XXXVIII Ein gemein rede vo[n] geitigen vn[d] vo[n] raubern vn[d] vo[n] bo[e]sen wirten.

5697 Die heiligen schrift muoz ich hie trennen
5698 Und wil ein wênic vürbaz rennen
5699 Von der gîtikeit ingesinde,
5700 Wenne ich si doch hin nâch wol vinde.
5701 Den wirten sül wir urloup geben,
5702 Got gebe daz si mit êren leben!
5703 Mit kurzen worten sül wir rüeren
5704 Ein gemeine rede und dar nâch in füeren
5705 Rouber, diebe und ander liute,
5706 Die der gîtikeit dienent hiute.
5707 Wer wart ie grîs oder wîser man,
5708 Der tumlich nie vor hête getân?
5709 Kein mensche wart nie sô tugentrîch,
5710 Ez tuo etswenne untugentlîch:
5711 So enwart nie mensche sô sinnenrîch,
5712 Ez tuo etswenne unsinniclîch.
5713 Swer unsers herren willen tuot,
5714 Der hât sinne, êre und guot.
5715 Wîlent lobte man guoter liute leben
5716 Und merkte ir wort und ir werc eben:
5717 Sô spottet man ir nu, swâ si gênt;
5718 Tôrn ein ander bî gestênt.
5719 Swer nu wil sîn ein frumer man,
5720 Den muoz ez gar sûr kumen an,
5721 Wenne er muoz sîn der werlde grûwe
5722 Und muoz sich riuhen als ein hûwe
5723 Und muoz mit vorhten gên, stên, sitzen.
5724 Süln in ander liute entsitzen.
5725 Swer friunde aber hât, lîp und guot,
5726 Ob den aleine sîn kranker muot
5727 Swachet und gar drücket nider:
5728 Wer mac den ûf gerihten wider?
5729 Swer gedenken noch gedanken kan
5730 Guottête, der ist ein kranker man.
5731 Salz, îsen, blî und nazzen sant
5732 Trüege man vil senfter über lant
5733 Denne sôgetâner muotwiller untât,
5734 Der nu diu werlt manigen hât.

XXXIX. Von d[er] aglest[er]n vn[d] vo[n] d[er] tauben.

5735 Ein agelaster ein tûben sach
5736 Schône vor ir gên, ze der si sprach:
5737 "Frou tûbe, lêrt mich iuwern ganc,
5738 Des wil ich immer iu sagen danc!"
5739 Diu tûbe sprach: "Daz tuon ich gern:
5740 Seht vor, ob ir in müget gelern!"
5741 "Jâ" sprach si "nu gêt mir vor,
5742 Sô trit ich eben in iuwer spor!"
5743 Daz tet diu tûbe; diu agelaster
5744 Wânte ir gewonheit wêr niht laster:
5745 Swar si spranc, lief oder gienc,
5746 Vil manigen irren swanc si vienc.
5747 Ir zagel fuor ûf und nider,
5748 Sô bickte ir snabel ouch her wider
5749 Beidenthalben bî den wegen.
5750 "Wölt ir der alten bicke pflegen",
5751 Sprach diu tûbe, "waz sölte mîn ganc
5752 Und daz ich iu diene âne danc?"
5753 Diu agelaster hin wider sprach:
5754 "Lât mich vor gên und gêt ir nâch,
5755 Sô merket ir baz, waz mir wirret
5756 Und waz mich iuwers ganges irret."
5757 Si gienc nâch oder gienc vor,
5758 Irn œden zagel truoc si enpor
5759 Und bicket ir snabel hin und her.
5760 Mit disem bîspel ich wol bewêr
5761 Muotwillige frouwen und klôster liute
5762 Und alle tôren, die noch hiute
5763 Leben wöllen nâch irem willen:
5764 Welch zuht kan der unzuht gestillen?
5765 Manic mensche sich ofte an sêlden swachet,
5766 Swenne ez sich selber zinshaft machet
5767 Dem tiufel, des lîp und sêle wêre frî,
5768 Wonte im niht kranc gemüete bî.
5769 Der tiufel züge uns selten nider,
5770 Sezte wir uns vesticlîchen wider:
5771 Wenne ich daz wol gemerket hân,
5772 Daz mich der tiufel selten kan
5773 Der dinge slâfende über gên,
5774 Den ich des tages wider stên.
5775 Âne sache nimmer niht geschiht.
5776 Swelch mensche sîn selbes gewizzen ansiht,
5777 Der hât immer rihters genuoc.
5778 Sô swinde nie kein wurm genuoc
5779 Alz der gewizzen, die niht sint
5780 Verzwîfelt noch gein gote blint.
5781 Swelch mensche des sîn herze went
5782 Daz ez sich nâch gotes liebe sent,
5783 Daz hœrt ouch gerne gotes wort:
5784 An den lît süezer mînnen hort.
5785 Wie sölte des leben mir sîn bekant,
5786 Der nimmer würde vor mir genant?
5787 Wer kan der heiligen tugent bekennen,
5788 Er lâze denne ofte si vor im nennen?
5789 Swer mir wêr von herzen trût
5790 Beide verholn und über lût,
5791 Vil selten ich des vergezzen sölte:
5792 Swer friuntlich von im kôsen wölte,
5793 Ungern ich verre von dannen gienge
5794 Biz ich sîn rede gar wol vervienge.
5795 Als tête ouch der, dem got liep wêr:
5796 Dem würde diu zît vil selten swêr,
5797 Swie lange man von im sünge oder sagte,
5798 Wenne im diu kurzwîle wol behagte.
5799 Nieman sol dâ von gote kôsen,
5800 Dâ er die rede im hœrt verdôsen:
5801 Da belibet sîn lêre gar âne danc.
5802 Dâ von sprach her Frîdanc:
5803 "Swer berlen schüttet vür diu swîn,
5804 Die mügen unlange rein sîn."
5805 Manic man guot dinc gerne lêrte,
5806 Der sîn lêre im niht verkêrte:
5807 Wenne swie vil man den gouch lêrt,
5808 Sîn guckucken er doch niht verkêrt.
5809 Singen, sagen und seiten klanc
5810 Üebent ir ampt gar âne danc
5811 Vor den, die kurzwîle niht ahtent
5812 Und nâch andern dingen trahtent,
5813 Diu doch et.swenne unnütze sint:
5814 Swelch mensche wil wesen gotes kint,
5815 Daz bezzert bî den drin sîn leben.
5816 Swer die schrift verstên kan eben,
5817 Der vindet künic Davîdes harpfen klanc
5818 Und wie manic springer vor im spranc
5819 In gotes dienste, sô er got lobte:
5820 Swer daz nu tête, man sprêche er tobte,
5821 Als dô künic Davîd nackent spranc
5822 Vor gotes archen, des keinen danc
5823 Michol, künic Sauls tohter, im dô sagte,
5824 Wenne ir sîn springen niht behagte.
5825 Singer, sager hab wir doch,
5826 Die gote ûf erden dienent noch:
5827 Der dienste manic sêle geniuzet.
5828 Doch vindet man die die sîn verdriuzet.
5829 Man mestet swîn mit klien und eicheln
5830 Und swendet drüse mit nüehtern speicheln :
5831 Tôren mestet lop und smeichen,
5832 Gotes wort herte herzen kan weichen.
5833 Singen, sagen und seitenspil
5834 Tuont frumen und ouch schaden vil.
5835 Si füegent übel unde guot,
5836 Als der mensche ist denne gemuot.

XXXIX Von seiten spil.

5837 Swelch herze seitenspil trûric vindet,
5838 Hât daz iht fröuden, diu verswindet;
5839 Swelch ez aber frœlich vindet,
5840 Hât daz iht trûren, daz verswindet:
5841 Liep und leit kan ez gemêren
5842 Der werlde oder got von himel ze êren.
5843 Swer inneclich an got gedenket
5844 Sô man seiten vor im klenket,
5845 Wêr ich des meister, ich liez in selten
5846 Sôgetâner kurzwîle engelten.
5847 Selten ieman nu schimpfes gert.
5848 Bî sûren herzen ist harpfen unwert.
5849 Swer sûren herzen süezen sanc
5850 Singet, der dient in ân allen danc.
5851 Mit der schrift ich wol bewêre:
5852 Ob ein mensche beheftet wêre,
5853 Daz der vînt ez nimmer betrüebte
5854 Die wîle man seitenspil vor im üebte:
5855 David und Saul sint des geziuge
5856 In der.schrift, daz ich niht liuge.
5857 Harpfen, rotten und gîgen
5858 Wil süeze andâht, zuht und swîgen .
5859 Urliuge wil toben und schrîen,
5860 Bûden, swegeln und schalmîen.
5861 Swen seitenspil sô frœlich machet,
5862 Daz er schimpfet, tanzet und lachet
5863 Durch werltlicher fröuden glanz,
5864 Des herze ist niht gein himel ganz.

XXXIX. Von d[er] orgeln do[e]ne.

5865 Diu kristenheit noch orgeln hât
5866 An des seitenspiles stat,
5867 Daz wir an der engel dôn
5868 Gedenken, swenne ein blî sô schôn
5869 Ûf erden bî uns hillet:
5870 Got herre von himel, wie schillet
5871 Mit êwigen fröuden denne dîn sal
5872 Von heiligen und engeln stimme ân zal:
5873 Daz könde nie menschen sin durch gründe
5874 Noch menschen munt ze rehte uns künde!

XL. Von heyligen bu[o]chen.

5875 Swem sanft mit heiligen buochen wêre,
5876 Der benême im selber manige swêre
5877 Und fünde vil manige süeze lêre,
5878 Der lîp und sêle hêt frumen und êre.
5879 Waz sol der market, den nieman suochet?
5880 Waz sol diu kunst, der nieman geruochet?
5881 Waz töhte silber unde golt
5882 Und gimme, wêre im nieman holt?
5883 Waz süln diu buoch, diu nieman list?
5884 Diu sint noch unnützer denne mist.
5885 Mist manigen magern acker tünget,
5886 Daz er fruht bringet und sich jünget:
5887 Alsô sölten die sêle getünget werden
5888 Von hôher meister lêre ûf erden :
5889 Die fünde man in vil manigen buochen,
5890 Der si mit flîze wölte suochen.
5891 Nu sint si leider worden unwert:
5892 Des stêt ez hiur wirs denne vert,
5893 Sît milwen, holzwürme und schimel
5894 Nagent der buoch, der sêle ze himel
5895 Vor gote vil hôhe sint erhaben.
5896 Werden mîn buoch mit mir begraben
5897 Wem schadet oder frumte daz ?
5898 Diu werlt ist leider nu sô laz,
5899 Daz aller der dinge si verdriuzet
5900 Der unser körper niht geniuzet.
5901 Swâ mit man die sêle sol
5902 Spîsen, des enbêre wir wol.
5903 Wer gesach ie sêle trinken oder ezzen?
5904 Wir süln des lîbes niht vergezzen,
5905 An dem verlust stêt und gewin.
5906 Got gibt die sêle, der neme si ouch hin!
5907 Er hât bevolhen alle sêle
5908 Sînem hôhen engel sant Michahêle,
5909 Daz er ir keine lâze under wegen :
5910 Sô muoz der lîp sîn selbes pflegen.
5911 Alsô wirt leider diu heilige schrift
5912 Den liuten bitter als ein gift,
5913 Die gar noch sint der werlde kint :
5914 Die machet diu werlt gein gote blint.
5915 Diz hât künic Davîd ofte gerüert
5916 Und manic heilic man volfüert.
5917 Swer diz wil suochen in iren buochen,
5918 Der vindet beide segen und fluochen.
5919 Swer daz allez wölte bringen ze diute,
5920 Der machte im friunde und vînde hiute.
5921 Ich renne einez hin. daz ander her,
5922 Daz ist einem liep, dem andern swêr.
5923 Mîns sagens maniger wol enbêr:
5924 Dem nieman gram ûf erden wêr,
5925 Der müeste âne sêle ein bilde sîn.
5926 Wir sehen daz ofte ein kindelîn
5927 Niht wil ezzen und izzet durch haz,
5928 Swenne man sprichet ,,wem gib ich daz" ?
5929 Wie sölten wir got wesen liep?
5930 Dirre ist ein rouber, der ein diep,
5931 Der ist unkiusche, dirre ein frâz,
5932 Jener unküste ein vollez vaz,
5933 Der ist nidisch, dirre unertic.
5934 Dirre ist gîtic, jener hôchfertic,
5935 Der ist mordisch und ist freidic.
5936 Dirre ist triuwelôs und meineidic,
5937 Und der ouch gar âne wentellîn
5938 Sol sîn, der hât ein mentellîn,
5939 Under dem niht wâriu minne lûzet,
5940 Wenne er unrehte kriege mûzet
5941 Über jâr und über jâr
5942 Und ûzen doch wil sîn gar klâr.
5943 Der wân wont allen tôren bî
5944 Daz ir leben daz beste sî.
5945 Man siht uns ofte in fröuden schallen
5946 Und wizzen doch niht, wenne wir vallen.
5947 Grôz gewalt und irdisch guot
5948 Verkêrent wîser liute muot,
5949 Daz si unserm herren selten dankent
5950 Guotes und êren und von im wankent
5951 Als ein rôr her und hin,
5952 Swar si denne neiget ir tummer sin.

XL. Von zwein eseln.

5953 Zwên esel giengen an einem gevelle,
5954 Dô sprach der eine "Trût geselle,
5955 Wie swêren sac maht du getragen?"
5956 Er sprach "Daz wil ich dir sagen :
5957 Mîn herze sich nâch arbeit sent
5958 Reht dar nâch als man mich went.
5959 Lêt man mir den willen mîn,
5960 Sô slahe ich nider mîn œrlîn
5961 Und lenderier hin gar gemache.
5962 Swer aber mich wil resche mache,
5963 Der bere mir den rücke mit steben,
5964 Sô zelte ich vor im schôn und eben,
5965 Swie swêre der sac sî den ich trage.
5966 Niht mêre kan ich dir gesage' .
5967 "Ich hœre wol daz du von natûr
5968 Bist als ein krieger vilzgebûr,
5969 Sît du ungern iht anders tuost
5970 Denne daz du tuon betwungen muost .
5971 Sô trage ich swaz ich tragen sol
5972 Williclich und ist mir wol
5973 Und bin sicher, swâ ich stên,
5974 Vor schelten, vor slegen, und swâ ich gên,
5975 Wenne ich setze mich niht wider
5976 Und lege vor trâkeit mich niht nider,
5977 Und swenne mir sûr wirt mîn lipnar,
5978 Sô dunket mich daz ich wol var".
5979 Dise esel mügen uns wol bediute
5980 Werltliche und geistliche liute.
5981 Die êrsten tuont niht âne slege.
5982 Die muoz unser herre ûf wege
5983 Mit siuche, mit armuot, mit gewalte,
5984 Süln si dienstes gein im walte.
5985 Anders bekennent si sîn niht,
5986 Als leider uns allen ofte geschiht,
5987 Sô dienent im geistliche liute
5988 Unbetwungen mit willen hiute
5989 Und verdienent ir lîpnar baz
5990 Denne wir, den ir stenkevaz
5991 Selten immer werdent lêre
5992 Und den doch kleiniu arbeit ist swêre.
5993 Nu merket wie her Frîdanc sprach
5994 Dô er der esel leben an sach.
5995 "Swâ ein esel den andern siht
5996 Vallen, dâ hin kumt er niht.
5997 Nu seht daz ist ein tummez tier
5998 Und ist doch wîser denne wir."
5999 Wenne wir sehen alle tage
6000 Liute sterben und siuche klage
6001 Und bezzern uns doch wênic dâ bî!
6002 Wer ist vor tôdes sorgen frî ?
6003 Swer werlt fröuden sich erwiget
6004 Und süezer andâht gein gote pfliget.
6005 Aller frouwen und meide keiserîn,
6006 Engel und heiligen fröuden schîn,
6007 Tugent und genâden voller schrîn
6008 Und aller sünder trœsterîn
6009 Gefroüwet ze hant daz herze sîn
6010 Baz denne der tac diu vogellîn
6011 Und in dem ougste ein küeler wint.
6012 Sô liute und vihe durchhitzet sint;
6013 Wenne diz gemach ist ungemach
6014 Gein dem, von dem her David sprach:
6015 "Vor gotes ougen tûsent jâr
6016 Sint vil kürzer, daz ist wâr,
6017 Denne ûf erden ein kurzer tac":
6018 Swer die fröude verdienen mac
6019 Und si versûmet williclich,
6020 Der wirt verlorn êwiclich.
6021 Swenne ich ansihe der werlde bilde,
6022 Sô vinde ich manic leben wilde,
6023 Daz zam in gote sölte sîn:
6024 Und daz êrste ist leider mîn.
6025 Geistlich leben ist niht gar veste,
6026 Êlich leben hât fremde geste,
6027 Pfaffen leben ist gickelvêch.
6028 Swer vür ein pantier nimt ein rêch,
6029 Der sol selten naht und tac
6030 Von im haben süezen smac
6031 Als ê von dem pantier, swenne ez vol
6032 Ist süezer würze und ûz sînem hol
6033 Gêt und ûf tuot sînen munt,
6034 Ûz dem ez ze der selben stunt
6035 Mit lûter stimme einen smac sô süeze
6036 Lêt varn, der alle siuchen büeze
6037 Den tieren mac, diu denne zuo
6038 Loufen ez sî spât oder fruo.
6039 Diz tier bediutet priester leben,
6040 Die uns guot bilde süln geben.
6041 Wenne süeziu lêre ûz irem munde
6042 Sol uns bezzern ze aller stunde,
6043 Als der pantiers âtem tuot,
6044 Der allen tiern für siuche ist guot
6045 Denne alein den trachen:
6046 Der kraft beginnet krachen
6047 Sô si hœrent des pantiers stimme,
6048 Sô fliehent si von im mit grimme.
6049 Waz daz bediute, daz weiz man wol
6050 Nieman daz ofte sagen sol,
6051 Daz man dicke hât vernumen.
6052 Langiu rede möhte ouch ze schaden kumen.

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Administration: Henrike Lähnemann Zuletzt geändert am 26.02.2004