XVI. Von den pfaffen i[n] der gemeine.
2281 Mich wundert waz der predigen wölte,
2282 Der niht die sünder rüeren sölte!
2283 Swaz man der werlde schrîbet gemeine,
2284 Swer sich des an nimt alterseine,
2285 Der wênt daz niht mêr tôren sî
2286 Denne er: sô wont im maniger bî
2287 Der vil mêre hât missetân,
2288 Und nimt sich doch der rede niht an,
2289 Diu manigen sünder mit im rüert
2290 Und in niht alterseine în füert.
2291 Vor tûsent jâren sint buoch geschriben,
2292 Bî den die sünder doch sint beliben
2293 Als si belîben wolten,
2294 Niht als si belîben solten.
2295 Sünder, zwîfeler, arger liute
2296 Hân wir leider gar vil hiute:
2297 Swer die könde iht guotes gelêren,
2298 Dâ mit er si möhte bekêren
2299 Von iren sünden, der têt vil wol.
2300 Nieman die sünder smêhen sol:
2301 Swer hazzet ir missetât und si niht,
2302 Der hât mit rehten dingen pfliht.
2303 Mînen herren den pfaffen in der gemeine
2304 Schrîb ich und nieman alterseine,
2305 Daz si der hôchfart ingesinde
2306 Niht wöllen sîn und ouch vil swinde
2307 Sich hüeten vor der gîtikeit:
2308 Wêrn si unkiusche, daz wêr mir leit!
2309 Si sint ein lieht der kristenheit,
2310 An die got gnâden vil hât geleit. -
2311 Ein dinc mîn herze niht enlobet:
2312 Swâ daz almuosen tobet
2313 Und niht ordenlîchen lebet
2314 Und swâ diu gotes gâbe strebet
2315 Wider got: sôgetân unbilde
2316 Machet kristen gelouben leider wilde.
2317 Kein hôchfart ist als unbillîch,
2318 Als die daz almuosen machet rîch
2319 Und in durch dêmuot wirt gegeben,
2320 Ob die haben hôchfertic, irdisch leben.
2321 Swâ beteler und ouch almuosenêr
2322 Mit worten und mit werken sint gevêr
2323 Ein ander, daz enzimt niht wol.
2324 Ob man die wârheit sprechen sol,
2325 Sô sölte Almuosen dêmüetic sîn:
2326 Got weiz alle guote pilgerîn.
2327 [Wer hât erloubet gotes boten
2328 Unzuht den leien ist verboten.]
2329 Swer nâch gotes gâbe strebet
2330 Und niht nâch gotes willen lebet,
2331 Der wil sîn sêle und ouch daz leben
2332 Üm irdisch êre und wollust geben.
2333 Almuosen nert manigen frumen pfaffen:
2334 Almuosen nert ouch tôrn und affen;
2335 Almuosen prediget, bîhtet, singet:
2336 Almuosen tanzet, reiet, springet;
2337 Almuosen wîhet und firmet:
2338 Almuosen gîget und schirmet;
2339 Almuosen manige sêle beheltet:
2340 Almuosen maniger unfuor weltet;
2341 Almuosen hât hôchfart, gîtikeit,
2342 Nît, zorn, unkiusche, frâz und lazheit;
2343 Almuosen manigen fürsten nert,
2344 Daz er in hôher wirde vert;
2345 Almuosen wirbet nâch hôher minne:
2346 Almuosen beroubet vil liute der sinne;
2347 Almuosen kan vil guoter rête:
2348 Ez triuget ouch ofte in klôster wête;
2349 Ez kan beide süenen und kriegen,
2350 Ez kan ouch liegen unde triegen;
2351 Almuosen kan lesen unde schrîben,
2352 Almuosen kan herzeleit vertrîben;
2353 Almuosen roubet unde stilt,
2354 Almuosen luodert unde spilt,
2355 Almuosen kan jagen ze gevelle,
2356 Almuosen füllet genuoc der helle,
2357 Almuosen pfaffen und leien pfliget,
2358 Erbe und eigen ez über diget;
2359 Almuosen bekennet sîn selbes niht,
2360 Als man ofte hœrt und siht:
2361 Wölte Almuosen wizzen waz ez wêr,
2362 Vil maniger untugent ez enbêr;
2363 Die wîle ez lebt, und niht verstêt
2364 Wâ von Almuosen sî genant,
2365 Almuosen kan übel unde guot
2366 Der nimt vür golt griez unde sant:
2367 Got gebe daz manz verdiene alsô,
2370 Daz lîp und sêl sîn immer frô!
2371 Doch wizzet, und wêr Almuosen niht,
2372 Daz unser geloube schier würde enwiht:
2373 Swie manz ouch neme, swie manz verzer,
2374 Sô wirt diu werlt doch sîn vil mêr
2375 Gebezzert denne si sîn verderbe.
2376 Waz sol grôz eigen und erbe
2377 Allen kristenliuten ûf erden,
2378 Ob si niht teilhaft wölten werden
2379 Des erbeteiles in himelrîche
2380 Mit gotes kinden êwiclîche?
2381 Pfaffenfürsten habent vil mêr sorgen
2382 Beide den âbent und den morgen
2383 Üm werltliche platener
2384 Denne üm geistliche blatener:
2385 Sus hât sich manic dinc verkêrt.
2386 Swer mînnet, daz in diu werlt êrt
2387 Mêre denne got, der ist ein tôr:
2388 Swie lange diu werlt in treit enbor,
2389 Sô muoz er doch ze miste werden
2390 Als wir armen in der erden.
2391 Manic herre mit fride gerne lebte,
2392 Der mit nîde niht wider in strebte:
2393 Daz zêm allen herren wol.
2394 Ob man die wârheit sprechen sol,
2395 Sô sölte kein pfaffe mit leien strîten:
2396 Nu müezen si vil mêre gerîten,
2397 Wâ si liute und lant beschirmen
2398 Denne wâ si predigen, wîhen, firmen.
2399 Harnasch, schützen, schœniu pfert,
2400 Helm, schilt, kolben unde swert
2401 Sint manigen prêlâten nu sô wert,
2402 Daz selten ir keiner gert
2403 An zesehen wie er stê
2404 An sînem insigel, und wie er gê,
2405 Sô er kirchen wîhet und pfaffen
2406 Und manic mensche an in muoz kaffen
2407 Als ob er ein engel sî!
2408 Ist denne niht süeziu andâht dâ bî,
2409 Daz sî dir, herre got, geklaget,
2410 Ob werltlich êre in baz behaget
2411 Denne diu hôhe wirdikeit,
2412 Die du hâst an si geleit.
XVII. Von einem hu[n]gerigen fuhs.
2413 Einen fuhs hie vor der hunger twanc,
2414 Des nam er manigen krummen swanc.
2415 Jedoch ze jungest sach er daz
2416 Ein rabe ûf einem boume saz,
2417 Der hete einen kêse in sînem munde.
2418 Der fuhs sprach ze der selben stunde:
2419 "Ô rabe schœne und edellîch,
2420 Dem wîzen swanen bistu gelîch!
2421 Vor allen vogeln man dich sol
2422 Prîsen, ob du singest wol!"
2423 Mit lobe er in betoubte:
2424 Der rabe im des geloubte
2425 Und sanc, daz er im wol geviel.
2426 Der kêse im ûz dem munde dô viel,
2427 Den zucte der fuhs und lief hin dan:
2428 Mit valschem lobe er in gewan.
2429 Nu wizzet, daz wir noch der raben
2430 Vil manigen in der werlde haben,
2431 Die frum sich dunkent unde schœne:
2432 Sölte man die nâch ir tugenden krœne,
2433 Man sezte in ûf eines esels satel
2434 Oder ein gehürne, daz ein hatel
2435 Wîlent ûf ir houbte truoc;
2436 Dâ mit sî der rede genuoc.
2437 Doch sült ir wizzen, daz überigez guot
2438 Verkêrt beide pfaffen und leien muot.
2439 Grôz fülle hât manige missetât,
2440 Der kummer und armuot niht enhât,
2441 Wenne aller der werlde unsêlikeit
2442 Kumt von grôzer unmêzikeit.
2443 Lât tûsent pfaffen wîhen hiute,
2444 Dennoch sint si in menschen hiute
2445 Und sint als ich fleisch und gebeine:
2446 Diu wîhe machet ir keinen reine
2447 Denne die der wîhe ir reht behaltent
2448 Und pfeffelicher zühte waltent.
2449 Hât ein pfaffe tumme site,
2450 Dâ ergert er vil liute mite,
2451 Wenne der pfaffe ist als ein zil
2452 Zu dem man schiuzet: sît gar vil
2453 Volkes wartet ûf sîn leben,
2454 Dâ von sol er stên vil eben
2455 Und sol der werlde guot bilde geben
2456 Und bœsen dingen wider streben;
2457 Wenne siben sünde heimlich
2458 Sint minner sünde denne offenlich
2459 Einiu, von der ein mensche ûf erden
2460 Oder zwei geergert mügen werden.
2461 Unserm herren sint lieber reiniu wort
2462 In heizer riuwe mit süezer andâht
2463 Denne aller der werlde legerhort
2464 Mit grôzen untriuwen zesamen brâht.
2465 Swelch pfaffe sîn volc unreht lêrt
2466 Und die heiligen schrift unêrt,
2467 Der muoz antwürten vür die alle,
2468 Die von im kument ze tôdes valle.
2469 Pârîs, Padouwe, Orlêns, Salerne,
2470 Bonônie, Tholêt und ouch Berne
2471 Und alle stete über alliu lant,
2472 Dâ Jesus Cristus ist bekant,
2473 Lêrnt die pfaffen daz si sîn
2474 Der werlde spiegel und ir schîn
2475 An kiusche, an zuht, an mêzikeit,
2476 An trîuwe und an bescheidenheit,
2477 An allen tugentlichen dingen:
2478 Nu siht man leider ir manigen ringen
2479 Nâch wollust und nâch gîtikeit
2480 Mêr denne nâch barmherzikeit.
2481 Des dunket manigen er sî berâten,
2482 Den der tiufel hât verrâten,
2483 Mit zwein pfarren oder mit drîn:
2484 Er möhte vil lieber ein armman sîn
2485 Immer in gotes liebe ûf erden,
2486 Denne daz er rite ûf hôhen pferden
2487 Und wider got trüege schœniu kleider:
2488 Des ahtet maniger wênic leider.
2489 Vil bezzer wêre ân sünde grâ
2490 Getragen denne mit sünden blâ.
2491 Swer brûn, gel treit, grüen oder rôt
2492 Mit sünden biz an sînen tôt,
2493 Der möhte vil lieber einen groben sac
2494 An im tragen naht und tac
2495 In gotes dienste, denne daz er wölte
2496 Sich anders kleiden denne er sölte.
2497 Pfaffen süln gar mêzic wesen
2498 An kleidern, an koste, als ich gelesen
2499 Hân von in, und süln uns armen
2500 Helfen und sich über uns erbarmen.
2501 Sant Bernhart hât von in gar vil
2502 Geschriben, des ich niht diuten wil.
2503 Ouch wizzet daz manigen süezen rât
2504 Der liebe sant Gregôrius hât
2505 In der hirten buoche gegeben
2506 Allen pfaffen, wie sie leben.
2507 Ir decretâl und ir decrêt
2508 Vil schôn vor in geschriben stêt:
2509 Swer der lêre niht volgen wil,
2510 Den dunket mîns klaffens schier ze vil.
2511 Man rechent, waz pfrüende und pfarre gelten,
2512 Der sêle gedenket man aber selten,
2513 Durch die si beide sint gemacht:
2514 Der enwirt etwâ niht wol gedâht.
XVIII. Ein rede vo[n] Noe vn[d] vo[n] d[er] vntrewe dez raben vn[d] d[er] tauben trewe.
2515 Ûz der archen wîlent liez
2516 Einen raben her Nôê, den er hiez
2517 Den gevangen bringen liebe mêre,
2518 Ob daz güse verflozzen wêre.
2519 Der rabe der botschaft gar vergaz,
2520 Dô er ein âs vant, des er âz:
2521 Lützel triuwe het er hin wider,
2522 Wenne er beleip ûze und liez sich nider.
2523 Mich dunket daz wir noch der raben
2524 Bî uns genuoc ûf erden haben,
2525 Die bî dem âse sint belegen
2526 Und wênic triuwen gein den pflegen,
2527 Durch die man si hât ûz gesant:
2528 Si sint an namen uns wol bekant.
2529 Sant Gregôrius uns allen hât
2530 Alsus geschriben an einer stat:
2531 "Ez sî der alte, ez sî der junge,
2532 Swes leben ist ân rehte ordenunge,
2533 Der verliuset ouch die gerehtikeit
2534 Sîner rede von zageheit."
2535 Dâ von sprach meister Senecâ
2536 An einer stat und ouch anderswâ:
2537 "Niht machet sô zagehaften muot
2538 Als strâfbêrs lebens gewizzen unguot."
2539 Als manigen menschen hâstu erslagen,
2540 Als manigen du bî dînen tagen
2541 Mit bœsem bilde hâst verkêrt,
2542 Als sant Gregôrius uns alle lêrt.
2543 Nu merket waz ouch geschriben hât
2544 Sant Bernhart an einer stat:
2545 "Manic sêle leider wirt verlorn,
2546 Die nieman suochet, daz ist mir zorn:
2547 Wirt aber verlorn ein esellîn,
2548 Nâch dem loufet man ûz und în."
2549 Dar an gedenkent manige niht,
2550 Die man nâch pfarren und pfrüenden siht
2551 Und nâch prêlatûren streben,
2552 Als ob si immer süln leben.
2553 Dâ von muoz ich ein mêre iu sagen,
2554 Des enlât iuch niht betrâgen:
XVIII. Ein mer vo[n] eine[m] weisen man
2555 Ein wîser man in unkreften lac,
2556 Wenne im kumen was der tac
2557 Daz er niht lenger solte leben.
2558 Hin und her hiez er dô geben
2559 Sîn guot durch got, als manige liute
2560 An irm tôtbette tuont noch hiute.
2561 Einen sun het er, dem gab er dô
2562 Zehen marc und sprach alsô:
2563 "Vil lieber sun, behalt an mir
2564 Dîn triuwe und lâ diz guot bî dir
2565 Ligen, biz daz dir werde bekant
2566 Der grœste tôr über elliu lant:
2567 Dem gib ez und gedenke dâ bî mîn!"
2568 Der sun sprach: "Vater, daz sol sîn!"
2569 Nâch der rede der man verschiet.
2570 Sîn sun sich manic jâr beriet,
2571 Wem er daz silber möhte geben.
2572 Man sagte im manic tummez leben
2573 Maniges tôren hin und her,
2574 Von jenem dirre, von disem der:
2575 Dâ kêrt er sich doch lützel an.
2576 Ze jungest kam ein fremder man
2577 Von verren landen, den frâget er
2578 Waz herren in sînem lande wêr.
2579 Der sprach: "Wir haben alliu jâr,
2580 Herre, einen künic, daz ist wâr.
2581 Der tuot allez daz er wil
2582 Nâch sînem geluste, biz an daz zil
2583 Daz sîn jâr ein ende hât,
2584 Sô tritet ein anderre an sîn stat:
2585 Jeme sleht man ab daz houbet.
2586 Ob ir des niht geloubet,
2587 Herre, sô vart mit mir dar
2588 Und nemt der wârheit selber war.
2589 Wir kumen inz lant wol ûf die zît
2590 Sô der künic tôt gelît:
2591 So geseht ir, ob sîn iuch gezimt,
2592 Daz daz rîche ein ander nimt!"
2593 Der jungelinc fuor mit im dâ hin.
2594 Dô liez der man schier sehen in,
2595 Wie ez dem alten künige ergienc
2596 Und daz ein ander daz rîche enpfienc.
2597 Zuo dem gieng er unde sprach,
2598 Dô er in gekrœnet sach.
2599 "Nim hin mînes vater sêlgerête!
2600 Ich enwânte niht daz diu werlt hête
2601 Sôgetân tôren noch behalten!
2602 Waz êren wiltu dar nâch walten,
2603 Sô dir daz houbt wirt abgeslagen?"
2604 Diz bîspel mac man den wol sagen,
2605 Die durch êre und durch wollust
2606 In die êwigen verlust
2607 Sich êwiclichen senkent
2608 Und wênic dar an gedenkent,
2609 Daz lîp und guot, fröude und guft
2610 Sint als ein nebel und als ein tuft.
2611 Swer die sêle wâget üm den lîp
2612 Und sêle und lîp üm êre und wîp,
2613 Der nimt verre bœsern gewin
2614 Denne ob er nême vür silber zin:
2615 Wenne er verdienet hie gotes zorn
2616 Und vellet ouch leider in den dorn.
XIX. Vo[n] den pfaffen besunder.
2617 Swenne ein pfaffe stirbet,
2618 Zehant ein anderre wirbet
2619 Üm sîn künicrîche
2620 Und lebt als effenlîche
2621 Als sîn vorvar hât getân:
2622 Bœse bilde nimt diu werlt dâr an.
2623 Wenne manic pfaffe hât siben pfarre
2624 Und ist dennoch sô gar ein narre,
2625 Der im noch eine lihe oder zwuo,
2626 Er nême vil lîhte ouch si dar zuo:
2627 Diz ist hôchfart und gîtikeit,
2628 Die tuont der werlde manic leit.
2629 Ist ieman sô tump daz er gedenket,
2630 Swenne er sîn herze in zwîfel senket:
2631 "Lebe dir sanfte und bis ein narre
2632 Und habe drî pfrüende und siben pfarre
2633 Lieber denne daz du kummerlich
2634 Müezest leben und unêrlich
2635 Dîner friunde halp und dîns guotes":
2636 Ân zwîfel der ist vil krankes muotes
2637 Denne jener, der roubet unde stilt
2638 Und sîn tât mit vorhten hilt.
2639 Swer ez wil rehte merken hiute.
2640 Sô lebent noch die tiursten liute,
2641 Die von Adâms zîten ie
2642 Wurden geborn, nu merket wie:
2643 Ist der niht ein frumer man,
2644 Der vier ampt wol verrihten kan?
2645 Swer denne siben pfarre hât
2646 Und drî pfrüende ân missetât,
2647 Ân zwîfel den sol nieman schelten.
2648 Man vant die selben wîlent selten,
2649 Nu vindet man ir genuoc ûf erden.
2650 Si varent billich in hôhen werden,
2651 An die sô grôziu wîrdikeit
2652 Geleit ist durch ir frümekeit.
2653 Ich hân ir mêre denne drî gesehen,
2654 Die wêrlich mir niht konden verjehen
2655 Welch heilige in iren kirchen wêr
2656 Houbtherre: wem sölte daz niht sîn swêr,
2657 Daz si der heiligen als lützel ahten
2658 Und doch den nuz sô wol betrahten,
2659 Der von pfrüenden und von pfarren gêt?
2660 Dester wirs ez in der werlde stêt.
2661 Manic münich vil ofte gerne wêr
2662 Abt, kelner, küster und bursenêr
2663 Durch gotes liebe niht sô vil
2664 Als daz ich nu niht nennen wil.
2665 Ze hofe ouch ofte gern einer wêr
2666 Cappellân, schrîber und kamerêr,
2667 Daz er aleine ûf sölte heben
2668 Des drî ze rehte sölten leben.
2669 Manic wîp wölte ouch aleine sîn
2670 Amme, dierne und kelnerîn,
2671 Daz si aleine sölte besliezen
2672 Des zwei wîp mit ir sölten niezen.
2673 Manic burger ouch ofte gerne wêr
2674 Schepfe, bütel und rihtêr,
2675 Daz im der biutel würde swêr,
2676 Ob alle biutel würden lêr.
2677 Swelch schütze rêmet, spennet, schiuzet,
2678 Ob der sîns dienstes niht geniuzet,
2679 Den mac sîner arbeit wol verdriezen:
2680 Swer dient ouch gern, er wölles geniezen?
2681 Durch sippe, durch vorhte, durch miete, durch liebe
2682 Wirt manic lêhenherre ze diebe
2683 Gein sîn selbes sêlikeit,
2684 Swenne er ûf einen menschen leit
2685 Des vier mit êren sich betrüegen,
2686 Den rehter mâze wölte benüegen.
2687 Ein mensche ist vil baz êren wert
2688 Denne anderre vier hiur als vert.
2689 Man mac ein grôz ros überladen,
2690 Daz ez vellet und nimt schaden.
2691 Alter liute und pfaffen gîtikeit
2692 Ist sünde und schande und affenheit.
2693 Rite ein grâ man ûf und abe
2694 Mit kleinen kinden ûf einem stabe
2695 Und spilte gerade und ungerade
2696 Und gienge mit in ze wazzerbade
2697 Und hülfe in machen hiuselîn
2698 Und bünde zwei kleiniu miuselîn
2699 An ein wegelîn mit in,
2700 Sô sprêche wir: "Seht wie tummen sin
2701 Der alte man hât!" Vil grœzer affe
2702 Ist vor gote ein gîtic pfaffe:
2703 Wenne pfaffen guot ist armer liute
2704 Nâch der heiligen schrift bediute,
2705 Daz si tumplich niht süln verzern:
2706 Si süln sich mit den armen nern
2707 In gotes liebe ze rebter wîse
2708 An gewande, an trinken und an spîse;
2709 Ir keiner sol ouch guot în schatzen,
2710 Daz in die tiufel her nâch iht kratzen.
2711 Ez sîn die wîsen oder die tummen,
2712 Swer hât gelesen der laster Summen
2713 Und der tugende, der vindet dâ wol
2714 Waz er tuon und mîden sol.
2715 Ein dinc von herzen übel zême:
2716 Swer dâr üm ein frouwen nême,
2717 Daz ein ander bî ir lêge
2718 Und an sîner stat ir pflêge.
2719 Swer pfarre und pfrüende gelîche teilte,
2720 Vil maniges herzen wunden er heilte,
2721 Und würde vil manic sêle gesunt,
2722 Diu sust vert in der helle grunt.
2723 Swelch arzet niht pfliget als er sol
2724 Sînes siechen, den bilft niht, swie wol
2725 Er sîn lôn hin nâch verzert.
2726 Swer lôn nimt und sich dienstes wert,
2727 Dem sint zwuo genâde von gote beschert
2728 Ob er von heil ze sêlden vert.
2729 Man wîhet leider manigen priester,
2730 Dem vil baz zême daz er zwei riester
2731 An einem pfluoge sölte haben
2732 Denne daz er die buochstaben
2733 Unordenlich zesamen rücket,
2734 Sô er diu wörter under zücket
2735 Und über si rumpelt unde loufet
2736 Swenne er betet, singet, toufet,
2737 Und vil lützel ouch verstât
2738 Waz kelch, alter, messewât,
2739 Patên und corporâl bediuten,
2740 Kriuze in der messe, daz manigen liuten
2741 Vol süeze andâht gein gote mechte,
2742 Swer ez könde verstên ze rehte.
2743 Durch liebe, durch gâbe, durch vorhte nieman
2744 Sol pfaffen wîhen noch pfarre in lân
2745 Denne durch got, durch zuht, durch kunst,
2746 Durch ordenliches lebens gunst.
2747 Von dirre materie muoz ich treten,
2748 Ich enkan und sol si niht durch jeten.
2749 Swer gotes gâbe mit gote hât,
2750 Des sêle wirt dester bezzer rât.
2751 Drî gâbe sint doch vil wol bekant,
2752 Die zunge, dienst und ouch diu hant
2753 Manigen herren reichent,
2754 Mit den si si erweichent.
2755 In unserm lande des niht geschiht,
2756 Dâ von wizzen wir dâr üm niht.
2757 Daz wizzen die wol, die des pflegent,
2758 Die schande und êre gelîche wegent. -
2759 Sol man nu die wârheit sagen,
2760 Sô wart kein münze nie geslagen
2761 Daz die pfenninge alle gelîch
2762 Swêr und guot wêrn sunderlîch.
2763 Sölten guote pfenninge zehant engelten
2764 Der bœsen, sô bestüende kein münze selten.
2765 Swenne der valsch nimt über hant,
2766 So verderbet diu münze liute und lant
2767 Nu gît uns einen hôhen trôst
2768 Sîn güete, der uns hât erlôst.
2769 Hête ein priester ûf im aleine
2770 Aller werlde sünde gemeine,
2771 Dennoch wêr diu messe reine,
2772 Wenne sîn missetât schadet ir kleine.
2773 Frische brunnen ûz rinnen fliezent,
2774 Die boume, krût und gras begiezent
2775 Und manic unflât machent reine.
2776 Alein wir doch die rinnen keine
2777 Fruht in selber sehen gebern,
2778 Doch mac man ir niht wol enbern:
2779 Si sint uns nütze, in selber niht.
2780 Den priestern rehte alsam geschiht,
2781 Ûz der munde der kristenheit
2782 Fliezent die siben heilikeit:
2783 Der priester sünde schadet uns niht,
2784 Genâde von got aleine geschiht.
2785 Hât ein herre einen amptman,
2786 Dem er vil lîhte sînes amptes gan
2787 Ze langer oder ze kurzer frist:
2788 Ob der amptman ungenême ist,
2789 Sölte sîn ampt dâ von gemeine
2790 Widerzême sîn und unreine?
2791 Daz diuhte uns alle gar unbillîch.
2792 Alein die priester sîn ungelîch,
2793 Doch ist ir aller ambet reine
2794 Von den genâden, die got aleine
2795 In hât bevolhen uns ze geben
2796 Und in ze heile, die rehte leben.
2797 Von den boumen nieman fliuhet,
2798 Ir obez ouch selten ieman schiuhet,
2799 Die ein ûzsetzic mensche hât
2800 Gebelzet: und sölte des selben unflât
2801 Den boum unreine ouch machen,
2802 Daz kêm von wunder sachen.
2803 Ein kerze ir selber ze nihte wirt,
2804 Sô si den liuten lieht gebirt.
2805 Unser herre erhœrt doch guoter liute
2806 Gebet vil ê denne sünder hiute.
2807 Wizzet daz sîn sêlde wirt gemêrt,
2808 Swer geistliche liute und pfaffen êrt
2809 In gotes liebe ân valschen wanc.
2810 Dâ von sprach her Frîdanc.
2811 "Êrt ritter, frouwen und pfaffen,
2812 Wenne si got ze êren hât geschaffen".
2813 Alein ir genuoc valle ûf den dorn
2814 Der hôchferte, doch sint si erkorn
2815 Daz wir durch got si süln êren
2816 Und volgen irn guoten lêren. -
2817 Swer fürsten panier füeren sol
2818 In herten strîten, der bedarf wol
2819 Daz er sich vaste wider habe
2820 Und ûf einem starken rosse drabe,
2821 Und daz er gar wol rîten künne,
2822 Der tropel sî dicke oder dünne:
2823 Wenne dem venre wirt vil mêr
2824 Nâch gevolget in dem her
2825 Denne andern mannen hundert.
2826 Swen denne vil lîhte wundert
2827 Daz der tiufel und allez sîn her
2828 Ûf einen pfaffen wartent mêr
2829 Denne ûf hundert leien,
2830 Dern gehôrte nie vogelîn in dem meien.
2831 Die pfaffen Cristes venre sint,
2832 Nâch den die alten und ouch diu kint
2833 Sich rihten in der werlde strîten:
2834 Got gebe, daz si uns wol vor rîten!
2835 Der heilige prophête Malachias
2836 Sprach von den priestern, als ich las:
2837 "Des priesters lefse süln künste walten,
2838 Wenne die jungen mit den alten
2839 Süln daz reht ûz sînem munde
2840 Vordern billich ze aller stunde:
2841 Wenne er ist des herren bote,
2842 Dem alle herren nâch sînem gebote
2843 Müezen undertênic wesen".
2844 Von priestern hân ich vil gelesen
2845 Êren und hôher wirdikeit,
2846 Die got hât an si geleit
2847 Vor sîner gebürte manic jâr:
2848 Die priester nâmen aleine war
2849 Stern, kelber und bockes bluotes:
2850 Swaz irm volke dâ von guotes
2851 Mohte kumen, daz weiz man wol.
2852 Sît aber diu werlt nu alliu vol
2853 Ist gotes barmherzikeit,
2854 Der die hôhen wirdikeit
2855 Sîner ungemezzen gotheit
2856 Ze menschlicher brœdikeit
2857 Hât gemischet minneclich
2858 Und sich die priester williclich
2859 Handeln lêt durch sîne güete,
2860 Sô dunket mich daz der mensche wüete
2861 Und sî an gotes liebe lam,
2862 Der priester unêrt und ist in gram.
2863 Die priester gelîchet man den hunden.
2864 Wenne hundes zungen heilent wunden:
2865 Alsô sol des priesters heilsam zunge
2866 Rîche und arme, alte und junge
2867 Mit trôste heilen und salben linde
2868 Und niht mit zwîfel schrecken swinde:
2869 Sô tuot er als vor hât getân
2870 Der barmherzige Samaritân,
2871 Der wîn und öle gôz in die wunden
2872 Die frisch dô wâren und ungebunden
2873 Des mannes, der bî Jerichô
2874 Halp tôt lac und ouch vil unfrô.
2875 Von der materie hêt ich vil
2876 Ze sagen, dem setze ich ein zil:.
2877 Und von dem hunde sölte ich mêre
2878 Iu schrîben und von des priesters êre
2879 Und wie die siben heilikeit
2880 Ûf halten alle die kristenheit:
2881 Die rede lâze ich under wegen:
2882 Sölte ich si nâch irem werde wegen,
2883 Sô würde mîn tihten gar ze lanc.
2884 Nie kein man sô wol gesanc,
2885 Wölte er sich singens niht erlouben
2886 Man sprêche: wie lange wil der uns touben?
2887 Nu sül wir aber vürbaz rennen
2888 Und unsern herren baz erkennen.
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Administration: Henrike Lähnemann Zuletzt geändert am 13.07.2004