1. Man pflegte mich […] wegen meines Umherschweifens in der Gegend, den Wanderer [zu nennen]. […] Mehr als jemals war ich gegen offene Welt und freie Natur gerichtet. Unterwegs sang ich mir seltsame Hymnen und Dithyramben, wovon noch eine, unter dem Titel Wanderers Sturmlied, übrig ist. Ich sang diesen Halbunsinn leidenschaftlich vor mich hin, da mich ein schreckliches Wetter unterwegs traf, dem ich entgegen gehen mußte. (Goethe, Dichtung und Wahrheit, 3. Teil, 12. Buch [1814].)

2. Dithyrambische Oden (Dithyramben waren Gesänge auf den Bacchus, die eine Art von trunkener Wut ausdrückten, wild in Metaphern, höchst kühn in Ausdrücken, und im Silbenmaße frei waren). […] Hymnen, ein erhabenes Lob der Gottheit: erhabenste Ode […] Heldenoden, ein Lob großer Taten: starke Ode. (Herder, Von der Ode, 1764-65.)

3. [Der] allmächtige dithyrambische Rhythmus [erregte] alle bacchischen Affekte bis zum Unsinn. (Herder, Von der Ode, 1764-65.)
4. Hätten wir einen dithyrambischen Dichter, der wirklich von dem Blitzstrahle des Bacchus getroffen, trunken, und begeistert tönen würde: - natürlich wäre kein gefesseltes Silbenmaß für ihn; er zerreißt es. (Herder, Über die neuere deutsche Literatur. Erste Sammlung, 1767.)

5. Auch die Griechen waren einst […] Wilde. (Herder, Von Ähnlichkeit der mittleren englischen und deutschen Dichtkunst, 1777.)

6. Es ist wohl nicht zu zweifeln, daß Poesie und insonderheit Lied im Anfang ganz volksartig […] gewesen. […] Die Namen und Stimmen der ältesten griechischen Dichter bezeugen dasselbe. […] Der größte Sänger der Griechen, Homerus, ist zugleich der größte Volksdichter. (Herder, Stimmen der Völker in Liedern, 1778.)

7. Die frische Luft des freien Feldes ist der eigentliche Ort, wo wir hingehören; es ist, als ob der Geist Gottes dort den Menschen unmittelbar anwehte und eine göttliche Kraft ihren Einfluß ausübte. (Goethe to Eckermann, 11th March 1828.)

8. Wer kann [das Ideal griechischen Volksgesanges] aus der Höhe seiner Töne haschen und einverleiben unsrer Sprache? So auch mit Pindars Gesängen, von denen, meines Wissens, noch nicht entfernt Ähnliches in unsrer Sprache, vielleicht auch nicht in unserm Ohr, da ist. Wie Tantalus steht man in ihrem Strome: der klingende Strom fleucht, und die goldnen Früchte entziehen sich jeder Berührung. (Herder, Stimmen der Völker, 1778.)

E.M. Wilkinson and L.A. Willoughby, 'Wandrers Sturmlied. A Study in Poetic Vagrancy', German Life and Letters 1 (1947/48), 102-116.
Arthur Henkel, Wandrers Sturmlied. Versuch, das dunkle Gedicht des jungen Goethe zu verstehen, Frankfurt a.M. 1962.
Gerhard Kaiser, 'Das Genie und seine Götter. Ein Beitrag zu Wandrers Sturmlied von Goethe', Euphorion 58 (1964), 41-58.
Ferdinand van Ingen, 'Dionysos und Apoll. Zu "Wandrers Sturmlied" des jungen Goethe', Neophilologus 52 (1968), 268-286.
Heinrich Henel, 'Der Wanderer in der Not. Goethes Wandrers Sturmlied und Harzreise im Winter', Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 47 (1973), 69-94.
Katharina Mommsen, 'Wandrers Sturmlied. Die Leiden des jungen Goethe', Jahrbuch des Wiener Goethe Vereins, 81/83 (1977/79), 215-235.
Rolf Christian Zimmermann, 'Wandrers Sturmlied', in Zimmermann, Das Weltbild des jungen Goethe. Studien zur hermetischen Tradition des deutschen 18. Jahrhunderts, vol. 2, München 1979, pp.77-118.
Klaus Weimar, Goethes Gedichte 1769-1775. Interpretationen zu einem Anfang, Paderborn 1982
Jochen Schmidt, 'Gelehrte Genialität. Wandrers Sturmlied', Jahrbuch der deutschen Schillergesellschaft 28 (1984), 144-190.

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