HUGO VON TRIMBERG: 'DER RENNER'
Zv dem ersten stet die vor rede des buches Renner genant wanne ez sol rennen durch die lant
I. Hie hebet sich an ein vor rede dises Bu[o]ches.
1 Tihtens het ich mich verloubet
2 Von der zît her, sît mîn houbet
3 Maniger leie dœne gewan:
4 Sieden, diezen, siusen, singen,
5 Zwitzern, grellen, snurren, klingen:
6 Die dœne ich gelernet hân,
7 Die mir vor gar unkunt wâren,
8 Biz ich kam gein fünfzic jâren:
9 Dô huop sich ir ambet an,
10 Daz mir tegelich erzeiget,
11 Wie sich gein dem tôde neiget
12 In alter zît wîp und man.
13 Alein mir nu diu ôren diezen
14 Und diu ougen über fliezen,
15 Doch wil ich ein büechelîn
16 Mînen guoten friunden tihten
17 Und mit rîmen sô berihten,
18 Daz si dâ bî gedenken mîn.
19 Swelhe ez lesen oder hœren lesen,
20 Die süln mîner sêle wesen
21 Genêdic, wenne geschriben stât:
22 Swer vür eins andern schulde bite,
23 Sîn selbes sêle lœse er dâ mite
24 Und tilige ouch sîn missetât.
25 Vor het ich siben büechelîn
26 In tiutsch gemacht, und in latîn
27 Fünftehalbez, daz ist wâr.
28 Daz halbe wil ich lâzen belîben
29 Und wil daz zem êrsten schrîben.
30 Gotes güete mich bewar
31 An worten, an werken und an sinne,
32 Daz ich sîn alsô beginne
33 Und ouch volbringe in sînem namen,
34 Daz ez ime genême sî,
35 Und daz wir werden leides frî:
36 Sprechet alle mit mir âmen!
37 Ich kam ûf eine heide,
38 Diu ze guoter ougenweide
39 Harte wol gezieret was.
40 Dâ drungen bluomen durch daz gras,
41 Von bluomen was si pfeller var.
42 Ein stîc, der mich brâhte dar,
43 Der was grasic unde smal.
44 Diu heide lac in einem tal,
45 Glîche gemezzen und niht ze breit,
46 Mit hôhen bergen ümmeleit.
47 Dâr inne begonde ich ümmegên.
48 Dô sach ich einen boum dort stên
49 Ûf einem grüenen reine,
50 Gesundert alterseine,
51 Der was gezieret harte wol,
52 Wenne er stuont liehter blüete vol.
53 Under dem boume einhalp was
54 Ein harte wunneclichez gras.
55 Dâ bî stuont ein wilder dorn,
56 Der het im dâ ein stat erkorn.
57 Bî dem stuont ein lache:
58 Wizzet daz meinet sache,
59 Wenne dâ bî stuont ein brunne.
60 Dâ was michel wunne.
61 Ûf dem boume sungen diu vogellîn,
62 Waz möhte wunneclicher sîn?
63 Dô der boum, den ich sach
64 Ûf der heide, als ich ê sprach,
65 Sîner blüete wart âne,
66 Geladen wart er sâne
67 Mit maniger birn, daz ist wâr.
68 Ê denne die zîtic würden gar,
69 Ein teil wart ir gebrochen abe:
70 Die lâze wir belîben, swer die habe
71 (Swem der sûren einiu wart,
72 Den gerou vil lîhte diu vart).
73 Der andern birn was dennoch genuoc:
74 Swie vil daz weter an si sluoc,
75 Doch wolten si niht valle,
76 Biz daz si zîtic alle
77 Mit einander wurden gar.
78 Dô kam ein wint geflogen dar,
79 Der ist Virwiz genant
80 (In hânt die meide wol erkant
81 Und ouch die frouwen über alliu lant).
82 Er schutte den boum sân zehant
83 Sô rehte wunderlîche,
84 Daz die birn gelîche
85 Mit einander alle
86 Dâ von begonden valle.
87 Ein teil ir in die lachen kam:
88 Nieman die her ûz nam;
89 Ein teil viel in den brunnen:
90 Die beliben ungewunnen;
91 Ir viel ein teil in den dorn:
92 Mich dunket die sîn ouch verlorn,
93 Wenne si müezen fûlen dâr an
94 (Niht wol man daz erwenden kan).
95 Ir viel ein teil ouch ûf daz gras:
96 Die lâgen wol, swie vil der was:
97 Aleine daz weter in têt wê,
98 Doch verdurben jene andern ê
99 Die dâ lâgen an bœser stat,
100 Als man iuch vor bescheiden hât.
101 Nu merket, junge liute,
102 Waz der boum bediute,
103 Der dorn und ouch das grüene gras
104 Und swaz mêr ûf der heide was!
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Administration: Henrike Lähnemann Zuletzt geändert am 07.07.2004
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