Von gebaures leute[n] vn[d] wa vo[n] edel vn[d] vnedel komen sint.
1309 Noch sint einer leie liute,
1310 Die man gebûrvolc heizet hiute,
1311 Der maniger vil trazmüetic wêre:
1312 Wêren in die herren niht ze swêre,
1313 Sô möhte man ir vil manigen vinde
1314 Bî der hôchferte ingesinde. -
1315 In ein dorf kam ich geriten,
1316 Dâ lâgen gebûr nâch iren siten
1317 An irm gemache ûf irn wammen.
1318 Zuo irn houbten sâzen ir ammen,
1319 Die mit flîze tierlich suochten
1320 Der si lützel hin nâch geruochten.
1321 Ir einer gienc gein mir und sprach,
1322 Dô er mich zuo rîten sach:
1323 "Vil lieber herre, wie gefüeget sich daz,
1324 Daz iu herren ist vil baz
1325 Denne uns armen gebûren sî?
1326 Sint ein liute eigen, diu andern frî?"
1327 "Jâ," sprach ich. Daz was im zorn
1328 Und sprach: "Nu sî wir doch geborn
1329 Von einer muoter alle!"
1330 Dô kam der gebûr ein getralle
1331 Ûz einem lîthûse gegangen.
1332 Von den wart ich enpfangen
1333 Und von jenen, die dâ lâgen,
1334 Die die körper nider wâgen.
1335 Si bâten alle gelîche
1336 Daz ich tête sô tugentlîche
1337 Und sie beschiede der mêre,
1338 Wâ von einer edel wêre,
1339 Der ander unedel, der ander frî,
1340 Der ander eigen. "Wêr nu hie bî
1341 Iuwer pfarrer", sprach ich, "sô wölte ich
1342 Schier des lân erbiten mich,
1343 Wenne der sol iuwer lêrer sîn!
1344 Er verstüende ouch baz die rede mîn
1345 Denne ungelêrte liute".
1346 Si sprâchen: "Nu saget uns hiute,
1347 Vil lieber herre, des wir iuch biten!"
1348 Si vielen an mich nâch iren siten
1349 Und bâten daz ich erbeizte.
1350 Swer trunken liute reizte
1351 Ze lange, der hêt unwîsen sin:
1352 Ich saz dâ nider und sprach zuo in:
1353 "Von Adâm mêr denne tûsent jâr
1354 Vergangen wâren, daz ist wâr,
1355 Verre von der alten ê,
1356 Dô lebte ein man der hiez Nôê,
1357 Der gerne gotes willen tet.
1358 Sem, Cham und Japhet
1359 Hiezen sîne süne drî.
1360 Der wurden zwêne edel und frî,
1361 Des dritten geslehte verfluochet ist,
1362 Als man in den buochen list.
1363 Nu sült ir hœren wie daz kam:
1364 Der mittel sun was geheizen Cham,
1365 An zühten, an tugenden was er lam.
1366 Er sach eins tages sînes vater scham,
1367 Dô er was trunken unde slief.
1368 Sînen zwein brüedern er dô rief
1369 Und liez si schouwen wie er lac.
1370 Dô kêrten si beide dar den nac
1371 Und giengen rückelingen dar
1372 Dô si des vater nâmen war,
1373 Und breiten über in ir gewant.
1374 Nôê erwachte sâ ze hant
1375 Und merkte waz si hêten getân
1376 Und sprach: "Verfluocht sî Chanaân
1377 Und allez sîn geslehte
1378 Sol diener und eigen knehte
1379 Mîner zweier süne sîn!"
1380 Nu merket, lieben friunde mîn:
1381 Alsus sint edel liute kumen
1382 Und eigen, als ir habt vernumen.
1383 Wol im, der gotes eigen ist!
1384 Disiu frîheit wert unlange frist
1385 Die frîe liute habent ûf erden,
1386 Wenne si ze miste ouch müezen werden."
1387 Dô sprach der gebûr einer sâ zehant:
1388 "Nu alrêrst ist mir bekant
1389 Daz wir immer müezen wesen
1390 Vernoyert volc, sît ir gelesen
1391 Habt daz er Noyer hiez,
1392 Der uns disen segen liez
1393 Daz uns immer sol wesen wê."
1394 Ich sprach: "der frume man hiez Nôê,
1395 Der üm sînes sunes missetât
1396 Disen fluoch gegeben hât:
1397 Der vellet niht gemeine
1398 Ûf die gebûr alterseine,
1399 Er vellet ûf manige ander liute,
1400 Als ich iu her nâch bediute:
1401 Juden, ketzer, heiden
1402 Und kristen, die unbescheiden
1403 Sint und unordenlîchen lebent
1404 Und wider gotes willen strebent,
1405 Ûf die vellet der selbe fluoch:
1406 Als lêrent uns der heiligen buoch.
1407 Ein frî gebûr ist herren genôz:
1408 Alein er sî des guotes blôz,
1409 Doch ist er von gebürte frî.
1410 Wênt ir daz iht herren sî,
1411 Die swacher sîn denne ein gebûr?
1412 Und liez got gên einen schûr
1413 Über ungeslahter herren untugent,
1414 Ir stürbe maniger in sîner jugent
1415 Den er gibt ûf bezzerunge frist,
1416 Wenne er barmherzic ist.
1417 Nieman ist edel denne den der muot
1418 Edel machet und niht daz guot:
1419 Wenne einez sint edelinge,
1420 Daz ander eselinge.
1421 Ein edelinc tuot edellîchen,
1422 Ein eselinc tuot esellîchen,
1423 Doch siht man ofte sich dringen
1424 Eselinge mit edelingen.
1425 Ein edel kint hât edel site,
1426 Dem volget tugent und êre mite:
1427 Einem eselinge wont ein esel bî,
1428 Swie rîche er friunde und guotes sî.
1429 Friunde und guot gebent nieman tugent,
1430 Man muoz die tugent lernen von jugent:
1431 Swer denne guot und friunde hât,
1432 Sîn tugent dester verrer gât.
1433 Sant Pêter het vil grôze tugent
1434 In sînes herzen schrîn von jugent,
1435 Diu wîten in die werlt ist kumen:
1436 Sîns guotes ich lützel hân vernumen
1437 Und sîner friunde, denne daz er was
1438 Ein armer vischer, als ich las,
1439 Und hât nu mêre denne künic Artûs,
1440 Dem friunde und guot diente in sîn hûs.
1441 Er hât mêr denne künic Alexander,
1442 Turnus, Enêas und Evander,
1443 Priamus und Darîus,
1444 Krêsus, Pippîn und Jûlius,
1445 Octaviân und Abimelech,
1446 Adrast und Adonibezech,
1447 Der sibenzic küniges sünen het abgesniten
1448 Vinger und zêhen: nâch hundes siten
1449 Muosten si kriechen under sînen tischen,
1450 Wâ si ein brosem mohten erwischen
1451 (Swer ie der rihter buoch gelas,
1452 Der weiz wol wâ und wenne daz was). -
1453 Nîeman ist schœne, edel und rîch
1454 Denne der dâ kumt ze himelrîch:
1455 Dar kumt vil lîhte ir armen ê
1456 Denne iuwer vögte, die iu tuont wê".
1457 Mit der rede machte ich dô
1458 Die gebûr guotwillic unde frô
1459 Und wolte von in geriten sîn.
1460 Dô kam einer und brâhte wîn
1461 Und sprach mit grôzem schalle:
1462 "Den wîn schenke wir iu alle
1463 Und wöllen iu noch mêre schenken!
1464 Dâr an sült ir gedenken
1465 Und tuot nâch tugentlichen siten
1466 Und bescheidet uns noch eins, des wir biten:
1467 Von den die halpritter sint
1468 Und doch ungern gebent ir kint
1469 Uns gebûren, swie doch ir adel
1470 Mêr gesippe sî dem stadel
1471 Denne ez dem ritter satel sî.
1472 Si sint niht eigen und niht frî
1473 Und wonent den edeln liuten mite
1474 Und habent doch gar unedel site
1475 Und tuont uns armen ofte leit".
1476 Ich sprach: "Nu sî iu vür geleit
1477 Ein bîspel, daz ich wîlent las
1478 Dô ich ein junger schuoler was:
XI. Wie der lewe ku[e]nk wart vnd ain Bispel vo[n] de[m] Maul auf halbe edel leute.
1479 Dô der lewe über alliu tier
1480 Künic wart erwelt, vür sich vil schier
1481 Hiez er kumen gemeine
1482 Diu tier grôz und kleine
1483 Und gebôt daz si des niht enliezen,
1484 Si sagten im alliu wie si hiezen.
1485 Under des dô diz geschach,
1486 Dô kam der mûl. Der künic sprach:
1487 "Sage mir, wie bistu genant?"
1488 Er sprach: "Herre, ist iu bekant
1489 Des ritters ros, der in der stat
1490 Gesezzen ist ze Bacherat
1491 Und ist genant her Toldenier?"
1492 "Jâ" sprach er. "Geloubet mir,
1493 Daz selbe ros ist mîn ôheim,
1494 Alsô ist mir gesaget dâ heim:
1495 Daz selbe ros und mîn muoter
1496 Âzen mit einander fuoter
1497 Ûz einer krippen und sint geborn
1498 Von einer muoter". Dem künige was zorn
1499 Und sprach: "Noch ist mir unbekant,
1500 Wie dîn vater sî genant?"
1501 Er sprach: "Herre, gienc iuwer stîc
1502 Je vür die stat ze Brûnswîc?
1503 Seht, herre, dâ stêt ein junger vol,
1504 Des man pfliget harte wol.
1505 Der gehœrt des landes herren an
1506 Und ist mîn ôheim, als ich hân
1507 Vernumen von der muoter mîn".
1508 Er sprach: "Swie edel dîn ôheim sîn,
1509 Swie edel ouch dîn muoter ist,
1510 Doch weiz ich noch niht wer du bist,
1511 Du sagest denne wer dîn vater sî!"
1512 Er sweic. Dô stuont der fuhs dâ bî,
1513 Der sprach: "Bekennet ir, herre, den esel,
1514 Den der pfister hât ze Wesel
1515 Dort ûz hin gein dem velde?
1516 Sô wizzet âne melde,
1517 Daz der selbe sîn vater ist!"
1518 Dô sprach der künic: "Sît du nu bist
1519 Von ungelîcher art geborn,
1520 Sô sage mir einez doch ân zorn
1521 Und güetlich, wie du sîst genant"?
1522 Er sweic. Dô sprach der fuhs zehant:
1523 "Er heizet ein mûl und ist ein tier,
1524 Sterker und grœzer denne mîn vier:
1525 Ich wölte aber doch ungern mîn leben
1526 Üm sîn geflicket adel geben.
1527 Sîn vater, des er niht wolte nennen,
1528 Wöllet ir die wârheit rehte erkennen,
1529 Ist tiurre denne kein sîn ôheim sî,
1530 Wenne triuwe und einvalt wont im bî
1531 Und nert sich mit sîner arbeit
1532 Und tuot ungern ieman kein leit.
1533 Herre, diz rede ich âne vâr."
1534 Dô sprach der lewe: "Du hâst wâr!"
1535 Diz bîspel sol man diuten
1536 Den tummen, hôchfertigen liuten,
1537 Die sich ir armen friunde schement
1538 Und sich eins adels an nement
1539 Von den, die ir niht gar vil ahten,
1540 Und selten ir armuot wöllent betrahten:
1541 Si habent hie und dort verlorn
1542 Und vallent ûf der hôchferte dorn
1543 Ze den, die vor drûf sint gevallen.
1544 Man siht noch manigen hôhe schallen
1545 Ûf sîn friunde, der lützel vindet
1546 Triuwen, ob er sich underwindet
1547 Grôzer kriege, und niht enhât
1548 Denne mâge vil und gemischten rât.
1549 Swer kriegen wil und kriegen sol,
1550 Der bedarf guoter friunde wol:
1551 Daz sint sîn ôheim, den diu snuor
1552 Vil dicke durch die kelen fuor,
1553 Diu dâ hanget an der sîten:
1554 Die künnen süenen, kriegen, strîten.
1555 Mîner friunde halp mir wê geschiht,
1556 Und hân ich in dem biutel niht;
1557 Die wîle daz ich bî guote bin,
1558 Sô hân ich friunde und hôhen sin:
1559 Swindet aber mir daz guot,
1560 Sô swindent friunde und hôher muot.
1561 Klinchart, Rîchart und Gebehart
1562 Sint werder vil denne Adelhart:
1563 Swer sich ze den gefriundet niht,
1564 Des schœne, des adel sint gar enwiht.
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Administration: Henrike Lähnemann Zuletzt geändert am 07.07.2004