1713 Nâch der rede wolte ich sîn
1714 Geriten, dô kâmen die meierîn
1715 Und hiezen in ouch bringen wîn.
1716 Ir einiu sprach: "Lieber herre mîn,
1717 Von welhen dingen mac daz kumen,
1718 Sô ein arm man wirt genumen
1719 An ein ampt oder voget wirt,
1720 Daz er verre nêher schirt
1721 Sînen nâchgebûren denne ein man,
1722 Der kuntschaft nie bî in gewan?"
1723 Ich sprach: "Wölt ir mich rîten lân
1724 Swenne ich iu daz gesaget hân,
1725 Sô hœrt ein bîspel niht gar lanc"!
1726 Si sprâchen: "Gerne, des habt danc"!
XIII. Ein mer von aine[m] Ruchen.
1727 Ein ruoche eins pfâwen vedern vant,
1728 Die nam er und stiez si zehant
1729 In sînen zagel. Dô daz geschach,
1730 Er gienc dâ er die pfâwen sach
1731 Und mischte sich vaste in ir schar:
1732 Sîner genôzen nam er keine war.
1733 Er gienc stolzieren hin und her,
1734 Rehte als er ein pfâwe wêr.
1735 Er nam im manigen tummen ganc
1736 Und tet ouch manigen ümmeswanc
1737 Mit der veder, swâ er gienc.
1738 Ein pfâwe im daz vür übel enpfienc.
1739 Dô er sîn grôze tumpheit sach,
1740 Ze sînen gesellen er dô sprach:
1741 "Wie lange wölle wir daz vertragen,
1742 Daz dirre swenket uns üm die kragen
1743 Mit einer vedern, diu nie sîn wart?
1744 Wir süln in trîben eine vart
1745 Hin wider, danne er her ist kumen!
1746 Ân zwîfel, im wirt von uns benumen
1747 Sîn hôchfart, die er von uns hât
1748 Getriben!" An der selben stat
1749 Besamenten si sich alle
1750 Und vielen ûf in mit schalle
1751 Und berouften in alsô gar,
1752 Daz er lief aller vedern bar
1753 In ein rîsich und verdarp:
1754 Im wart der lôn, nâch dem er warp.
1755 Der ruoche bediutet einen voget,
1756 Der mit kleinem guote broget
1757 Gein den die rîch oder edel sint:
1758 Der ist an guoten witzen blint.
1759 Die pfâwen bediutent edelliute
1760 Und rîche burger, die noch hiute
1761 Grôziu dinc volbringen mügen,
1762 Dar zuo niht arme liute tügen.
1763 Swenne einer von nihte wirt erhaben
1764 Und mit den herren beginnet draben,
1765 Der wirt über alle sîn nâchgebûr
1766 Vil erger denne ein hagelschûr .
1767 Er fürhtet sich hie und fürhtet sich dort,
1768 Er enrüechte daz ein gemeiner mort
1769 Über alle die gienge, die werder sint
1770 Denne er, sîn wîp und sîn kint.
1771 Dar zuo wil er sich glîchen
1772 Den edeln und den rîchen
1773 Und borget ein guot gewendelîn:
1774 Daz giltet her nâch her Schendelîn,
1775 Swenne in der koufman an sprichet
1776 Und er im triuwe und eide brichet.
1777 Vellet der hafen oder der stein,
1778 Der hafen giltet ez altersein.
1779 Stirbet sîn herre, er kumt in nôt:
1780 Vil lîhte begrîfet in ê der tôt;
1781 Beroufent aber in die pfâwen,
1782 Sô schrîent über in die krâwen.
1783 Bœser amptliute die herren engeltent
1784 Daz ander liute si dicke bescheltent,
1785 Wenne ez verliesent bœse râtgeben
1786 Den herren ir êre, guot, sêle und leben
1787 Und machent in ir gemüete kranc.
1788 Dâ von sprach her Frîdanc:
1789 "Man merket bî dem râte wol,
1790 Wie man die herren haben sol."
1791 Einem herren ez billich missegât,
1792 Der sînen rât an den bœsen lât.
1793 Er ist noch bœser, der bœse tât
1794 Tuot, denne jener der bœsen rât
1795 Im durch bœsen gewin hât geben.
1796 Ein frum man sol mit êren leben.
1797 Noch bezzer ist reine êre âne guot
1798 Denne unreine êre, diu wunder tuot.
1799 Himelisch êre dem schier entrinnet,
1800 Der mit sünden êre gewinnet,
1801 Mit roube, mit diube, mit hofegetiusche,
1802 Mit valschen rêten, mit unkiusche,
1803 Mit glîchsenheit, mit simonîe,
1804 Mit freidikeit, mit ketzerîe,
1805 Mit wuocher und mit manigen dingen
1806 Diu man werltlich êre siht bringen.
1807 Ich hân si gar vür tumme liute
1808 Die sôgetâner êren gerent hiute,
1809 Und ist ir doch diu werlt vol:
1810 Der leben nieman loben sol,
1811 Wenne si vor allen tôren stênt
1812 Die sôgetâner êren sich begênt.
1813 Des ist maniger liute leben
1814 Als ein gemêlde, daz man niht eben
1815 Merket und verre von dannen stêt:
1816 Daz dunket schœne: swer nâher gêt,
1817 Der vindet die wandel, die verre in hânt
1818 Betrogen, ez sî mûre oder want
1819 An der daz gemêlde klebet.
1820 Wol im, der ordenlîchen lebet!
1821 Urliuge, rouben unde brant
1822 Wêrn uns immer unbekant,
1823 Siuche, sorge und manic leit,
1824 Daz unsers lebens kraft ûz treit,
1825 Müeste uns mîden êwiclîchen,
1826 Diente wir unserm herren inneclîchen.
1827 Nu sprichet man lîhte, daz guote liute
1828 Ouch vil leides lîden hiute:
1829 Swaz guoten liuten widervert
1830 Leides, dâ mit wirt in gemêrt
1831 Ir fröude von gote in himelrîche.
1832 Wê dem, der hie lebt jêmerlîche
1833 Und âne alle fröude ist dort:
1834 Der hât êwiger unsêlden hort! -
XIII. Vo[n] d[er] vnwitzze vn[d] vnstetikeit.
1835 Swer alte, getriuwe friunde verkiuset
1836 Mit niuwen friunden, er verliuset.
1837 Niuwe friunde und niuwer wîn
1838 Mügen wol gelîch ein ander sîn:
1839 Alein den ougen und ouch dem hirne
1840 Vil gesünder sî der virne,
1841 Doch trinkent tôrn den niuwen gerne
1842 Durch niuwen gelust in der taberne.
1843 Sölte ez nâch tôren willen gên,
1844 So enmöhte kein man die lenge bestên
1845 An sînem ampte, swie rehte er tête:
1846 Daz füeget virwiz und unstête.
1847 Virwiz wirt selten immer guot,
1848 Wenne er hât nimmer stêten muot:
1849 Nu wil er diz, nu wil er daz,
1850 Disem ist er holt, jenem treit er haz,
1851 Daz vor liep was, daz ist nu leit.
1852 Ô wunderlich unstêtikeit,
1853 Diu mit ir selber alsus ringet
1854 Und kein dinc an sîn ende bringet!
1855 Virwiz wehselt durch gewin,
1856 Biz daz er nimt vür silber zin;
1857 Virwiz den rîchen übel zimet
1858 Virwiz den armen ir leben nimet;
1859 Virwiz sich selber übel handelt,
1860 Swâ er getriuwe friunde wandelt;
1861 Virwiz niuwe heiligen suochet,
1862 Der alten heiligen er niht geruochet;
1863 Virwiz ist bœse klôsterman,
1864 Wenne er sich niht gezemen kan;
1865 Er belîbet unlange an einer stat,
1866 Wenne er ze wîte flüge hât:
1867 Nu wil er diz, nu wil er daz,
1868 Nu kalt, nu warm, nu trucken, nu naz,
1869 Nu wîz, nu rôt, nu grüene, nu val,
1870 Nu kurz, nu lanc, nu breit, nu smal,
1871 Nu wil er slâfen, nu wil er wachen,
1872 Nu wil er kurzwîle machen;
1873 Virwiz nimt manigem man sîn êre,
1874 Virwiz kan frouwen leit gemêre;
1875 Virwiz pfarre und pfrüende verliuset,
1876 Swenne er valsch vür triuwe erkiuset;
1877 Virwiz verderbet man und wîp,
1878 Virwiz verliuset sêle und lîp.
1879 Herren si nimmer sölten werden,
XIIII. Vo[n] virbitzzige[n] vn[d] vnstete[n] h[er]ren vn von irm lone.
1880 Die virwitze wölten sîn ûf erden:
1881 Wenne stêter muot hât êre und guot,
1882 Unstêter muot vil schaden tuot.
1883 Diz sint driu wandelwort ûf erden:
1884 "Daz was, diz ist, jenz mac noch werden."
1885 Swer diu rehte bedenken wölte,
1886 Der tête und lieze swaz er sölte.
1887 Virwiz hât vil sêle verlorn,
1888 Virwiz ist an uns geborn
1889 Von frouwen Êven: swer der wil
1890 Volgen, der brichet manic zil.
1891 Dirre kranc unzimlicher site
1892 Wonte wîlent unstêten wîben mite:
1893 Nu habent die herren mit in pfliht,
1894 Als man ofte hœrt und siht:
1895 Des verliuset manic frum man grôz arbeit,
1896 Die er an sôgetân herren leit.
1897 Wizzet er ist ein sêlic man,
1898 Der guot mit guote verdienen kan
1899 Und dem man triuwen lônt mit triuwen:
1900 Den darf sîn arbeit niht geriuwen.
1901 Tôrn witze und affen rât
1902 Vil selten lant betwungen hât:
1903 Daz bewêrt uns wol künic Roboam,
1904 Der rât ze jungen tôren nam
1905 Und sîner alten rât versluoc:
1906 Des gewan er sît unsêlde genuoc,
1907 Dô im sîn vînt Jeroboam
1908 An liute, an guote vil êren benam:
1909 Des was sîn fröude selten stête,
1910 Aleine er sehzic töhter hête
1911 Und ân zwên drîzic süne ûf erden.
1912 Swer gern ein frum man wölle werden,
1913 Der volge wîser liute lêre:
1914 Bî tôrn ist weder frum noch êre.
1915 Sölte wîsheit geerbet sîn ûf in,
1916 Sô wêr im beliben sînes vater sin:
1917 Daz was der wîse Salomôn.
1918 Diz stêt in Paralipominon
1919 Geschriben und in der künige buoche:
1920 Swer sîn mêre wil, der sol ez dâ suoche. -
1921 Swelch dinc man mit unwillen tuot,
1922 Daz wirt selten immer guot:
1923 Swaz man aber mit willen tête,
1924 Lop und lôn ez ofte hête.
1925 Dâ von sprach der sêlige man,
1926 Des sprüche ich vil gelesen hân:
1927 "Swâ man dienst vür dienst hât,
1928 Dâ sol man dienen, daz ist mîn rât:
1929 Swâ aber dienst ist verlorn,
1930 Dâ wêr dienst baz verborn."
1931 Des hât uns meister Esopus
1932 Ein bilde geschriben, daz ist alsus:
XIIII. Von ainem wolfe.
1933 Einem wolfe ein bein bestecket was
1934 In sîner keln, dô er ein âs
1935 Het gezerret güticlich.
1936 Nu lief er und bat vlîziclich
1937 Beidiu vogel unde tier,
1938 Swer im daz bein ûz züge schier,
1939 Dem würde sînes dienstes gelônet alsô
1940 Daz er rîche würde und frô;
1941 Und dô der kranich erhôrte daz,
1942 Zuo dem wolfe trat er baz
1943 Und sprach: "Wiltu mînes dienstes mir
1944 Wol lônen, sô wil ich helfen dir."
1945 "Jâ"! sprach er, und an der stunt
1946 Tet er wîte ûf sînen munt.
1947 Dô stiez der kranich sîn houbt hin în
1948 Und half im von des beines pîn
1949 Und sprach: "Nu soltu lônen mir,
1950 Daz ich hân wol geholfen dir".
1951 "Waz lônes sol ich dir anders geben",
1952 Sprach er, "denne daz du hâst dîn leben?
1953 Daz hête ich dir genumen wol
1954 Mit dem bizze, niht mêr ich dir sol
1955 Ze lône geben; nu var hin dan
1956 Und sprich, ich habe dir wol getân!"
1957 Daz ist noch der bœsen site:
1958 Swer lange mit dienste in wont mite
1959 Und hoffet sîns dienstes werden frô,
1960 Ze dem sprichet etlicher alsô:
1961 "Waz sol ich dir ze lône geben?
1962 Hâstu bî mir verzert dîn leben,
1963 Sô hân ich mînez bî dir verzert:
1964 Niht anders lôns ist dir beschert.
1965 Nu ganc mit mîner gunst hin dan
1966 Und sprich, ich habe dir wol getân!"
1967 Sô sprechent die rîchen ze den armen,
1968 Sô si sich über si sölten erbarmen:
1969 "Daz wir iuch bî uns lâzen leben,
1970 Daz wölle wir iu ze hilfe geben."
1971 Dâ bî merke wir alle wol,
1972 Daz wênic ieman tuot als er sol.
XIIII. Von d[er] hieffen vn[d] vo[n] d[er] slehen.
1973 Die rîchen wöllen, daz man si flêhe.
1974 Ze einer hiefen sprach ein slêhe:
1975 "Frouwe in dem rôten röckelîn,
1976 Lât uns armen bî iu sîn!
1977 Gedenket von wem ir sît geborn:
1978 Unser muoter was ouch ein dorn.
1979 Vor wârt ir grüene, nu sît ir rôt,
1980 Doch hât uns der selbe got
1981 Gemachet, der iuch hie wahsen hiez
1982 Und uns der erden ein teil ouch liez.
1983 Sî wir arm, habt ir vil kern,
1984 Dennoch stên wir bî iu gern,
1985 Die wîle uns got der erden gan.
1986 Uns suochet ofte wîp und man
1987 Und sîn an manigen steten wert,
1988 Dâ iurre kerne nieman gert."
1989 Diz merket man wol bî manigen dingen,
1990 Diu ich niht hie wil vür bringen. -
1991 Spitze künste gênt nu vür,
1992 Die maniger einveltigen herzen tür
1993 Sô sêre verzwickent und versliezent,
1994 Daz manige sêle ir niht geniezent:
1995 Wenne bœse unnütze kündikeit.
1996 Ist leider nu sêre zuo geleit
1997 Einveltigen, alten künsten
1998 Als swevel und bech den brünsten.
1999 Ich wölte maniges mannes kunst
2000 Ungern haben und sîn gunst,
2001 Die er von rîchen und armen hât.
2002 Waz sol ein mensche ân hilfe, ân rât,
2003 Daz mit valsche ûf erden lebet
2004 Und wider sîn gewizzen strebet?
2005 Irdisch guot und irdisch êre
2006 Wil der heiligen schrift lêre
2007 Sô gar vertiligen und vernihten,
2008 Swie vil wir predigen, schrîben, tihten,
2009 Daz doch leider ûf erden hiute
2010 Vil zwîfeler ist und arger liute.
2011 Als nu die herren lebent ûf erden,
2012 Alsô mac ir wênic heilic werden;
2013 Ouch wölte ich maniges herren guot
2014 Ungern haben und sînen muot.
2015 Des endecristes vorrenner
2016 Sint gîtiger und glîchsener.
2017 Swer werden wil mit der niuwen hant
2018 Bâbst, bischof oder techant,
2019 Abt, probst oder prîor,
2020 Der lerne liegen, triegen vor,
2021 Glîchsenheit und simonîe
2022 Und einen âschrôten, ribaldîe,
2023 Vil geloben und wênic geben,
2024 Getürsticlich mit valsche leben,
2025 In grôzen untriuwen schône gebâren,
2026 Mit lachendem munde der liute vâren,
2027 Süeziu wort haben in dem munde,
2028 Valschen hort in herzen grunde,
2029 Und sprechen swem er gelten sol:
2030 "Vil lieber friunt, gehabe dich wol!
2031 Man sol mir morne pfenning geben,
2032 Sô gilte ich dir, hân ich daz leben:
2033 Dîn gelt gib ich dir in dîn hant,
2034 Sölte ich den jüden setzen pfant.
2035 Du hâst friuntlich gein mir getân:
2036 Des sol ich dich geniezen lân.
2037 Nu lege alle teidinge dernider
2038 Und sende dînen boten morne her wider,
2039 Sô wil ich dich schône wern!"
2040 Ez kêm aber einer ê von Bern,
2041 Denne er vil lîhte hie gewert
2042 Daz er im hât gelihen vert.
2043 Mit sôgetânen bœsen listen
2044 Kan sich diu niuwe hant nu fristen:
2045 Swer sînen sin gar an si leit
2046 Mit maniger bœsen unstêtikeit,
2047 Ân zwîfel der wirt ê gewert
2048 Swes er ze dirre werlde gert,
2049 Denne ob er wêr ein heilic man,
2050 Dem disiu werlt niht êren gan.
2051 Sêlic sî diu alte hant,
2052 Bî der man triuwe und êre vant:
2053 Unsêlic sî diu niuwe hant,
2054 Diu schindet und schendet liute und lant,
2055 Diu lêret die liute guot behalten
2056 Und weder triuwen noch êren walten
2057 Noch an unsern herren gedenken,
2058 Denne lîp und sêle gein helle senken.
2059 Si gibt niht ûz und leget în:
2060 Verfluochet müeze ir meister sîn
2061 Und der sich niht nâch gotes lêre rihtet
2062 Und lîp und sêle und êre vernihtet!
2063 Der niuwen hende niuwe fünde
2064 Kan unsanft ieman durchgründe:
2065 Diu niuwe hant hât niuwe unkiusche,
2066 Niuwe liste und niuwe getiusche,
2067 In friundes bilde valsche rête,
2068 Die vor diu alte hant niht hete.
2069 Guoten wân und bœsen wanc
2070 Kan si und manigen ümmeganc,
2071 Wie si mit valscher rede sich friste
2072 Und slehte wârheit überliste.
2073 Mit fluochen, schelten und mit swern
2074 Kan si sich ofte bœslich wern.
2075 Ir untugent ist sôvil,
2076 Daz ich ir niht mêr schrîben wil.
2077 Swer leben sol, der wirt gewar,
2078 Daz ir ie mêre von jâr ze jâr
2079 Leider wirt: sêlic ist der man,
2080 Der sich vor ir behüeten kan! -
2081 Man tuot ofte übel wider guot:
2082 Daz betruobte ouch künic Davîdes muot.
2083 Dô sîn friunt starp, künic Naas,
2084 Dô wolte er Amôn, der sîn sun was,
2085 Trœsten und sande im sîne boten:
2086 Den wart âne schult sêre misseboten,
2087 Wenne er die berte in abe schar
2088 Und hiez ir kleider in unden gar
2089 Abe snîden biz an ir scham.
2090 Daz triuwe sô bœsen lôn dâ nam,
2091 Daz fuogte sîn unversunnen rât:
2092 Der füeget noch manige missetât,
2093 Wenne selten hât sîn ieman frumen.
2094 Swer sprach, si wêrn durch spehe dar kumen
2095 Die man durch triuwe het ûz gesant,
2096 Der wolte verderben liute und lant:
2097 Wenne dar nâch in kurzen tagen
2098 Vierzic tûsent menschen wurden erslagen
2099 Üm die selben missetât,
2100 Den tôren witze und affen rât
2101 Ir leben allen hât genumen.
2102 Wer hât ir noch êre oder frumen?
XV. Vo[n] d[er] leute witzze vn[d] vnwitzze.
2103 Und koste ein glocke tûsent marc,
2104 Swie guot si wêre, swie grôz, swie starc,
2105 Doch wêr irs lobes prîs enwiht,
2106 Hête si eins kleinen îsens niht
2107 An dem der swengel hangen sol:
2108 Bî disen dingen merke ich wol,
2109 Swie grôz, swie starc, swie rîch des guotes,
2110 Swie wol gefriunt, swie rîch des muotes
2111 Ist ein man, hât er niht witze,
2112 Sô muoz er als ein tôr besitze.
2113 Doch dunket sich manic man gar wîse,
2114 Der als ein antreche ûf einem îse
2115 Swanzieren vor tummen liuten gât:
2116 Kême aber er an der wîsen rât,
2117 Dâ man niht ahtet ûf sîn gelf,
2118 Er stüende rehte als ein jungez welf
2119 Bî alten hunden, daz von in
2120 Vil gern schiede, und möhte ez hin.
2121 Als ist vil ofte mir geschehen:
2122 Des muoz ich als her Frîdanc jehen:
2123 "Mich dunket swenne ich eine bin,
2124 Ich habe drîer manne sin:
2125 Kum aber ich dâ die wîsen sint,
2126 Sô wirde ich tummer denne ein kint."
XV. Von wund[er]lichen h[er]ren.
2127 Manic herre ist noch sô wunderlich:
2128 Swaz er im aleine sunderlich
2129 Erdenket, daz muoz vür sich gên:
2130 Bî dem muoz über nâher stên
2131 Sîn ratgeben ofte, swie gar ez in
2132 Ir herze betrüebe und iren sin.
2133 Sôgetân muotwille wirt nimmer guot,
2134 Wenne er verderbet liute und guot
2135 Und sich selber ouch; dâ von
2136 Sprach der wîse Salomôn:
XV. Von iu[n]ger herschaft.
2137 "Wê dem lande, des herre ein kint
2138 Ist und an guoten witzen blint,
2139 Und des fürsten sich des flîzent
2140 Daz si gerne fruo enbîzent!"
2141 Sôgetâner herren râtgeben
2142 Müezen nâch irem willen leben,
2143 Wenne si von in belêhent sint
2144 Und fürhtent, daz ir wîp und ir kint
2145 Gar verderbet werden von in.
2146 Sôgetân vorhte und bœser gewin
2147 Machet der bœsen râtgeben vil,
2148 Von den ich iu mêre sagen wil.
XVI. Von bo[e]ser h[er]ren schmaicher vn[d] armer leu[o]t abnemer.
2149 Swer bœsen herren sich wil lieben,
2150 Der muoz gar hinder rücke schieben
2151 Wârheit, zuht, triuwe und scham:
2152 Si werdent schier im anders gram.
2153 Swer arme liute twingen kan,
2154 Kasten und biutel in machen wan
2155 Und denne ze sînem herren sprichet,
2156 Swenne er daz guot in ab gebrichet:
2157 "Herre, diz nemet ir wol mit rehte,
2158 Si sint iuwer eigen und iuwer knehte;
2159 Nemt ir guot mit senftem muote,
2160 Si nement ez doch von iuwerm guote:"
2161 Der ist nu manigen herren wert.
2162 Getriuwer diener nieman gert,
2163 Die gotes und ouch der sêle gedêhten
2164 Und ir herren gerne brêhten
2165 Nâch dirre irdischen unstêtikeüt
2166 Ze der êwigen sêlikeit:
2167 Der wort und werc sint ungenême,
2168 Gesinde und herren widerzême,
2169 Die der sêle gar lützel ahten
2170 Und aleine den lîp betrahten.
2171 Der herren ampt sol der pflegen,
2172 Der sêle und êren sich hât erwegen:
2173 Wenne swer diu swarzen buoch nu kan,
2174 Der ist ze hofe ein werder man:
2175 Der wîzen buoche nieman gert,
2176 Swer ofte diu nennet, der wirt unwert.
2177 Getriuwer diener lôn ist smal,
2178 Dâ von sprach meister Juvenâl:
2179 "Wer ist nu lieber denne heimlichêr,
2180 Der herze nimmer innen lêr
2181 Sôgetâner heimlîche wirt,
2182 Von der diu gewizzen innen swirt?"
2183 Manige sich doch sô gar verschement,
2184 Daz si vür êwige sêlde nement
2185 Werltliches gelustes hönegelîn
2186 Und dar nâch habent êwige pîn.
2187 Dâ von hât sant Gregôrius
2188 An einer stat geschriben alsus:
2189 "Wâ wart ie grœzer tôrn unsinne,
2190 Denne der durch werltliche minne
2191 Oder der durch einen kurzen gelust
2192 Sich bindet in êwige verlust?"
2193 Swer nu den herren dienen kan
2194 Âne sünde, der ist ein sêlic man:
2195 Doch fürdert manigen sîn freidikeit
2196 Vil mêre nu denne sîn heilikeit
2197 Gein den herren, die selber sint
2198 Freidic und gein gote blint.
XVI. Von bo[e]ser herren ingesinde.
2199 Vil manige rîche herren ich vinde,
2200 Die gerne hêten schœn gesinde,
2201 Die ûz einer goukelbühsen füeren
2202 Swenne si ir bedörften, und niht rüeren
2203 Wölten ir spîse und ir gewant:
2204 Nâch wem haben die gesant,
2205 Der grôz guot jârs mit in verzer?
2206 Daz sol der tiufel und sîn her.
2207 Deheinem herren ouch daz wol zimt,
2208 Daz er sînen armen liuten nimt
2209 Irs guotes mêre denne er ze rehte
2210 Nemen sol, und mit gebrehte
2211 Daz verzert bî rîchen liuten
2212 Durch werltliche êre und vingerdiuten.
2213 Got hât sînem namen ze lobe geschaffen
2214 Bûliute, ritter unde pfaffen:
2215 Die ritter süln bûliute vertreten
2216 Mit schirme, sô süln die pfaffen beten
2217 Üm aller kristenheit heil:
2218 Des sol in ouch daz zehende teil
2219 Alles ires guotes werden,
2220 Daz in wehset ûf der erden.
2221 Swer über reht arme liute twinget
2222 Und si ze grôzem schaden bringet
2223 Mit bete, mit ungelte und mit stiure,
2224 Des sêle gâhet ze dem hellischen fiure.
2225 Swer armen liuten ouch übermizzet
2226 Und sîner sêle an in vergizzet,
2227 Swenne er sîns herren guot enpfêhet,
2228 Vil sêre der gein der helle nêhet.
2229 Nu gêt unreht sêre vür daz reht
2230 Und ist krump lieber denne sleht.
2231 Man siht nu leider wênic fürsten
2232 Nâch unsers herren liebe dürsten.
2233 Triuwe, zuht, dienst und kunst
2234 Behaltent wol der herren gunst,
2235 Die tugent und êre minnent
2236 Und selber sich versinnent
2237 Wer si mit triuwen meine:
2238 Swer tugent ahtet kleine
2239 Und unzuht minnet und schalkes site,
2240 Dem wonent ouch gern schelke mite.
XVI. Von vnbillich straffer d[er] h[er]ren.
2241 Doch strâfet maniger der herren leben,
2242 Dem lützel ûf erden ist êren geben,
2243 Und der selber ouch gar tœrisch würde,
2244 Lêge ûf im grôzer sorgen bürde.
2245 Wie könde ein man getuon aleine,
2246 Daz aller der werlde geviel gemeine?
2247 Daz enkönde got selber niht getuon.
2248 Ein vater wil anders denne sîn sun,
2249 Ein tohter wider ir muoter strebet,
2250 Und daz diu werlt in werren lebet,
2251 Dâ von ist si werlt genant.
2252 Got in der werlde nie mêr vant
2253 Denne aht menschen die er liez
2254 Ûf erden leben, dô er hiez
2255 Die archen fliezen über al:
2256 Dô was der sînen zal vil smal,
2257 Von den wir alle sîn bekumen,
2258 Rîche und arme, bœse mit den frumen. -
XVI. Von armer leut klage v[e]b[er] di vo[e]gt.
2259 Zürnten wir armen immer und immer,
2260 Herren und vögte zerinnet uns nimmer:
2261 Doch vellet ir maniger in den dorn,
2262 Von swelhem geslehte si sîn geborn.
2263 Mit iuwerm urloub wil ich varn,
2264 Got müeze uns lîp und sêle bewarn!"
2265 Mit der rede schiet ich von in.
2266 Sît ich mit gotes hilfe bin
2267 Her ûz kumen an die strâzen,
2268 Der gebûr teidinc wil ich nu lâzen
2269 Und wil von andern liuten sagen.
2270 Ez endarf nieman von mir klagen
2271 Daz ich ze vâre ieman iht schrîbe,
2272 Denne daz ich die zît vertrîbe
2273 Mir selber und ouch andern liuten.
2274 Sölte diz büechelîn nieman triuten
2275 Denne der gar ân wandel wêr,
2276 Daz wêre mir selber entriuwen swêr.
2277 Ich rüere hie manige missetât,
2278 An der mîn sêle vil teiles hât:
2279 Ich enweiz von nieman alsô vil
2280 Als von mir selber, doch ich ez hil.
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Administration: Henrike Lähnemann Zuletzt geändert am 12.11.2004