlt sterben:
23035 Unsanfte der sîn sünde büezet,
23036 Dem noch der werlde minne süezet.
23037 Manigen liuten wont nu mite
23038 Gar ein wunderlicher site,
23039 Die alt sint, kranc und übel gestalt
23040 Und doch niht wöllen wesen alt:
23041 Si wênent in habichs wîse sich mûzen,
23042 Swenne in daz hâr vil schœner ist ûzen
23043 Denne ez was vor vierzic jâren:
23044 Sölte der kintlich niht gebâren,
23045 Der in der jugent swarz hâr hete
23046 Und nu hât liehte silberdrête?
23047 Er ist besunder ein sêlic man,
23048 Der selber sich geschatzen kan,
23049 Swenne in kumer oder alter twinget!
23050 Wê dem, der swinde dar nâch ringet,
23051 Daz im niht wider varn mac:
23052 Der hât unruowe naht und tac.
23053 Alters fröude und âbent schîn
23054 Mügen wol gelîch einander sîn:
23055 Si trœstent wol und varent hin
23056 Als in einem regen ein müediu bin.
23057 Wir wünschen alters alle tage,
23058 Des zuokunft bringet uns niuwe klage:
23059 Sô wirt ouch leider unser jugent
23060 Dicke verzert mit maniger untugent:
23061 Swer die in sîn alter brenget,
23062 Von êwigen fröuden er sich lenget.
23063 Alter allen dingen ir kraft
23064 Nimt und swachet meisterschaft:
23065 Alter ros und lewen krenket,
23066 Alter manige swêre uns schenket,
23067 Alter manige liute blendet,
23068 Alter bluot, marc, hirne swendet,
23069 Alter nimt wîben und mannen ir schœne,
23070 Vogeln und glocken ir gedœne,
23071 Slangen und natern irn schrane,
23072 Boumen und buschen irn swanc,
23073 Hebichen und valken irn fluc,
23074 Hasen und fühsen irn tuc;
23075 Alter roubet uns der sinne,
23076 Süezer stimme und stolzer minne;
23077 Alter nimt uns kurzewîle;
23078 Alter spart vil manige mîle,
23079 Die man liefe, gienge, rite,
23080 Füere sîn krancheit niht dâ mite;
23081 Alter machet widerzême
23082 Manic dinc, daz vor was genême;
23083 Alter machet daz manic degen
23084 In herten strîten ist gelegen,
23085 Der wunder tet die wîle er mohte
23086 Und die wîle sîn jugent tohte;
23087 Alter ziuhet uns alle nider,
23088 Die selten sich ûf rihtent wider,
23089 Swenne ez uns bringet an die stat
23090 Dâ werltlîchiu fröude ein ende hât.
23091 Swen armuot twinget von tage ze tage,
23092 Der sol gedulticlîchen si trage:
23093 Wenne willic armuot ist uns guot,
23094 Unwillic armuot schaden tuot:
23095 Diu füeret ofte der liute sinne
23096 Ze manigerleie bœsem gewinne.
23097 Armuot machet wuocherer,
23098 Diebe, rouber, âbrecher,
23099 Morder, valsche prediger,
23100 Gîtiger und glîchsener;
23101 Armuot manigen kristen twinget
23102 Daz er mit im selber ringet,
23103 Ob er ein jüde müge werden
23104 Oder mit jâmer leben ûf erden;
23105 Grôz armuot fröuden gar vergizzet,
23106 Sô kumer und hunger ir pfrüende wizzet;
23107 Armuot brichet triuwe und eide,
23108 Lîp und sêle verliuset si beide:
23109 Armuot kan vil grimme rête;
23110 Si machet manic wîp unstête,
23111 Diu ungern iemer missetête
23112 Die wîle si koste und kleider hête;
23113 Armuot manige unwirde hât,
23114 Man nimt si selten an fürsten rât;
23115 Armuot manigen pfaffen unêrt,
23116 Der doch der buoche ist wol gelêrt;
23117 Armuot irret manigen man
23118 Daz er niht lobes bejagen kan,
23119 Der friuntholt, frô und milte wêre
23120 Und wêr der biutel im niht lêre;
23121 Armuot manige schœne maget
23122 Verdrucket, daz si wirs behaget
23123 Denne ein rîche maget dâ bî,
23124 Aleine si blint und hüfhalz sî;
23125 Armuot unschuldic bluot vergiuzet,
23126 Armuot des lebens sêre verdriuzet;
23127 Siechtage unde armuot
23128 Nidernt manigen hôhen muot.
23129 Swer lîbes und guotes ist gesunt,
23130 Dem ist manic gebreste unkunt
23131 Den arme liute habent ûf erden,
23132 Swelch rât der sêle beginne ouch werden.
23133 Willic armuot lebt hie kumerlîche,
23134 Daz si bî gote sî immer rîche.
23135 Wol im swem got daz guot beschert,
23136 Daz er den jüden ir kint niht nert
23137 Mit sînen kinden, als ich hân
23138 Wol vier und zweinzic jâr getân
23139 Und tuon noch leider alle tage!
23140 Swer siech und arm ist, der muoz klage
23141 Daz im sîn tage sint entsliffen
23142 Und er mit sorgen lît begriffen.
23143 Sîdîn biutel und güldîn senkel
23144 Sint swacher denne eins flôhes schenkel
23145 In den herzen, diu got minnent
23146 Und üm dise werlt sich niht versinnent:
23147 Der ist noch minner bî unsern zîten
23148 Denne dishalp meres ist tragodîten.
23149 Swer gar einveltic wil sîn ûf erden,
23150 Der muoz ê narren narre werden.
23151 Ûf erden heizent hundert jâr
23152 Ein werlt: wer gelebte diu gar?
23153 Swie frœlîch wir gebâren,
23154 Doch kumt ze ahtzic jâren
23155 Selten ieman oder dar über:
23156 Und hête wir hundert tûsent züber
23157 Vol goldes, sô müeste wir doch von hinnen:
23158 Wer wil dâr üm sich versinnen?
23159 Wir leben in einer tôren wîse,
23160 Pfaffen, leien, junge, grîse,
23161 Wölle wir des lîbes wollust betrahten
23162 Und ûf die sêle sô vil niht ahten.
23163 Man machte manige kriege sleht,
23164 Diuhte ieglichen niht er hête reht.
23165 Muotwillic leben und gêher zorn
23166 Hât manic lip und sêle verlorn,
23167 Muotwille und tegelich bœse bilde
23168 Machent pfaffen und leien leider wilde.
23169 Unser herre got gebe, daz münich und nunnen
23170 Wol der werlde sîn entrunnen!
23171 Von antlâzes heilikeit
23172 Kumt ofte liep unde leit.
23173 Gotes diener sint gote liep,
23174 Swer gerne stilt der ist ein diep.
23175 Wir legen uns selb vierde nider,
23176 Sô stên wir ûf selb vierde wider:
23177 Wir ezzen, wir trinken, wir rîten, wir gên,
23178 Sô müeze wir ie selb vierde stên:
23179 Lîp und sêle, engel und vînt
23180 Sô lange bî einander sint,
23181 Biz si sich müezen scheide
23182 Mit fröuden oder mit leide:
23183 Wenne diu heilige schrift uns lêrt,
23184 Daz kristenliute trôst gemêrt:
23185 Daz sant Pêters schiffelîn
23186 Muoz noch liden manige pîn
23187 Und sol dâ von ertrinken niht,
23188 Swie vil joch leides im geschiht.
23189 Swie sêre wir nu dem lîbe zarten,
23190 Doch werde wir gelîch den schemebarten:
23191 Sô die sehen beginnent starren
23192 Und die rôten schedel zarren
23193 An den ougen und sô diu wangen
23194 Mit tiefen runzeln werdent behangen
23195 Und sô diu nase und ouch der munt
23196 Ir unflât tuont uns allen kunt.
23197 Niun venster ein iegelich mensche hât,
23198 Ûz den selten iht reines gât:
23199 Nase und ougen, ôren und munt
23200 Habent siben venster, zwei sint uns kunt,
23201 Diu die döuwunge wîsent abe
23202 Nâch menschen natiurlicher labe.
23203 Ein frischer vels frisch wazzer giuzet
23204 Ûz im, daz reine und lûter fliuzet:
23205 Als merket man wol wie wir sîn innen
23206 Bî dem, daz man ûz uns siht rinnen:
23207 Swer diz wölte bedenken eben,
23208 Dem würde unwert diz kranke leben.
23209 Maniger sündet ûf den trôst,
23210 Daz der schâcher wart erlôst:
23211 Swer sîn riuwe dâ hin spart,
23212 Der vert vil lîhte ein übel vart.
23213 Der hôhe meister Origenes
23214 Trôste gein gotes güete sich des,
23215 Daz nimmer nieman würde verlorn:
23216 Sô vorhte Jûdas, gotes zorn
23217 Wêre grœzer denne sîn missetât,
23218 Daz in ouch betrogen hât.
23219 Oben über gevarn und unden durch
23220 Hât helle flügel und helle furch:
23221 Swer daz mittel wol kan halten,
23222 Der mac wol des himels walten.
23223 Wenne manic mensche in sünden lît,
23224 Daz sich nâch der vergangen zît
23225 Vil mêr sent und nâch der jugent
23226 Denne nâch der verlornen tugent:
23227 "Ouwê", gedenket ein altez wîp,
23228 "Und hête ich alsô schœnen lîp
23229 Als ich wîlent hete,
23230 Waz ich noch wunders tête!"
23231 Swer sünden wil biz an den tac
23232 Daz er nimmer gesünden mac,
23233 Den lêt diu sünde, ern lêt si niht.
23234 Vil ofte leider daz geschiht,
23235 Daz der ze sünden gibet rât,
23236 Der gar unschuldic wil sîn der tât.
23237 Als wîlent ûf tugent und ûf frümikeit
23238 Irn flîz die alten habent geleit,
23239 Alsô leit nu diu kristenheit
23240 Irn flîz ûf bœse kündikeit.
23241 Dâ von sprach der wîse man,
23242 Des sprüche nieman gevelschen kan:
23243 "Ob ich vor gote gesprechen ez tar,
23244 Sô dunket mich gar ze kleine diu schar,
23245 Durch die krist die marter leit:
23246 Als nu lebet diu kristenheit,
23247 So enwirt der zehende niht behalten,
23248 Got wölle denne güete, niht rehtes walten.
23249 Wenne süln juden, ketzer, heiden
23250 Von sînen genâden sîn gescheiden,
23251 Sô hât der tiufel ein michel her:
23252 Got gebe, daz uns sîn gnâde ner!
23253 Got tuot allez daz er wil
23254 Und verhenget uns unbildes vil:
23255 Und rêche er allez daz er mac,
23256 Sô stüende diu werlt niht einen tac.
23257 Got nieman des engelten lât,
23258 Ob er der werlde hulde hât:
23259 Ern ruochet waz der mensche tuot,
23260 Ob er daz ende machet guot.
23261 Man lobt nâch tôde manigen man,
23262 Der lebende selten lop gewan,
23263 Swie vil er tugende hât getân:
23264 Der nît im niht des lobes gan.
23265 Wêr ieman der daz füegen könde,
23266 Daz man einem man der êren gönde
23267 Die wîle er lebte, der man im gan
23268 Swenne im der tôt gesiget an!
23269 Man weiz ofte niht waz man verliuset
23270 An manigem menschen, biz man erkiuset
23271 Vil lîhte ein anderz, daz wirs füeget.
23272 Wol in, den dâ mite benüeget,
23273 Dâ mite in benüegen sol:
23274 Dem ist mit kleinen dingen wol!
23275 Ein dinc ich lange gemerket hân
23276 Und wundert mich, daz manic man
23277 Einem fremden vil baz êren gan,
23278 Des er vor künde nie gewan,
23279 Denne einem der bî im ist erzogen.
23280 Aleine man ofte bî in betrogen
23281 Werde, doch sehe wir understunden
23282 Daz sich gar sêre verkêren die kunden
23283 Gein den, die vor in wâren liep;
23284 Grôzin êre ist alter triuwen diep.
23285 Swer in der sunnen glaste gêt,
23286 Swâ der sitzet oder stêt,
23287 Bî dem wil ie der schate sîn:
23288 Verwandelt sich der sunnen schîn,
23289 Sô vert der schate sân dâ mite.
23290 Diz ist ouch der werlde site:
23291 Swer in der sêlden glaste vert,
23292 Der wirt wol von den liuten geêrt.
23293 Nu hœrt waz dennoch mêr geschiht:
23294 Maniger sîn ze mâge giht,
23295 Swenne er sîn guot gemêren siht,
23296 Der vor sprach, er bestüende in niht:
23297 Dirre ist im gesippe
23298 Von der alten Adâms rippe,
23299 Jener ist sînes rindes kalbes seil:
23300 Er gewinnet friunde ein michel teil,
23301 Die sîn ze blicke nement war,
23302 Biz daz er wirt sîns guotes bar.
23303 Sô daz gelücke swindet,
23304 Der friunde er lützel vindet:
23305 Er wirt hin nâch der selben spot,
23306 Von den er kumen ist in nôt.
23307 Wol im, der vil friunde hât,
23308 Wê im, des hilfe gar an in stât!
23309 Der rîche versmêhet den armen,
23310 Daz müeze got erbarmen!
23311 Swelch mensche im ellende verre gêt,
23312 Swâ daz sitzet oder stêt,
23313 Daz sêhe vil gerne daz man güetlîch
23314 Gein im gebârte und minneclîch:
23315 Swenne man des gein im niht tuot,
23316 Sô dorret sîn lîp und trûret sîn muot.
23317 Nu wizze wir wol daz unser leben
23318 niht stêter fröude uns mac geben,
23319 Sit wir alle von hinnen varn;
23320 Und daz nieman kan bewarn,
23321 Wir müezen sterben und wizzen doch niht
23322 Wie, wâ oder wenne daz geschiht.
23323 Wê dem, den werltlich êre nu smirt,
23324 Ob denne sîn sêle ellende wirt
23325 Sô si gein heimôte sölte varn!
23326 Swer sîniu guoten werc wil sparn
23327 Biz er nimmer geleben mac,
23328 Dem kêrent die heiligen denne den nac,
23329 Sô man die wit stricket an den ast:
23330 Nu wê dir armer, ellender gast!
23331 Fürsten, ritter und arme liute
23332 Trahtent alle gerne hiute
23333 Wie si sich wol gefriunden ûf erden
23334 Mit irn kinden, daz diu werden
23335 Hôch von edelem geslehte:
23336 Swer sînem dinge wil tuon rehte,
23337 Der gefriunde sich gein himelrîche:
23338 Dâ wert diu friuntschaft êwiclîche.
23339 Mîn sêle vil werder ir denne sêhe,
23340 Ob diu genâde mir geschêhe
23341 Daz diu genâden volle Marîe,
23342 Katharîne, Agnes und Lucîe
23343 Mit irn gespiln gein ir giengen
23344 Und si ze stêter fröude enpfiengen,
23345 Denne ob der künic von Arrogônie,
23346 Der rîche soldân von Babilônie,
23347 Der Rœmer künic und alle die fürsten,
23348 Die man nâch werltlichen êren siht dürsten,
23349 Gein ir giengen und alle ir frouwen:
23350 Waz wunne möhte si an den beschouwen,
23351 Ûz den diu werlt ir goukel spil
23352 Machet ûf erden als lange got wil?
23353 Swer lîbes kraft suochet in den krêmen
23354 Ze lange, der wil des tôdes rêmen:
23355 Swer stête fröude hie suochet ûf erden
23356 Ze lange, der mac ein tôr wol werden.
23357 Kleiniu kint und alte liute
23358 Weinten ie mêre und tuont ouch hiute
23359 Denne die mittelwehsic sint.
23360 Manic jâmer weinent kleiniu kint,
23361 Ze dem tegelich ir leben rennet:
23362 Swie lützel ir jugent daz bekennet!
23363 Der alten jâmer ist manigerleie.
23364 Wie pfaffe, münich, nunne oder leie
23365 Hie leben oder von hinnen scheiden,
23366 Welch meister kan uns des bescheiden?
23367 Wunder ist daz immer kein mensche ûf erden
23368 Frô ist oder immer frô kan werden:
23369 Des geburt mit jâmer ist bevangen,
23370 Sîn leben betwungen mit jâmers zangen,
23371 Sîn ende begriffen mit herzeleide:
23372 Diz dritte tuot wirs denne jene beide.
23373 Swelch mensche disiu driu dinc wol bedêhte,
23374 Der lieze manic swinde, irdisch getrehte
23375 Und trahtet, wie er der werlde entrünne
23376 Und êwige fröude bî gote gewünne.
23377 Swinde getrehte wirt nimmer guot,
23378 Ez krenket hirne und swendet bluot;
23379 Swinde getrehte ûf bœsiu dinc
23380 Ist innen krump und ûzen linc;
23381 Swinde getrehte fröude bestürzet,
23382 Swinde getrehte leben kürzet.
23383 Von süezem bluote kumt süezer muot,
23384 Von sûrem gemüete bitter bluot.
23385 Swer guot gewinnet swie er mac
23386 Und friunden und mâgen kêrt den nac,
23387 Daz nâch des tôde sîn friunde in klagen
23388 Mit triuwen, daz hœre ich selten sagen.
23389 Sint bœse jüden des tiufels rüden,
23390 Wes rüden sint denne getoufte jüden:
23391 Ich meine die gîtigen bœsen kristen,
23392 Die bî den jüden habent ir kisten,
23393 In die man sament irn gesuoch?
23394 Ô schanden hort, ô êwiger fluoch,
23395 Swâ gotes zwîfeler daz nement
23396 Des sich gerehte jüden schement!
23397 Gîtiger, zwîfeler, glîchsener
23398 Sint tugende und gotes minne lêr.
23399 Sô junc ist nieman noch sô alt,
23400 Daz er sîn selbes habe gewalt.
23401 Alle künige ûf erden mit irn hern
23402 Mügen sich der flœhe niht erwern:
23403 Waz frumt in silber oder golt,
23404 Sint gotes heiligen in niht holt?
23405 War kumt ir schœne, adel und gewalt,
23406 Swenne ir körper sint gestalt
23407 Als eines armen, der nie wîn
23408 Getranc und nie gesach baldekîn?
23409 Möhten freidige herren hiute
23410 Lenger leben denne arme liute,
23411 Si triben ûf erden sô vil muotwillen,
23412 Daz si nieman könde gestillen.
23413 Wol im der sich gefriundet alsô,
23414 Daz sîn sêle ist immer frô
23415 Bî dem obersten hofegesinde,
23416 Dô im der wirt als sînem kinde
23417 Gibt êwiger fröuden erbeteil,
23418 Êwige sêlde und êwigez heil!
23419 Manic mensche weint, swenne ez sîn guot
23420 Verliuset und hât gar trûrigen muot,
23421 Swenne ez sîn friunde sterben siht:
23422 Ouwê, wâr üm beweine wir niht
23423 Mit ganzer riuwe von herzen grunde,
23424 Daz wir den ze maniger stunde
23425 Haben erzürnt, der uns geben
23426 Hât friunde, guot, êre und leben?
23427 Wir schelten juden unde heiden
23428 Und sîn in gram, daz von in beiden
23429 Unser herre grôze marter leit:
23430 Sô sölte vil mêre uns wesen leit,
23431 Daz in manige kristen liute
23432 Wirs ûf erden marternt hiute
23433 Mit bœser tête, mit valschen rêten,
23434 Denne juden oder heiden ie getêten.
23435 Wer die sîn, daz lâze ich belîben:
23436 Ein man möhte ouch ze vil geschrîben.
23437 Genuoc ist bezzer denne ze vil,
23438 Swer rehte mâze merken wil.
23439 Etswâ hân ich ze vil gemezzen,
23440 Etswâ hân ich mich vergezzen.
23441 Sprichet ieman daz ich ofte rüere
23442 Ein materie und ofte în füere
23443 Mit wandel worten einen sin,
23444 Der wizze daz ich vil tummer bin
23445 Denne sant Gregôrie der heilige man,
23446 Der sîn messebuoch huop an
23447 Mit den worten, diu er hât
23448 Gerüert niht über ein halbez blat!
23449 Swer ouch in sînem Antifener
23450 Rehte wil merken, wie dicke er
23451 Rüert und schrîbet einen sin,
23452 Der lêt zegiezen mich mîn zin
23453 Swar ich wil, als in sîn golt,
23454 Und ist mir üm mîn arbeit holt.
23455 Swenne ich gedenke hin und her,
23456 Waz ich nu bin und waz ich wêr
23457 Und waz ich noch werden sol,
23458 Sô wirt mîn herze jâmers vol.
23459 Unzuht ist nu sô gemeine worden,
23460 Daz wir wênen ez sî ein orden,
23461 Den wir alle süln behalte,
23462 Rîche und arme, junge und alte.
23463 Ein ieglich mensche hât sînen site:
23464 Swem diu gewonheit volget mite,
23465 Diu gote niht ist widerzême,
23466 Des jugent und alter wirt genême.
23467 Wenne niuwiu blech in alten pfannen
23468 Sint tumme site an alten mannen,
23469 Unlustic mâl an jungen lîben
23470 Sint œde gebêrde an alten wîben,
23471 Adel bî bœser geselleschefte
23472 Sint bœse bîwerf an edelm hefte,
23473 Honic in sûren ezzich krüegen
23474 Sint senfte liute bî ungefüegen.
23475 Manic schœne gedœne wart wîlent funden,
23476 Daz man unsanfte ze disen stunden
23477 Vinden kînde oder vinden möhte:
23478 Welch herze wêr nu, daz dar zuo töhte?
23479 Diu süezen herzen sint leider tôt,
23480 Diu sûren mit leide noch ezent brôt.
23481 Künic Davîd, der vil wunders rüerte,
23482 Vil ofte in sînem salter în füerte
23483 Sîner vînde wort, werc, valschen rât
23484 Und ander sunder missetât:
23485 Denne ich dehein materie în füere
23486 Oder mit wandel worten rüere.
23487 Swer die bibeln hât gelesen,
23488 Der muoz mîn geziuge des wesen,
23489 Daz sant Jerônimus der hôhe lêrer
23490 Vil mêre hât, denne ich, hin und her
23491 Von dirre materie an jene gevarn;
23492 Kein dihter mac daz wol bewarn.
23493 Der wise man Jêsus Syrach,
23494 Des munt vil wîser worte sprach,
23495 Hât sîn vil schœne tiefen wort
23496 Zeströuwet in maniges sinnes ort:
23497 Als hât her Salomôn getân
23498 Und manic ander wîser man.
23499 Swer dinges vil begrîfen wil,
23500 Des sinne rêment niht ûf ein zil.
23501 Got minnet slehte einveltikeit,
23502 Der wênic ist in der kristenheit.
23503 Swer gerne swenden wölle sîn hirne,
23504 Daz er tiefiu wort ûz kirne
23505 Und durch breche tiefen sin,
23506 Der neme hie lop vür dort gewin
23507 Und smelze sîn hirne in sorgen tegel.
23508 Ich hân dem winde mîns herzen segel
23509 Bevolhen: swar mich der hât getriben,
23510 Des hân ich ein teil geschriben
23511 In dirre wilden werlde wâge,
23512 Und ist ein dinc doch daz ich klage:
23513 Daz manic mensche ofte des verdriuzet,
23514 Daz ez ze lîbe und ze sêle geniuzet;
23515 Und daz im manic dinc sanfte tuot,
23516 Daz weder ze lîbe noch ze sêle ist guot
23517 Und des im nieman saget danc.
23518 Dâ von sprach her Frîdanc:
23519 "Der wîsen und der tummen strît
23520 Hât gewert vil manige zît
23521 Und muoz noch vil lange wern,
23522 Man mac ir beider niht enbern."
23523 Ein tôre niht anders bête,
23524 Denne daz man lobte swaz er tête.
23525 Swer tôren wölle gestillen,
23526 Der rede nâch irem willen."
23527 Daz nu diu werlt sî tôren vol,
23528 Daz hât hie vor bewêrt uns wol
23529 Ein buoch heizet Barlaam Josaphat,
23530 In dem diz mêre geschriben stât,
23531 Daz ein einhorn einen man
23532 Jagte, als ich gelesen hân:
23533 Der lief als in dô twanc diu nôt,
23534 Wenne er forhte den grimmen tôt
23535 Von dem tiere enpfâhen.
23536 Vil balde begonde er gâhen,
23537 Daz er im entrünne
23538 Und fride vor im gewünne.
23539 Sus lief er an eins velses steige,
23540 Der hete vür sich ein tiefe neige
23541 Rehte als ein mûre abe ze tal.
23542 Dô der arme in engsten qual,
23543 Dô sach er under im einen sê,
23544 In dem tûsent oder mê
23545 Tracken und würme swummen.
23546 In swefel, in beche si grummenDas Einhorn, CG, f. 185r
23547 Ein ander und ginten ûf gein dem man:
23548 Ich wên nieman gesagen kan,
23549 In welhen engsten er dô wêr.
23550 Er stuont und sach hin und her
23551 Und sach ein böumelîn an dem velse
23552 Under im, daz begonde er helse
23553 Und hienc an im: dô sach er toben
23554 Die würme under im, den einhorn oben.
23555 Under des dô diz geschach,
23556 Zwuo miuse er under im sach,
23557 Diu eine was swarz, diu ander wîz:
23558 Die leiten dar an iren flîz,
23559 Wie si des böumelîns wurzeln gar
23560 Schier ab genüegen. Nu wart gewar
23561 Der arme in allen sînen nœten,
23562 Den man drîn enden wolte tœten,
23563 Daz ein honicseimelîn
23564 Hienc neben im an einem zwîgelîn:
23565 Daz leckete er in den nœten doch.
23566 Seht, alsô tuon wir alle noch!
23567 Der einhorn bezeichent den tôt,
23568 Der uns alle bringet in nôt:
23569 Der jaget uns ûf der helle sê;
23570 Sô habe wir uns, müge wir niht mê,
23571 An unsers lebens böumelîn;
23572 Sô mügen wol die zwuo miuse sîn
23573 Tac und naht, die unser leben
23574 Abe nagent; und sehe wir kleben
23575 Eins armen gelustes hongelîn
23576 Neben uns, sô lâze wir alle die pîn
23577 Varn, diu uns künftic ist
23578 Und lecken ze einer kurzen frist
23579 Daz honic und wizzen doch niht alle,
23580 Wenne der boum beginnet valle.
23581 Ein valscher trôst hât uns vergeben:
23582 Wir hoffen alle lange leben
23583 Und lecken dirre werlde honic,
23584 Swie vinster doch und ouch wie ronic
23585 Der werlde walt sî, durch den wir
23586 Gên alle tage. Geloubet mir:
23587 Swer ze der werlde sich dunket wîse,
23588 Daz der die hôhen wîsheit prîse,
23589 Die die heiligen wîlent hêten
23590 An worten, an werken, an süezen rêten,
23591 Des enwil ich niht gelouben.
23592 Ein man mac sich wol selben touben,
23593 Der einen esel wil harpfen lêren
23594 Und sôgetâne liute wil bekêren:
23595 Wenne sant Paulus geschriben hât
23596 In sînen briefen an einer stat:
23597 "Ein vihelich mensche verstêt des niht,
23598 Daz von gotes geiste geschiht:
23599 Gein süezer andâht ist ez laz,
23600 Sîn fleischlich tumpheit füeget daz."
23601 Kriegt mit einem tôren ein wîser man,
23602 Er zürne mit im, er lache in an,
23603 So enhât er doch mit im niht fride:
23604 Wenne tôren sint unzühte smide:
23605 Swer gein den grôze wisheit üebet,
23606 Âne allen danc er sich betrüebet,
23607 Wenne si spottent sîner lêre
23608 Und hât ir weder nuz noch êre.
23609 Swer lêrt einen blinden hiute schaben,
23610 Einen hantlôsen stricke graben,
23611 Und durch gemach wil katzen baden,
23612 Dem kargen geste ze hûse laden,
23613 Einen lamen wil lêren verre springen,
23614 Einem tôren wil sagen von wîsen dingen,
23615 Einem touben wil singen süezen sanc:
23616 Der dient in allen âne danc.
23617 Künic Davîd und her Senecâ
23618 Lêrent uns hie und anderswâ:
23619 "Swinc dich niht in allen wint,
23620 Bis virwitze niht als kleiniu kint!"
23621 Swer allenthalben wesen wil,
23622 Des herze hât niergen stêtez zil.
23623 Manic man hât gar wîten grif
23624 Ûf grôz dinc, der sîns herzen schif
23625 Nie konde gerihten ûz sorgen flüete.
23626 Wer sprichet, daz der selbe niht wüete
23627 Mit gesundem lîbe, der niur daz minnet
23628 Daz unstête ist und im entrinnet?
23629 Er slâfe, er wache, er rîte, er gê,
23630 Er ezze, er trinke, er sitze, er stê:
23631 Sô swindet vor im der werlde prîs
23632 Und smilzet als vor dem touwe ein îs.
23633 Swer komen wil in der engel kôr,
23634 Der sî münche, pfaffen und leien tôr:
23635 Swer werltlicher êren wîsheit hât,
23636 Der kumt vil selten an die stat
23637 Dâ aller wîsheit spiegel ist:
23638 Ich meine dîch, herre Jêsu Crist!
23639 Er müeze ein tôr vor werden ûf erden,
23640 Swer kôrherre wil ze himel werden.
23641 Werltlich tôren meine ich niht,
23642 Der man nu leider gar vil siht
23643 Die nie gelernen wolten tugent;
23644 Und swâ die sterbent in tummer jugent,
23645 Die sölten uns alle vil mêre erbarmen
23646 Von herzen grunde denne ander armen,
23647 Wenne si sich lützel hânt bewart
23648 Gegen der jêmerlichen vart,
23649 Die ir sêle vert mit leide,
23650 Sô si muoz von hinnen scheide.
23651 Swem gotes liebe sîn herze süezet,
23652 Alliu crêatûre im büezet
23653 Sîn siuche, sîn sorge, sîn angest, sîn nôt
23654 Und trœstet in biz in den tôt.
23655 Swenne er mit süezem flîze an siht
23656 Waz hin und her bî im geschiht,
23657 Wie diz und daz got geordent hât,
23658 Sô vindet er hilfe, sô vindet er rât
23659 Ûf erden an manigerleie dingen,
23660 An bluomen, an boumen, an vogel singen,
23661 An herbest, an lenzen, an sumer, an winter,
23662 Dâ von sîns herzenleides sinter
23663 Swinden muoz und sîn gemüete
23664 Grüenen in süezer gotes güete:
23665 Wenne swaz oben in den lüften swebet
23666 Und unden in der erden klebet
23667 Und in des meres ünden strebet,
23668 Swaz kriuchet, fliuget, swimmet, lebet,
23669 Daz ist dem menschen undertân.
23670 Dâ von sprach ein wîser man:
23671 "Allez daz ûf erden lebet,
23672 Kriuchet, fliuget, loufet, swebet,
23673 Fürhtet des menschen aneblic,
23674 Wenne sîn antlütze ist im ein schric."
23675 Der mensche ist guoter witze blint,
23676 Der niht merket daz ein kint
23677 Rosse und rinder meister ist,
23678 Gein den sîn kraft ist als ein mist;
23679 Und daz sich vor des menschen listen
23680 niht ûf erden kan gefristen,
23681 Ez fürhte sîne meisterschaft:
23682 Wer danket dem, der uns gap die kraft?
23683 Sölte unser herre uns dar nâch geben
23684 Als wir nâch sînem willen leben,
23685 Sô wêr unser hôchfart schier gelegen,
23686 Swie wol wir nu des lîbes pflegen.
23687 Ein iegelich mensche im selber lebt,
23688 Nâch tugenden lützel ieman strebt.
23689 Unzuht tritet über alliu zil:
23690 Swer unzuht niht mîden wil
23691 Durch got und durch sîn selbes êre,
23692 Waz sol dem hôher meister lêre?
23693 Swer niht wil fürhten gotes kraft,
23694 Waz sol dem ander meisterschaft?
23695 Ein frum man strâfte sînen sun
23696 Und hiez in tugentlichen tuon.
23697 Er sprach: "Genanne, des entuon ich niht,
23698 Wenne ich wil gerne ein bœsewiht
23699 Vürbaz sîn âne dinen danc!"
23700 Dô sprach der vater: "Sun, nu ganc!
23701 Volgestu mir niht, sô lâze ich dir
23702 Dînen willen, biz daz du mir
23703 Vil lîhte gerne volgen wöltest
23704 Und têtest allez daz du söltest!"
23705 Alsô tuot unser herre noch
23706 Uns allen und sîn wir im doch
23707 Widerspênic und sînem gebote,
23708 Biz daz uns kumt des tôdes bote:
23709 Sô kêrte wir denne vil gerne wider:
23710 Sô drücket uns sîn gewalt dernider.
23711 Nu hœrt ein gelîchnüsse, niht vür wâr:
23712 Ein frouwe eines nahtes ein kint gebar
23713 Daz wart getoufet. Nu het ir man
23714 Einen gast behalten, den rief er an,
23715 Daz er des kindes tote würde
23716 Und hülfe im von der sorgen bürde.
23717 Diz tet der gast. Dô daz geschach,
23718 Der wirt ze sînem gevatern sprach:
23719 "Gevater, sagt mir wer ir sît,
23720 Daz ich iuch vürbaz alle zît
23721 Baz denne ander liute erkenne,
23722 Swenne ich iuch vor mir hœre nenne!"
23723 Er sprach: "Gevater, ich binz der tôt,
23724 Der manige angest unde nôt
23725 In der werlde hât gemacht
23726 Und noch machet tac und naht!"
23727 "Eyâ, lieber gevater mîn,
23728 Sô sült ir mir genêdic sîn
23729 Und lât mich lange ûf erden leben!"
23730 "Des wil ich iu mîn triuwe geben",
23731 Sprach er, "vil lieber gevater mîn,
23732 Daz ich iu manic botelîn
23733 Vor wil senden ê denne ich kum;
23734 Dâ von sit frœlich und ouch frum!"
23735 Mit der rede er von im fuor.
23736 Der man lebte sît, biz manic fluor
23737 In dem lande wart abe gesniten.
23738 Dô wart er siech. Nâch sînen siten
23739 Kom der tôt und stuont vür in
23740 Und sprach: "Wol dan, gevater, ich bin
23741 Her kumen daz ir mit mir vart!"
23742 "Wê, wie habt ir denne bewart
23743 Iuwer gelübde, daz ir tâtet mir?"
23744 Er sprach: "Gevater, wizzet ir:
23745 Dô einez iuch in die sîten stach
23746 Und dô ir sprâchet: 'awê mir, ach,
23747 Wê mir, wê, waz sol diz sîn? '
23748 Seht, daz was mîn botelîn!
23749 Dô iu diu ôren begonden diezen
23750 Und diu ougen über fliezen
23751 Und gein der sunnen tunkel sîn,
23752 Dô sande ich iu zwei botelîn.
23753 Dô iu die zene tâten wê
23754 Und iuch der huoste mêr twanc denne ê
23755 Und swinde gemüete iu wonte bî,
23756 Dô sande ich iu boten drî.
23757 Dô iu diu bein niht wâren snel
23758 Und dô sich rimpfende wart daz vel
23759 Und dô diu stimme iu heiser wart
23760 Und dô iu grâwende wart der bart,
23761 Dô sande ich iu vier botelîn.
23762 Gevater, ich hân die triuwe mîn
23763 Vil wol an iu behalten!
23764 Lât got der sêle walten
23765 Und scheidet iuch von disem lîbe,
23766 Ich enlâze iuch langer niht hie blîbe!"
23767 Alsô starp der guote man.
23768 Swer diz bîspel gemerken kan,
23769 Der bezzer sich und sehe sich vür
23770 Ê denne der tôt kume ze der tür.
23771 Der sîten stich manet uns alle,
23772 Daz wir lâzen von dem schalle
23773 Den wir heten in der jugent,
23774 Und uns rihten an senfte tugent.
23775 Uns mant daz ougen überfliezen,
23776 Daz wir von herzen grunde giezen
23777 Zeher üm unser missetât,
23778 Daz der sêle werde rât.
23779 Daz ôren diezen bringet uns her
23780 Schalmeier, swegeler, sumerer,
23781 Die des tôdes kunft ouch kündent
23782 Uns allen die ûf erden sündent.
23783 Ouch mac daz diezen von den ôrn
23784 Uns künden vor daz schellehorn,
23785 Mit dem die tôten erwecket werden,
23786 Der lîp nu fûlet in der erden.
23787 Dâ von hât sant Jerônimus
23788 An einer stat geschriben alsus:
23789 "Ich ezze, ich trinke, ich sitze, ich stê,
23790 Ich slâfe, ich wache, ich rite, ich gê,
23791 Sô dunket mich allez daz diu stimme
23792 Durch mîn ôren schelle mit grimme:
23793 'Stêt ûf, ir tôten! ir sült geben
23794 Dem rihter antwürte üm diz leben!'"
23795 Nâch den ôren manent ouch die zene
23796 Uns alle, daz wir uns süln entwene
23797 Der koste diu unmêzic ist,
23798 Der wir gewont haben lange frist.
23799 Der huoste mant uns daz wir bîhten
23800 Und die sêle von sünden lîhten,
23801 Daz si der êwigen pîn entrinne
23802 Ê denne des âdems uns zerinne.
23803 Diu trêgen bein heizent uns gedenken
23804 Daz wir uns gein der erden senken,
23805 Von der wir bekumen sîn
23806 Und müezen aber wider drîn.
23807 Uns manent die runzeln und grâwez hâr,
23808 Wie wir verzert haben unser jâr.
23809 Swelch boum wil dorren, der hebet an
23810 In dem wipfel und dar nâch sân
23811 Beginnet rimpfen sich diu rinde
23812 Und dar nâch schier beginnet er swinde
23813 An krefte, an fruht von tage ze tage:
23814 Daz selbe müge wir von uns klage.
23815 Nâch lanclîbe alliu diu werlt strebt:
23816 Und hête Adâm biz her gelebt,
23817 Daz wêre gein der êwikeit
23818 niht eines twerhen halmes breit.
23819 Swenne ich nimmer geleben mac,
23820 Sô gêbe ich gerne üm einen tac
23821 Die werlt alle und wêr si mîn.
23822 Got herre, lâ dir geklaget sîn,
23823 Daz ich der tage sô manigen hân
23824 Verlorn und daz ich noch niht kan
23825 In mîner alten zît mîn leben
23826 Nâch dînem willen rihten eben!
23827 Diz machet bœsiu gewonheit
23828 Und mîn lazheit: Wêr mir daz leit,
23829 Sô hülfestu mir, daz weiz ich wol;
23830 Dâ von ich billich pîn dol,
23831 Wirde ich alsus funden.
23832 Herre, durch dîn heiligen wunden,
23833 Die du hâst durch uns erliden,
23834 Beschirme uns vor der helle smiden!
23835 Ouwê der herten rechenunge,
23836 Die beide der alte und ouch der junge
23837 Haben muoz, ê denne mit leide
23838 Diu sêle sich von dem lîbe scheide,
23839 Bî dem si beliben ist kurze frist
23840 Gein dem daz immer êwic ist!
23841 Diz bedâhte vil wol ein wîser man,
23842 Als ich vür wâr vernumen hân.
23843 Ein rîcher herre sich des beriet,
23844 Daz er von lande und liuten schiet
23845 Und fuor verre in fremdiu lant,
23846 Dâ sîner dienstmanne in einer sît vant
23847 In einem klôster, daz ist wâr,
23848 In dem er hete manic jâr
23849 Mit dêmuot klôsterzühte gepflogen
23850 Und ofte die glockestrenge gezogen
23851 In gotes dienste spât und fruo.
23852 Diz sach sîn dienstman und gienc zu
23853 Und sprach: "Vil lieber herre mîn,
23854 Wâr üm wöllet ir niht bî uns sîn
23855 In der werlde bî guote und êren?
23856 Wer hiez iuch in diz klôster kêren
23857 Und einen sô swachen messener werden,
23858 Der vor sô grôze êre hete ûf erden?"
23859 Dô er den dienstman ane sach,
23860 Dehein wort er anders dô sprach
23861 Denne: "Üm daz immer und üm daz immer,
23862 Dort ie süezer, dort ie grimmer!"
23863 Der dienstman inneclîchen weinte
23864 Und frâgte den herren waz er meinte:
23865 Daz er dâ von im niht entflôch,
23866 Daz machte daz er die glocken zôch;
23867 Und dô er aber in ane sach,
23868 Vil klôsterlîchen er dô sprach:
23869 "Üm daz immer, üm daz immer,
23870 In himel ie süezer, im helle ie grimmer!"
23871 Der dienstman gienc von im hin dan.
23872 Ein urloup er im dô gewan,
23873 Daz er mit im erkôste sich,
23874 Und dar nâch schier wart er geistlich
23875 Und ander sîn genôzen vil.
23876 Swer daz immer merken wil,
23877 Der ahtet ûf die werlt lützel
23878 Und ûf irs glanzes fûlen stützel.
23879 Wizzet swer sich durch got hie smücket,
23880 Der wirt gein himel ûf gezücket:
23881 Swer aber durch hôchfart sich ûf rücket,
23882 Der wirt vor gote nider gedrücket.
23883 Pfaffen und leien schaden tuot
23884 Daz nieman strâfen nimt vür guot,
23885 Und swer sich selber niht enwil
23886 Bekennen, der hât unsinne vil;
23887 Swer sîn selbes rihter wêr,
23888 Dem wêr dehein gerihte ze swêr,
23889 Wenne er sich selber könde verslihten
23890 Daz nieman über in dörfte rihten.
23891 Bekennet wir uns alle selber wol,
23892 Sô wêren diu lant niht tôren vol,
23893 Sô zemte wir unser missetât
23894 Diu wîte flüge und sprünge hât,
23895 Und sêhen gotes wunder an
23896 Diu er alle tage tuot und hât getân:
23897 Sît er diu kleinen vogellîn
23898 Beschirmet, daz in ir klêwelîn
23899 niht erfriesen in dem winter,
23900 Sô daz wazzer als ein sinter
23901 Von grôzer kelte wirt gebert;
23902 Sît er diu kleinen würmelîn nert
23903 Und von dem sâmen in der erden
23904 Lebende fruht lêt wider werden,
23905 Und ûz einem kranken hölzelîn
23906 Obez uns schenket unde wîn!
23907 Wie möhte sîn genâde uns bezzer gesîn,
23908 Der ûz einem mâhen körnelîn
23909 Tûsent tûsent ûz der erden
23910 Wahsen lêt und zitic werden!
23911 Wir sölten in loben ze aller stunde
23912 Mit süezer andâht von herzen grunde,
23913 Wölte wir der sêle dinc als wol ahten,
23914 Als wir des lîbes nôtdurft betrahten.
23915 Des schrîbet uns in Examerôn
23916 Der heilige sant Ambrôsie vil schôn.:
23917 "Der mensche mit vogeln hât gemein,
23918 Wenne der vogel hât zwei bein,
23919 Ûf den er ûf gerihtet stêt."
23920 Sam tuot der mensche swâ er gêt:
23921 Er sol ûf als der adelar
23922 Gein himel sîn ougen rihten gar.
23923 Zwein vetichen sint sîn arme gelîch:
23924 Er sî junc, alt, arm oder rîch,
23925 Sô sol er sîne hende gein gote
23926 Ûf rihten und tuon nâch sînem gebote.
23927 Wenne ez sprach der wîse man,
23928 Des sprüche nieman verkêren kan:
23929 "Swer übel wider übel tuot,
23930 Der hât menneschlichen muot;
23931 Swer übel wider guot tuot,
23932 Der hât tiufelischen muot;
23933 Swer guot wider übel tuot,
23934 Der hât engelischen muot."
23935 Sünden daz ist menschlich,
23936 Büezen das ist götlich,
23937 Verzwîfeln daz ist tiufelich:
23938 Daz machet den menschen tiufeln gelîch.
23939 Wâr üm ein mensche werde verlorn,
23940 Daz ander ze gnâden sî erkorn,
23941 Swer des frâget, des ist ze vil:
23942 Got sol und mac tuon swaz er wil.
23943 Swaz got mit sînem geschepfede tuot,
23944 Daz sol und muoz uns dunken guot.
23945 Wâr üm unser herre fünfleie pîn
23946 An uns lege, daz lâze wir sîn.
23947 Marîa, Paulus unde Job
23948 Süln üm ir pîn im singen lop,
23949 Und mit in der blinde man
23950 An dem er wunder hât getân,
23951 Des vater und muoter nie den zorn
23952 Verdienten daz er was geborn
23953 Blint, denne daz an im besunder
23954 Got wolte erzeigen sîniu wunder.
23955 Herôdes was ein übel man:
23956 Des pîn huop sich ûf erden an
23957 Und muoz dort wern immer und immer
23958 Ân alle hoffenunge ie grimmer.
23959 Wol im, den got hie pînet ûf erden
23960 Und lîp und sêle lêt über werden
23961 Der pîn, diu immer wert ân ende!
23962 Swer wölle daz in der vînt iht schende
23963 Und bringe in in êwigez ungemach,
23964 Der merke wie her Frîdanc sprach:
23965 "Ich hœre sagen die wîsen,
23966 Ein nagel behalte ein îsen,
23967 Ein îsen ein ros, ein ros einen man,
23968 Der man ein burc, der strîten kan:"
23969 Diu burc ein lant betwinget,
23970 Daz ez nâch hulden dinget:
23971 Der nagel ist vil wol bewant,
23972 Der isen, ros, man, bürge und lant
23973 Solher êren geholfen hât,
23974 Daz ir aller dinc wol stât.
23975 Disiu êre mit disem grôzen frumen
23976 Ist von einem kleinen nagel kumen:
23977 Als kumt von êrste von kleinen dingen
23978 Daz êwiclich die sêle muoz twingen.
23979 Ein klein glanster enzündet ein fiur,
23980 Von dem daz hûs und ouch diu schiur
23981 Wirt enbrant, dorf unde stat:
23982 Alsam tuot unser missetât:
23983 Diu hebt mit kleinen dingen an
23984 Und wehset, daz ir nieman kan
23985 Gehelfen swenne ir wirt ze vil,
23986 Als ich iuch bescheiden wil:
23987 Des menschen ouge hât manigen wanc:
23988 Von sînem gesihte kumt der gedanc;
23989 Der gedanc zehant den gelust gebirt,
23990 Von dem daz herze bekumert wirt;
23991 Der gelust suocht ze den sünden rât;
23992 Rât bringet verhengunge, diu die tât
23993 Zuo bringet: sô kumet gewonheit;
23994 Diu nôtdurft vezzel an ez leit;
23995 Den vezzel verstricket verzwifelunge
23996 Sô vaste, unz êwigiu verdampnunge
23997 Den menschen an libe, an sêle verderbet,
23998 Der sôgetân untât ûf sich erbet.
23999 Swer lange hât den ougen smerzen,
24000 Der gedenket ofte in sînem herzen,
24001 Swenne er niht wol gesehen mac:
24002 "Got herre, gelebte ich noch den tac
24003 Daz diu fröude mir geschêhe,
24004 Daz ich die liehten sunnen sêhe
24005 Und bî mînen friunden sêze,
24006 Mit den ich frœlich trünke und êze,
24007 Und mit in kurzwîlen gienge,
24008 Dâ mich der und ich disen enpfienge
24009 Bî schœnen frouwen in wurzgarten!"
24010 Swer nu wil rehte vür sich warten
24011 Und von der êwigen fröude niht wenken,
24012 Der sol ofte alsô gedenken:
24013 "Disiu werlt mit sorgen ist ümmezogen:
24014 Daz merke wir an dem regenbogen,
24015 Der grüene, gel ist unde rôt:
24016 Diu grüene varwe bediutet die nôt,
24017 Die diu werlt hete über al,
24018 Dô daz wazzer berge und tal
24019 Gelîche überzôch vil manigen tac,
24020 Dô her Nôê der archen pflac;
24021 So bediutet diu gelwe varwe dâ mitten
24022 Alle, die in der werlde smitten
24023 Mit dem gelwen tôde ringen:
24024 Swie sêre si tanzen, reien, springen,
24025 Doch broget ir fleisch der gelwe tôt
24026 "denne si sterben in grôzer nôt;
24027 Diu rôte varwe bediutet daz fiur,
24028 Daz kreftic, grôz und gar ungehiur
24029 Dise werlt gar verbrennen sol:
24030 Daz wizze wir alle selber wol:
24031 Ouch wizzet daz wir geschriben vinden,
24032 Daz der regenboge sol verswinden
24033 Vierzic jâr vor dem jungsten tage
24034 Nâch der heiligen lêrer sage.
24035 Nu künne wir alle gar wol rechen:
24036 Wil man ein ort uns abe brechen,
24037 Daz merke wir wol, und merken niht
24038 Vil grœzern schaden, der uns geschiht
24039 Swenne wir sehzic jâr geleben:
24040 Wölle wir denne rechen eben,
24041 Der hab wir unserm herren gote
24042 niht fünf gedienet nâch sînem gebote.
24043 Uns gebürt daz jâr wol halbez an
24044 Ze slâfen, als ich gemerket hân:
24045 Wie manige zît hab wir versezzen
24046 Beide mit trinken und mit ezzen!
24047 Wie vil hab wir ir verlorn
24048 Mit spil, mit kurzwile und mit zorn,
24049 Mit swinden gedanken üm guot und êre
24050 Wie wir möhten die gemêre!
24051 Swer diz eben merken wil,
24052 Den mac wol wundern daz got sô vil
24053 Üm kleinez dienst im genâde tuot,
24054 Daz er im lîp, sêle, êre und guot
24055 Sô milticlich ûf erden lîhet,
24056 Und in sînes rîches niht verzîhet
24057 Ez müge nâch disem lîbe im werden,
24058 Wil erz verdienen hie ûf erden.
24059 Swie sêre wir brangen unde brogen,
24060 Doch ist manic unflât überzogen
24061 In uns mit einer bœsen hiute:
24062 Daz bewêrt her Frîdanc wol ze diute:
24063 "Den menschen lützel ieman êrte,
24064 Swer im ûz daz inner kêrte".
24065 Des sült ir merken alle geliche,
24066 Wir sîn junc, alt, arm oder rîche,
24067 Daz der tôt uns machet gemeine,
24068 Sô daz vleisch kumt von dem gebeine.
24069 Nieman wol geprüefen kan,
24070 Wâ kneht, maget, frouwe oder man
24071 Under tôten houbten sî,
24072 Rîch oder arm, eigen oder frî,
24073 Bœse oder frum, junc oder alt,
24074 Übel getân oder wol gestalt.
24075 Waz tuot diu werlt gemeine gar?
24076 Si bôset und altet, nemet sîn war!
24077 An uns wehset durch daz jâr
24078 Sünde, nagel und daz hâr.
24079 Swaz geborn von erden ist,
24080 Daz muoz ûf erden werden mist,
24081 Got wölle denne an im besunder
24082 Sîn genâde erzeigen und sîn wunder.
24083 Nu sül wir aber vürbaz rennen
24084 Und unsern herren baz erkennen.

[Letzte Seite]   [Nächste Seite]     oder direkt zurück zum Index
Administration: Henrike Lähnemann Zuletzt geändert am 12.11.2004