Dr. Eleonore Dörner

Dr. Eleonore Dörner: Mystik-Forscherin, Märchen-Sammlerin, Erzählerin

Eine Festgabe zu ihrem 100. Geburtstag

Am 20. November 2012 wäre Dr. Eleonore Dörner 100 Jahre geworden. Als Ehrung dieser ungewöhnlichen Frau, klugen Forscherin und begnadeten Erzählerin sind auf dieser Seite einige ihrer Texte versammelt - von der Dissertation, die sie im Alter von 23 Jahren am Nikolaustag 1935 bei Wolfgang Stammler abschloss, bis zu den Märchen, die sie im Ruhestand in Nürnberg schrieb. Dazwischen steht als Herzstück ihre Sammlung von Geschichten aus dem Ausgrabungslager in der Türkei.
Als sie 1995 schwer erkrankte, schrieb sie in einem Abschiedsbrief: "Mein Weg zur schönen Ewigkeit wird nicht mehr lang sein, und es heißt Abschied zu nehmen. Ich wünschte mir einen Korb voll Rosen. Meine geliebten Kinder und Freunde sollten nicht in mein dunkles Grab schauen, sondern wie ich so gern an jedem Morgen in die aufgehende Sonne und am Abend in ihr Scheiden; und jedem, jedem von ihnen wollte ich danken und ihm eine Rose zur Erinnerung an mich schenken." So sollen hier ihre Texte als ein Rosenstrauß zur Weitergabe an alle, die sich daran freuen, versammelt sein. Dazu findet sich hier ein Nachruf ihres Schwiegersohns Johannes Lähnemann und Erinnerungssplitter und -bilder ihrer Enkelin Charlotte Flügel und ein Brief von ihr zum Weihnachtsfest 1997.

Dissertation: Liedformen der deutschen Mystik

Die Dissertation war der Abschluss eines breit angelegten Studiums: Eleonore Benary studierte von 1931-34 Germanistik, Geschichte, Geographie und Philosophie. Sie begann und beendete ihre Studium an der Universität Greifswald, wo sie bei ihrer Urgroßmutter Clara Landois, der sie "in Verehrung und Dankbarkeit" ihre Dissertation widmete, wohnte (eine Auflistung aller ihrer Studienstationen findet sich auf Wikipedia, ein Rückblick auf die Beziehung zu ihrer Urgroßmutter 'Größing' in dem Privatdruck von Briefen). Ihre Promotion zu Liedformen der deutschen Mystik im 14. und 15. Jahrhundert erfolgte bei Wolfgang Stammler an der Universität Greifswald, nachdem er die begabte Studentin ermutigt hatte, die abgetretenen Pfade der "Blütezeit" zu verlassen und sich auf eigene Quellensuche in der Staatsbibliothek in Berlin zu machen. Damit wurde sie eine der frühesten Mystikforscherinnen; ihre Liededitionen werden weiterhin in der Forschung verwendet, vor allem da sie den sonst sehr vernachlässigten norddeutschen Raum betreffen.

Kommagene heute - Impressionen von Land und Leuten

Eleonore Dörner in KommageneMit Geschichten und Gedichten ergänzte Eleonore Dörner die erste große Publikation, die ihr Mann über die Ausgrabungen veröffentlichte. Der Band war bewusst nicht als rein archäologische Publikation angelegt, sondern sollte auch Impressionen von der Gegend und von dem Leben im Ausgrabungslager vermitteln, vor allem durch die Bilder des Malers Alexej von Assaulenko. (Friedrich Karl Dörner: Kommagene - ein wiederentdecktes Königreich. Mit Bildern einer Malerreise von Alexej von Assaulenko und Beiträgen von Katharina von Assaulenko, Eleonore Dörner und Christian Jenssen. Codex-Verlag, Grundholzen, Böblingen, 1966-1971, S. 106-141.)
Das Foto (Friedrich Karl Dörner, 1965) zeigt Eleonore Dörner (rechts) mit einer Frau aus Kahta und deren Tochter in kurdischer Tracht.

Inhaltsverzeichnis
Mit Alexej von Assaulenko an den Ufern des Nymphenflusses
An der Schwelle des Paradieses
Auf dem Nemrud Dag (Gedicht)
Römerbrücke (Gedicht)
Leben und Tod (Gedicht)
Steine sammeln und Steine zerstreuen
Brautraub (Gedicht)
Osmans Gärten
Maultierritt (Gedicht)
Bei der Dorfschneiderin
Anatolische Wanderung (Gedicht)

Bei den Gottkönigen in Kommagene

In dem Erzählungsband hielt Eleonore Dörner die Eindrücke von verschiedenen Ausgrabungskampagnen fest, an denen sie in der Ost-Türkei teilnahm, vor allem im Sommer 1965. Ingrid Schaar, die ebenfalls das Ausgrabungslager besucht hatte, fertigte speziell zu den Erzählungen 1987 Zeichnungen an, die mit dem geübten Strich der Bühnenzeichnerin das ganze Ausgrabungslager lebendig vor Augen stellen. In der Buchanzeige heißt es: "Durch die Erzählkunst der Autorin scheint dem Leser Geburt und Tod, Hochzeit und Blutrache, Jähzorn und Gastfreundschaft mit einem märchenhaften Schimmer umgeben. Tragische Schicksale, düstere Begebenheiten wechseln mit manchem heiteren Erlebnis und sind immer wieder eingebettet in die Schönheit der Bergwelt." (Bei den Gottkönigen in Kommagene. Erlebnisse in einem deutschen Ausgrabungslager im Osten der Türkei. Mit Zeichnungen von Ingrid Schaar. Meile : Knoth, 1983. (Schriften der Hermann-Bröckelschen-Stiftung ; Bd. 6) ISBN 3-88368-064-8)
Frau am Webstuhl. Illustration von Ingrid Schaar (1978) Inhaltsverzeichnis (Abbildungsverzeichnis)
Vorwort, S. 9
I. Erwartung und Ankunft, S. 11
II. Im Zeltlager, S. 19
III. Das Gesicht unserer Arbeiter, S. 27
IV. Auf der Eski Kale, der alten Burg, S. 33
V. Was werden wir essen, was werden wir trinken?, S. 37
VI. Bei der Dorfschneiderin, S. 47
VII. Sorgen mit der Post, S. 53
VIII. Abuzer, der Reiche, und seine Frauen, S. 57
IX. Die Yeni Kale, die neue Burg, S. 75
X. Auf dem Maultierrücken zum Nemrud Dag, S. 85
XI. Hausbau im Dorf, S. 95
XII. Emin und seine Familie, S. 107
XIII. Wasser, Wasser, S. 113
XIV. Mustafa, unser Chauffeur, S. 121
XV. Unser Gästebuch, S. 127
XVI. Der Maler und seine Modelle, S. 139
XVII. Ärztliche Hilfe nah und fern, S. 147
XVIII. Nihat sucht seinen Vater, S. 155
XIX. Der Schmied und der Müller, S. 161
XX. Abschied von Kommagene, S. 169

Märchen und Legenden

Illustration von Ingrid Schaar (1978)In der Einleitung zu ihrem ersten eigenen Märchenbuch, nachdem sie jahrzehntelang in der Türkei und an anderen Orten Texte und Stoffe gesammelt hatte, schrieb Eleonore Dörner darüber, was sie daran faszinierte:
"Oft bin ich gefragt worden, warum ich eigentlich Märchen schreibe. Märchen, die lange vergangene Zustände mit der modernen Wirklichkeit ineinander übergleiten lassen. Sind Märchen nicht ein ehrwürdiges, altes Kulturgut, das man nicht mit der nüchternen Gegenwart vermengen sollte?
Seit ich mich erinnern kann, sind in meinem Leben Märchenwelt und Gegenwart ineinander verwoben gewesen. Oder ist es etwa kein Märchen, wenn ein armer mecklenburgischer Kaufmannslehrling den Schatz des Priamos findet? Oder wenn eine schöne, kluge Stewardess eines Tages Königin von Schweden wird?
Die dunklen Wälder im Schwarzwald, die einsamen Schären im Nordmeer, die Olivenhaine an den südlichen Küsten, die Felsentäler in Europas Randgebirgen, alle diese Orte schienen mir von geheimnisvollen Ereignissen zu erzählen und noch heute davon erfüllt zu sein.
Das Herzstück meiner Geschichten beruht meist auf einer wahrhaftigen Begebenheit. Manchmal war es nur eine flüchtige Begegnung, die meine Anteilnahme weckte, ein Hauch der Märchenwelt, der mich streifte, und der mich weiter darüber nachdenken, den schicksalhaften Gang der Dinge ausmalen ließ.
Das Märchen gehört nicht der Vergangenheit an. Es bleibt nicht darum lebendig, weil man es immer weiter in der alten Form erzählt. Wer sich seine Märchenaugen bewahrt hat, erlebt auch heute noch in unserer Welt, daß das Unmögliche möglich werden kann, und daß die Liebe den Tod besiegt. Auch die beschwingten Zeichnungen, mit denen Ingrid Schaar dies Buch geschmückt hat, sind eine märchenhafte Kostbarkeit. Dämonisches mischt sich mit hingebendem Vertrauen, zart angedeutete Konturen zaubern doch sogleich für den Leser den rechten Hintergrund vor sein inneres Auge.
Ich wünsche meinen wunderbaren Geschichten viele aufrichtige Freunde, die sie so gerne lesen wie ich sie geschrieben habe."
Illustration zu dem Titelmärchen 'Berglöwe': Der Derwisch hilft Halet, ihre Brüder wiederzufinden.
  1. Der Berglöwe und zwölf wunderbare Geschichten. Märchen aus unserer Zeit. EB-Verlag, Hamburg 1992, ISBN 3-923002-67-X
    Einleitung zu einer Märchenlesung in der 'Arche' in Nürnberg am 17.6.1993
    Illustration von Ingrid Schaar (1978) Vorwort. S. 5
    Der Berglöwe S. 7
    Der treue Bruder S. 21
    Das Hermelin S. 37 (daraus die Illustration rechts)
    Der König des Waldes S. 53
    Die Zaubergeige S. 65
    Die goldene Spindel S. 77
    Der Ring der Königin S. 88
    Vorn Paradies und vorn Parador S. 103
    Der wundertätige Pate S. 111
    Der wunderbare Garten S. 120
    Ein Hirte aus Kreta S. 129
    Smintek, mein Kater S. 140
    Der verlorene Sohn S. 149
  2. Liebende Herzen in Trapezunt und andere Märchen aus unseren Tagen Verlag Peter Athmann, Nürnberg 1997.

Erzählungen, Legenden, Vorträge und Märchen

Ihr Leben lang schrieb Eleonore Dörner Geschichten und Märchen auf. Ihre ersten Erzählungen waren schon in den 1920er Jahren veröffentlich worden, nachdem sie als Jugendliche einen Schreibwettbewerb mit einer Einsendung über ihre Steiff-Bären gewann (der Preis war ein Rundflug über Berlin, bei dem ihr so schlecht wurde, dass sie die Einsendung bereute). Während der Zeit in Bebenhausen schrieb sie regelmäßig für den Rundfunk, dann in Münster und Nürnberg zahlreiche Vortragsmanuskripte. Jedes Jahr schrieb sie auch eine Weihnachtsgabe für Freunde und Verwandte; einer der letzten Texte war eine Neuerzählung von Legenden um den Apostel Jakobus, die sie zum Weihnachtsfest 1995 für ihren Urenkel Jakob zusammenstellte.
  1. Der Weg der türkischen Frau vom Analphabetentum zur Hochschulbildung (c. 1970)
  2. Die Bedeutung der Wasserburgen im kulturellen Leben Westfalens. Vortrag, gehalten bei der Jahreshauptversammlung des Verbandes Frau und Kultur am 9. Mai 1977 in Münster
  3. Das Leben der griechischen Frau in antiker Zeit (c. 1990)
  4. Berlin. Entstehung und Bewährung einer Hauptstadt. Vortrag, gehalten für ,Frau und Kultur' 1988)
  5. Die Suche nach dem Christkind (c.1994)
  6. Legenden um den Apostel Jakobus (1995)

Weitere Publikationen

Von Anfang an war Eleonore Dörner als Chronistin und Archivarin in die Ausgrabungen mit involviert, auch bevor sie selbst mitfahren konnte. Sie war vorbildlich in ihrer präzisen Dokumentation - u.a. dadurch geschult, dass sie während ihrer Studienzeit auch als Sekretärin für ihren Vater arbeitete, der dies in einem Gedicht zu ihrer Hochzeit launig würdigte. Ein Zeugnis für ihre Einbindung in das Grabungsgeschäft ist der Brief, den Friedrich Karl Dörner ihr am 27.7.1951 schrieb und den sie unter den Ausgrabungsdokumenten mit der Notiz "1. Entdeckung von Arsameia" aufbewahrte. Er beginnt "Meine liebste Lore! Ich weiss noch nicht, wo u. wann dieser Gruss zur Post gehen wird. Aber ich will dich doch als erste wissen lassen, dass wir dabei sind, eine grosse Inschrift auszugraben, die Antiochos hier in Kâhta aufgeschrieben hat, wo ich gleichzeitig ein grosses Heiligtum - vielleicht sogar einen Palast? - vermute, [...]" was sich dann auch bewahrheitete. Bei den archäologiegeschichtlichen Publikationen war sie es jeweils, die - etwa zu Carl Humann - die fundierte Archiv-Recherche beisteuerte, und gleichzeitig dafür sorgte, dass die Dokumentation sich spannend wie ein Krimi las.
  1. mit Theo G. Hellenkemper: Eine Fahrt in das vergessene Königreich von Kommagene. Tropon-Arzneimittel, Köln 1973 (pons-Reisehefte)
  2. mit Friedrich Karl Dörner: Kultbild und Porträt. Frauenbildnisse im griech. Altertum. Raggi, Feldmeilen 1977 (Antike Welt. Sonderheft 1977)
  3. Hinter den Kulissen der Antike. Übersetzt v. Eleonore Dörner, hrsg. von Friedrich Karl Dörner (Schriften der Hermann-Bröckelschen-Stiftung. Carl Humann zum Gedächtnis, Bd. VII. - Kulturgeschichte der Antiken Welt, Bd. 32). Mainz, Philipp von Zabern 1985.
  4. mit Friedrich Karl Dörner: Vom Bosporus zum Ararat. von Zabern, Mainz 1981, ISBN 3-8053-0417-X (Kulturgeschichte der antiken Welt, Band 7; Schriften der Hermann-Bröckelschen-Stiftung, Band 5), mit einer biografischen Notiz auf S. 368–369.
  5. mit Friedrich Karl Dörner: Von Pergamon zum Nemrud Dag. Die archäologischen Entdeckungen Carl Humanns. von Zabern, Mainz 1989, ISBN 3-8053-0998-8 (Kulturgeschichte der antiken Welt, Band 40; Schriften der Hermann-Bröckelschen-Stiftung, Band 8)
    auch: Nemrut Daginda ilâhlar arasinda. Kültür Bakanligi, Ankara 1992, ISBN 975-17-0188-0 (Kültür Bakanligi yayinlari, Band 960; Dünya edebiyati dizisi, Band 3)

Gedichte

Wie ihr Vater Albert Benary hielt Eleonore Dörner immer wieder ihre Alltagsimpressionen in Gedichtform fest. Gerade in den Ausgrabungen in Kommagene entstanden zahlreiche Miniaturen, die ihre Fototätigkeit und die Eindrücke der Maler, die die Ausgabungen begleiteten, ergänzten.

Auf dem Nemrud Dag

Weiße Malven am Felsgestein,
Ritt zu den himmlischen Thronen,
Fort von den Hütten, den Herden im Tal
Zum Berg, wo die Götter wohnen.
Rings erstarrten die Felsen zum Meer,
Das drohend den Gipfel umbrandet,
Fest umschließt er des Königs Grab,
Von heiligen Bildern umwandet.
Still gelassen blicken uns an
Die großen steinernen Züge.
Längst erlosch ihres Reiches Glanz,
Zerbrochen in Haß und Lüge.
Riefen die alten Götter uns her
Aus grauem gestaltlosem Norden?
Sucht ihre Botschaft den Widerhall,
Sind sie einsam geworden? Römerbrücke

Römerbrücke

Eine flinke Ziegenherde kommt den Pfad entlanggezogen
Über braunverbrannte Erde zu dem hohen Brückenbogen.
Tief verborgen im Gebirge spannt er sich seit Römerzeiten
Und verbindet Dörfer, Städte in den ungeheuren Weiten.
Hirten, Bauern, fremde Krieger schritten über diese Steine
Unter heißen Sonnenbränden und im milden Sternenscheine.
Keiner kennt mehr ihre Namen, keiner weiß die Zahl zu sagen,
Keiner kann die Last ermessen, die die Brücke je getragen.
Nur die Inschrift auf den Säulen nennt den Kaiser, der sie baute,
Der mit kühnem, hartem Blicke fernes Zukunftsland erschaute.

Leben und Tod

Das Leben ist heute vorübergeritten
Auf schmalem Felsweg über unserm Haus.
Die Ziegen liefen trippelnd, und inmitten
Ein dunkles Maultier griff bedächtig aus.
Trug Mutter und Kind in leuchtend buntem Gewand,
Ein großer Mann, den Hirtenstab in der Hand,
Kam hinter ihnen geschritten.
Der Tod ist heute vorübergeritten,
Er hielt eine Sense und senkte das Haupt.
Wohl ungerufen, taub auf alle Bitten,
Kommt er zu holen, was ihm Gott erlaubt.
Wir schließen die Tür, wir schlafen im Sternenlicht,
Kommt Leben, kommt Tod, wir wissen es nicht
Zu denen, die viel gelitten.

Brautraub

Warte im Schatten der Felswand am Wasserfall heute verstohlen,
Warte, ich komme noch spät mit den Krügen, um Wasser zu holen,
Binde die bunten Lappen dem Maultier unter die Hufe,
Daß der Klang seiner Tritte den Vater, die Brüder nicht rufe.
Fülle die Taschen arn Sattel mit Brot, mit Früchten und Futter,
Lang wird die Flucht in die Berge und fern vorn Herd meiner Mutter.
Bot auch der Ungeliebte den Eltern vieltausend Pfunde,
Kalt läßt die Werbung mich, mein Herz ist mit Dir im Bunde.
Wage den heimlichen Raub, wenn alle im Schlafe liegen,
Hoch zu den Höhlen im Fels, wo einsam die Adler fliegen.
Nimm das Gewehr von der Wand, es geht um Leben und Sterben,
Wage den heimlichen Raub, und wenn wir alle verderben. Karawane

Maultierritt

Felsensteine übersteigt der schmale Huf,
Tastet sicher an den steilen Hängen,
Trägt uns wiegend auf dem harten Sattel
Uber Täler, Flüsse zu den fernen Bergen.
Gleißend fällt das Licht auf weiße Gipfel,
Silbern schäumt der Fluß durch graue Klippen,
Grüne Pappeln, grüne Rebengärten
Säumen seine Ufer in der Tiefe.
Singend geht das Kind vor unsern Tieren,
Kennt die Wege, kennt die Dörfer alle,
Führt uns durch die sonndurchglühten Weiten
Zu dem Schattenplatz an einer kühlen Quelle.
Welten enden hier und Märchen werden Wahrheit,
Bunte Frauen bringen Obst auf Schalen,
Männer sitzen ernst und still im Kreise,
Und ein Hirte spielt auf der Schalmei.

Anatolische Wanderung

Seine schmalen Kinderfüße wandern durch den grauen Staub,
Durch die Steppen Anatoliens, über Disteln, dürres Laub.
vor ihm zieht die Karawane, schwer bepackt mit bunter Last,
Steht die Sonne hoch am Himmel, lagert sie zu kurzer Rast.
Alle drängen zu der Quelle, hin zum Schatten und zur Ruh.
Mütter stillen ihre Kinder, decken sie mit Tüchern zu.
Und mit dunklen, ernsten Augen sieht der Knabe alles an.
Bild um Bild wird zur Erfahrung, daß er später führen kann.
Stärker werden seine Arme, sicher wird sein leichter Schritt,
Und die zögernden Gefährten reißt sein fester Wille mit.
Weiter zieht die Karawane, eingehüllt in grauen Staub,
Durch die Steppen Anatoliens, über Disteln, dürres Laub.

Bei den Gottkönigen: Verzeichnis der Abbildungen von Ingrid Schaar

Zurna-Spieler. Illustration von Ingrid Schaar (1978)
  1. Wasserschöpfende Frau mit einem großen Krug an der Quelle , S. 15
  2. Wächter, seine Flinte auf dem Schoß , S. 21
  3. Dem alten Wächter sind die Augen zugefallen , S. 23
  4. Trank aus der Quelle , S. 29
  5. Frau am Webstuhl , S. 31
  6. Reitende Bäuerin mit ihrem Kind , S. 49
  7. Nusin, die junge Braut , S. 59
  8. Onkel Mustafa beim Nachmittagsschläfchen , S. 63
  9. Kampf auf Leben und Tod , S. 66
  10. Zarife, die schöne Frau des Aga , S. 67
  11. Die böse Schwiegermutter , S. 69
  12. Mihtar, das arme Hirtenkind , S. 73
  13. Musikant mit seiner Zurna , S. 77
  14. Leila geht zum Brunnen , S. 80
  15. Malik, der Burgherr, beim Derwisch , S. 81
  16. Mehmet bei der Fußpflege , S. 91
  17. Osmans Kind bringt einen Korb mit Eiern , S. 97
  18. Bäuerin beim Backen des Fladenbrotes, S. 109
  19. Vater und Sohn reiten nach Hause , S. 123
  20. Spiel auf der Saz , S. 133
  21. Güliye mit ihren Kindern am Hoftor , S. 137
  22. Frauen an der Butterschwinge , S. 143
  23. Mehmet trägt sein krankes Ziegenböckchen zum Doktor , S. 149
  24. Nadire tanzt vor ihren Söhnen , S. 159
  25. Alter Mann auf dem Weg zur Mühle , S. 165

Henrike Lähnemann
Projects
German@Oxford
Oxford German Network