LXXIIII Von lu[o]der vn[d] dar nach von seinem bru[o]der.
11253 Ich enwên niht daz kein unfuor sî,
11254 Da ensi ein ander unfuor bi.
11255 Ein teil hân ich gesagt von luoder,
11256 Nu lât iu sagen von sînem bruoder.
11257 Bî luoder ist ofte gern spil,
11258 Von dem kumt leider sünden vil:
11259 Diube, meineide und mort,
11260 Untriuwe, lügen und bœsiu wort
11261 Und manic ander missetât,
11262 Ze der nu der tiufel hât
11263 Manige liute sô gar gereizet,
11264 Daz man ez ein kurzwîle heizet.
11265 Ir sült wizzen, swer gern spilt,
11266 Daz der sich selber ime stilt
11267 Von zorn, und ouch sînem ebenkristen
11268 Von nîde und manigen valschen listen;
11269 Dar zuo hât er ouch got verlorn.
11270 Sô manic eit leider wirt gesworn
11271 Bî sînem namen durch kleinen gewin.
11272 Got herre, war stêt des menschen sin.,
11273 Daz dich und sich und sîn gebruoder
11274 Verliuset durch jêmerlichez luoder
11275 Und lîp und sêle durch klein guot wâget!
11276 Daz in der unfuor niht betrâget,
11277 Diu lîp und êre im machet kranc!
11278 Dâ von sprach her Fridanc:
11279 "Von spil hebet sich alle zît
11280 Fluochen, schelten, swern, zorn, steln, strît.
11281 Spil tuot manigen liuten leit,
11282 Wenne ez lêrt manic bœse kündikeit,
11283 Triuwen wont im lützel bi
11284 Und wirt selten schanden fri,
11285 Irriu wîp, zorn und spil
11286 Machent tummer liute vil".
LXXIIII Ein mere vo[n] eine[m] Lu[o]derer.
11287 Ein luoderer het einen site
11288 Der leider noch wont ir manigem mite,
11289 Daz er die naht biz an den tac
11290 Ze dem luoder ofte lac,
11291 Und dô er zeimâl solte gên
11292 Von der tabern, dô sach er stên
11293 Vil volkes dâ ein mensche saz,
11294 Daz was beheftet. "Nu rûme daz vaz",
11295 Sprach er, "ô tiufel, var in mich,
11296 Ich gine ûf und verslinde dich!"
11297 Der tiufel vor in allen sprach,
11298 Dô er sîn grôze tumpheit sach:
11299 "Deswâr friunt, und wêr aller der wîn
11300 In dir, der ie gewuohs bî dem Rîn
11301 Und jenhalp mers, ich füer in dich:
11302 Nu irret ein kleiner tropfe mich,
11303 Der hiute dir kam in dînen munt,
11304 Dô du trunkener luoderhunt
11305 Dich sprengtest ûz einem kezzelîn:
11306 Der machet daz ich nu schône dîn"!
11307 Nu merket alle kristen eben,
11308 Welch kraft unser herre hât geben
11309 Dem wîchwazzer, daz der tiufel schiuhet
11310 Und ofte von uns allen fliuhet!
11311 Sprenget iuch mit im, vil lieben, gerne,
11312 Ir gêt ze kirchen oder ze taberne!
LXXIIII. Von spiler ma[n]g[er]laye Tu[m]pheit.
11313 Der werlde spil hât tumpheit vil,
11314 Der ich ein teil iu künden wil.
11315 Wer hât daz vür ein tumpheit niht,
11316 Daz man zwêne knien sicht
11317 Den tac, und die naht dar zuo, lanc
11318 Vor einer banc gar âne danc
11319 Vor der beinînen driveltikeit,
11320 Diu ofte der einveltikeit
11321 Abgezogen hât ir kleit
11322 Und dar zuo manic herzeleit
11323 Jungen und alten machet,
11324 Der herze nâch ir kraehet?
11325 Si ist blint und hât doch ougen vil:
11326 Swer sich vor ir niht hüeten wil,
11327 Den machet si blint, swie blint si sî,
11328 Wenne schanze mit schande wont ir bi.
11329 Si machet den milten schamerôt,
11330 Si trîbet den armen in den tôt,
11331 Si stiftet mort und rêtet brant,
11332 Swer ir volget, der rûme daz lant,
11333 Si schiltet, fluochet unde swert,
11334 Von ir ist gêher tôt beschert,
11335 Si liuget, triuget, brichet triuwe,
11336 Ir schande ist alle wege niuwe,
11337 Si roubet, luodert unde stilt,
11338 Dekeiner untugende si bevilt,
11339 Si bringet den menschen hie in nôt,
11340 Die sêle dort in den êwigen tôt.
11341 Der werlde ist niht mêre
11342 Denne lîp, guot, sêle und êre:
11343 Die setzet er ze pfande dar
11344 Der der würfel nimet war:
11345 Der hât der êren sich erwegen,
11346 Lîp und guot sint schier gelegen:
11347 Über die sêle des armen
11348 Müeze sich got erbarmen!
11349 Hêt er geknîet alsô vil
11350 Ze kirchen als vor dem spil,
11351 Daz wêr im nu ze staten kumen.
11352 Jens hât er weder êre noch frumen.
11353 Swer spils sich niht verloubet,
11354 Der genâden er sich beroubet
11355 Die got in sînem rîche
11356 Den sînen gibt êwiclîche.
11357 Der tiufel stêt vil nâhen hie bî
11358 Swâ zwêne spilent, vier oder drî,
11359 Und siht in mit flize zuo.
11360 Daz einer dem andern unreht tuo,
11361 Daz ist sîn rât, des ist er frô.
11362 Er stêt als er sül sprechen alsô:
11363 Verliuset jener, sô gewinnet dirre,
11364 Bî den mêren gên ich niht irre:
11365 Ich bin ie der gewinnes pfliget,
11366 Swie vil ouch vor in der würfel liget.
11367 Liegen, triegen, haz und nît,
11368 Zorn und eide, verlorn zît,
11369 Bœsiu wort, fluochen und schelten
11370 Sint vor ie mîn, diu doch vil selten
11371 Spiler mîdent ze allen stunden:
11372 Wirt mir iht mêr, von frischen wunden
11373 Oder von sêlen, daz ist ouch mîn.
11374 Wer sölte griezwarte vergebene sîn?"
11375 Spil, bœsiu wort und tummiu wîp
11376 Verliesent manige sêle und lîp.
11377 Swer sich der sêle erwegen wil,
11378 Der springet über aller tugende zil;
11379 Deheiner unfuor ist im ze vil:
11380 Swie lange aber wer sîn fröuden spil,
11381 Daz weiz der gouch, der im vür wâr
11382 Hât gegutzet hundert jâr.
11383 Swer an sîn sêle gedenken wil,
11384 Swaz der gewunnen bât mit spil,
11385 Daz muoz er allez wider geben
11386 Und den doch niht, daz merket eben,
11387 Den er ez an gewunnen hât,
11388 Denne als verre sîns bîhters rât
11389 Bescheidet und sîns pfarrers lêre,
11390 Daz sich sîn unsêlde iht gemêre.
11391 Sô spricht maniger: "Ich sazte daz mîn
11392 Gein im als er gein mir daz sîn":
11393 Wer twanc si beide ze dirre nôt,
11394 Daz einer dem andern spil an bôt?
11395 "Lâz mir daz mîn, hab dir daz dîn"
11396 Diz sint zwei wort âne alle pîn:
11397 Wölte der manic spiler walten,
11398 Sô möhte er lîp und sêle behalten.
11399 O verfluochtiu gîtikeit,
11400 Wie manigem spiler du tuost leit!
11401 Noch ist ein ander affenheit
11402 Diu schaden bringet und arbeit,
11403 Und ist doch leider manic man
11404 Der wênic daz bedenken kan:
11405 Sô zwêne schîbent ze einem zil:
11406 Loufet diu kugel iht ze vil,
11407 Sô wil einer ûf haben den wiut
11408 Und neiget sich nider als ein kint
11409 Und dent den mantel vaste nider;
11410 Dar nâch schibet der ander hin wider
11411 Und ist der kugeln niht vil gâch,
11412 Sô loufet er balde hinten nâch
11413 Und schrîet: "Loufâ, kugel frouwe,
11414 Zouwe dîn, liebiu frouwe, nu zouwe!"
11415 Siht man die kugeln gelîche ligen
11416 Gein dem zil, sô wirt genigen
11417 Weiz got vil michels tiefer dar
11418 Denne dâ man gotes selber nimt war.
11419 Si streckent sich beide ûf den lîp
11420 Ze der erden als ein altez wîp,
11421 Die lange würme bîzent.
11422 Si krîstent unde krîzent,
11423 Si mezzent unde mezzent
11424 Biz daz si gar vergezzent,
11425 Daz si witzige liute sint.
11426 Si ligent hie rehte als diu kint,
11427 Diu grüebelîn grabent an der strâzen.
11428 Wie mac ein wîser man gelâzen
11429 Er müeze lachen, swenne er daz siht?
11430 Nu hœrt waz dennoch mêre geschiht!
11431 Sô si geloufent hin und her,
11432 Sô machent si den biutel lêr
11433 Und gewinnent dar zuo müediu bein:
11434 Sölte man tagelôn geben in zwein,
11435 In würden zwên schillinge sûr.
11436 Des sprichet manic vilzgebûr
11437 Sînem wîbe dâ heime vil bœsiu wort,
11438 Der die kugeln hiez frouwe dort.
LXXV. Von dem wurfzagel.
11439 Noch ist einerleie spil
11440 Des herren spulgent, von dem doch vil
11441 Sünden und schanden kumt etswenne:
11442 Wurfzabel ich daz spil iu nenne.
11443 Daz vant ein ritter hiez Aleô
11444 Vor Troie, des sît vil maniger unfrô
11445 Ist worden und wirt leider noch,
11446 Dem spil ûf bindet des kummers joch.
LXXV. Von ma[n]g[er]laye wu[e]rfeln.
11447 Von zinken, quater, esse
11448 Sitzet maniger in kummers esse,
11449 Von zinken, quater, drîen
11450 Mac maniger wâfen schrîen,
11451 Von zinken, quater unde tûs
11452 Hât maniger ein unberâten hûs,
11453 Von quater, drîen, zinken
11454 Muoz maniger wazzer trinken,
11455 Von zinken, drien und quater
11456 Weinet maniges muoter und vater,
11457 Von zinken, quater, tûs und ses
11458 Muoz Liukart, Metze und Agnes
11459 Unberâten belîben,
11460 Wil ez die lenge trîben
11461 Ir vater! Daz erbarme got,
11462 Daz der tiufel sôgetâne not
11463 Mit sînem goukel machet:
11464 Ich weiz wol daz er lachet,
11465 Swenne ûz drîn würfeln einer wil jagen
11466 Einen hasen, der bî siben tagen
11467 Mit drîn guoten winden
11468 Kûm einen möhte vinden:
11469 Des kostet manigen der selbe hase
11470 Daz vater, muoter und sîn base
11471 Vür in rinder unde swîn
11472 Gerne gêben, möhte ez gesîn.
11473 Swer disem hasen jaget nâch,
11474 Dem ist gein himelrîch niht gâch,
11475 Swer disen hasen jagen wil
11476 Ze lange, der gewinnet schaden vil,
11477 Von dises hasen tücke
11478 Hât maniger blôzen rücke,
11479 Von dises hasen liebe
11480 Wirt maniger ze einem diebe,
11481 Des selben hasen unstêtikeit
11482 Machet schande, mort und herzeleit:
11483 Des vellet von sînen sachen
11484 Manic sele in sünden lachen.
LXXV. Von Mu[o]twillen.
11485 Diz bringet allez muotwille zuo,
11486 Der manige sêle spât und fruo
11487 Leider in die helle senket:
11488 Wênic ieman daz bedenket.
11489 Dâ von sprach meister Ovidius
11490 In einem sînem buoche alsus:
11491 "Nahtminne unde wîn
11492 Künnen niht wol mêzic sîn,
11493 Wenne die enschement sich niht."
11494 Minne und guot wîn habent pfliht
11495 Ze kuonheit und ze frîem muote:
11496 Daz kumt eteslichem niht ze guote.
11497 Swâ mergelhûben und beckelhûben
11498 Beginnent gein einander strûben,
11499 Swer denne mit fuogen entwichen kan,
11500 Wizzet der ist ein wîser man,
11501 Wenne maniger tuot in sînem zorn
11502 Hiute daz in geriuwet morn.
11503 Ich hân wol zwirunt daz vernumen,
11504 Daz affen an tôren eins nahtes sîn kumen
11505 Und von rehtem übermuote
11506 Begozzen wurden mit irm bluote
11507 Und etsliche ouch dâ lâgen tôt.
11508 Von kleinen worten huop sich diu nôt.
11509 "Wer gêt dâ?" "Daz si wir?"
11510 "Wer sit ir?" "Waz wöllet ir?"
11511 "Dâ wölle wir ez wizzen ân iuwern danc!"
11512 Ein tôr dô ûf den andern dranc
11513 Und begonden sich houwen als diu swîn:
11514 Diz machte diu nahtminne und der wîn.
11515 Sôgetân unfuoge unde mort
11516 Hêten vor bewart driu wort:
11517 Der gesprochen hête: "Daz sint friunt,"
11518 Sô wêr vürbaz niht mêr gestriunt.
11519 Nu dunket sich manic mensche alsô traz:
11520 Der im einez slüege an den glaz,
11521 Hête ez ein ouge dem ûz gebrochen,
11522 Ez enhête sich dennoch niht gerochen.
11523 Des wirt manic man gestochen,
11524 Daz er lange dar nâch muoz sochen:
11525 Daz machet allez tratzer muot,
11526 Der nimmer wirt und nie wart guot.
11527 Wol hât uns bescheiden des
11528 Ein meister hiez Aristotiles:
11529 "Als edel ist des menschen muot,
11530 Daz er betwungen ungern iht tuot;
11531 Man füert in baz denne man in ziehe:
11532 Getwancsal, hœrt aleine ze vihe."
11533 Sprêche ein man. "Wol dan mit mir!"
11534 Ich sprêche ze hant. "War wollet ir?"
11535 Sprêch er: "Ir müezet mit mir gên!"
11536 Ich sprêche: "Sô wil ich hie bestên!"
11537 "Nu gêt denne durch die liebe mîn!"
11538 "Gerne, friunt, nu sol ez sîn!"
11539 Swem ich betwungen dienen sol,
11540 Dem diene ich selten immer wol.
11541 Dâ von sprach sant Augustin
11542 Ein wort, bî dem gedenke ich sîn:
11543 "Nieman wol betwungen tuot,
11544 Aleine doch daz er tuot si guot."
11545 Swaz mit willen aber geschiht,
11546 Daz ist vil bezzer. Got wil niht
11547 Betwungen dienst, er hât geben
11548 Uns frîen willen daz wir leben
11549 Nâch sînem willen unbetwungen.
11550 Nu habent die alten mit den jungen
11551 Irn willen von im gezogen sô gar,
11552 Daz selten ieman wirt gewar
11553 Rehter zühte und rehter güete.
11554 Diu werlt tuot reht als ob si wüete
11555 Mit aller hande missetât,
11556 Swie vil si guoter lêrer hât.
11557 Aller heiligen schrift lêre
11558 Hât begriffen in ir niht mere
11559 Denne got, werlt, helle, himel,
11560 Lîp, sêle, tiufel, sünden schimel,
11561 Tugent mit ganzer bezzerunge.
11562 Nu merke der alte und ouch der junge,
11563 Daz ich der hôchferte ingesinde
11564 Bî frâze und bî unkiusche vinde,
11565 Bî zorn, bî nide, bî allen sünden;
11566 Des lât die wârheit iu hie künden.
LXXVI Von tatermenleinen vn[d] von Tatermannen.
11567 Got möhte wol lachen, sölte ez sîn,
11568 Swenne sîne tatermennelîn
11569 Sô wunderlich ûf erden lebent,
11570 Daz zwei gein einander strebent
11571 Und selber des niht wöllen enpern
11572 Si enwöllen mit zwein langen spern
11573 Ûf einander stechen.
11574 Wer sol die wunden rechen,
11575 Ob einer den andern durch den magen
11576 Stichet oder durch den kragen?
11577 Waz prîses wil der dâ bejagen,
11578 Ob man in muoz von dannen tragen?
11579 Des enwolte er selber nie gedagen.
11580 Ân zwifel, daz sol nieman klagen:
11581 Wer twanc in ze dirre nôt?
11582 Er wêre sus wol sanfter tôt.
11583 Noch bezzer ist ein zage guot
11584 Denne eines heldes übermuot.
11585 Die zagen mügen niht prîs bejagen:
11586 Der helde wirt vil mêr erslagen.
11587 Nu lât uns mit den zagen leben,
11588 Swar ouch die helde hine streben,
LXXVI Von Justiern vn[d] Turniern.
11589 Wenne ez hânt manige tumme leien
11590 Von justieren und von turneien
11591 Verlorn lîp, sêle und guot:
11592 Waz sol sôgetân übermuot?
11593 Swenne der tiufel dar zuo schürget,
11594 Daz vil maniger wirt gewürget
11595 Daz vor sînem munde lît der schûm:
11596 Vür alle sîn sünde hêt er kûm
11597 Sôgetân nôt und buoz erliden,
11598 Daz er ûf sich lieze smiden
11599 Als ûf einen anebôz
11600 Mit kolben, mit swerten! Awê wie grôz
11601 Der werlde tumpheit leider ist!
11602 Lâ dich erbarmen, herre Krist,
11603 Daz wir der werlde sô gar uns geben
11604 Und nâch dir sô lützel streben!
LXXVI Von ringen vn[d] wilden tiern.
11605 Der mac wol niht gar sinnic sîn,
11606 Der sîn leben an ein swîn
11607 Wâget, an lewen oder an bern:
11608 Der tuot des er wol möhte enpern:
11609 Wer sagt der kuonheit im danc?
11610 Dâ von sprach her Frîdanc:
11611 "Maniger îlet zuo dem grabe
11612 Als ob er sich versûmet habe:
11613 Sôgetân îlen ist gar ân nôt.
11614 Er gelêge sus wol sanfter tôt."
11615 Swenne ein junc man hôchgemuot,
11616 Der friunde, lîp hât und guot,
11617 Ûf einem starken rosse sitzet
11618 Und alle sîne gedanke spitzet
11619 Wie er der werlde wol gevalle:
11620 Daz der von werltlichem schalle
11621 Sîn herze gein süezer andâht senke
11622 Und an der helle pîn gedenke,
11623 Unsanft ich des gelouben mac,
11624 Werltlich wunne ist tummer liute slac.
LXXVI Ein mere vo[n] zwei[n] kemphen.
11625 Ein kempfe wîlent was bekant
11626 Von sîner kraft über manic lant.
11627 Nu was ein ander in einem lande,
11628 Des kraft man ouch wîten bekande.
11629 Nu kâmen si beide in ein stat,
11630 Dâ daz volc mit flîze si bat
11631 Daz si zesamen wölten gên
11632 Und dirre mit kampfe jenen bestên.
11633 Dô sprach ir einer: "Möht ir mir geben
11634 Ein ander leben zuo disem leben,
11635 Daz alsô lange werte als diz tuot,
11636 Ich hête den lîp und ouch den muot
11637 Daz ich der leben einz wâget an in:
11638 Diz wêr aber gar ein tummer sin,
11639 Ob ich daz leben, daz ich noch hân,
11640 Wâget ûf tummes ruomes wân."
11641 Der kempfe was wîser denne die degen,
11642 Die man siht justierens pflegen
11643 Und maniger ander affenheit,
11644 Diu ir leben veile treit.
11645 Vil tiufel wont oben in den lüften:
11646 Die pflegent der die man siht güften
11647 Mit rossen, kleidern und mit koste
11648 Durch burdieren unde joste
11649 Und durch liebes wîbes minne,
11650 Diu manigen tôrn beroubet der sinne.
11651 Hât der witze, die sint klein,
11652 Swer einen slegel oder einen stein
11653 Ûf hebet über alle sîne kraft,
11654 Und wênt ez si grôz meisterschaft
11655 Ob er in wirfet von der stat,
11656 Dâ er mit fride gelegen hât,
11657 An ein ander stat hin dan.
11658 Sprichet ze dem durch spot ein man,
11659 Er habe geworfen als ein helt,
11660 Sô loufet er aber hin und quelt
11661 Mit dem grôzen steine
11662 Fleisch, âdern und gebeine
11663 Und daz vil lihte ein rippe brichet.
11664 Dirre arbeit lôn ist daz man sprichet:
11665 "Wê wie ein wurf!" Diz lobelîn
11666 Machet manigem tôren unsenfte pîn,
11667 Swenne sîn gelider beginnent queln
11668 Tougenlich und er daz muoz heln.
11669 Ein nützer werc wölt ich im zeigen:
11670 Daz er würfe an hôhen steigen
11671 Grôz und kleine steine ûz dem wege
11672 Und daz er brücken unde stege
11673 Mechte swâ sîn würde nôt:
11674 Des genüzze sîn sêle, swenne er wêr tôt.
11675 Jene arbeit hât er gar verlorn,
11676 Die möhte er lieber hân verborn.
LXXVI Von Ring[er]n vn[d] vo[n] spri[n]gern.
11677 Noch ist einz daz schaden bringet:
11678 Swer alsô ringet oder springet,
11679 Daz im der sliem, arm oder bein
11680 Bristet: der möhte vil lieber ein
11681 Ganz jâr sanfte hân gelebt
11682 Denn daz er nâch unsêlden strebt.
11683 Zweir dinge mac lîhte ein man
11684 Genuoc haben, als ich gemerket hân:
11685 Wîhwazzer und unsêlikeit:
11686 Swer hât ein eizel eins nagels breit,
11687 Den dunket er habe unsêlden genuoc,
11688 Drî tropfen sint reht als ein kruoc
11689 Vol wîhwazzers vür missetât,
11690 Swelch mensche rehten gelouben hât.
11691 Dise vorgenanten affenheit
11692 Füeget muotwille und unmêzikeit,
11693 Die von voller pfrüende varnt
11694 Und manige sêle niht wol bewarnt.
11695 Volliu pfrüende machet übermuot,
11696 Daz manic mensche die sünde tuot,
11697 Die ez âne zwîfel nimmer tête
11698 Ob ez nibt voller pfruende hête.
11699 Wizzet daz Êsau der frâz
11700 Sîn erbeteil an linsen gâz;
11701 Sô machte honic daz Jonathas
11702 Sînem vater ungehôrsam was;
11703 Fünf stete versenket gotes haz:
11704 Frâz und unfuor machten daz;
11705 Die juden ouch nâch frâze rungen,
11706 Die got spîste in der wüestungen
11707 Mit himelbrôte vierzic jâr.
11708 Ist daz man ez gesprechen tar,
11709 Sô stêt vil übel ob frâz die prîsent,
11710 Die tegelich sich mit gote spîsent.
11711 Daz hûs bedörfte reinunge wol,
11712 In daz got selber kumen sol.
11713 Wie die vordern alle von frâze
11714 Wurden gepînt, die rede ich lâze
11715 Und wil aber vürbaz rennen.
11716 Ir mügt daz selber wol bekennen,
11717 Daz manic man von frâzes schulden
11718 Kummer und scham muoz ofte dulden.
11719 Armuot lêt ir scherzen sîn,
11720 Die twinget maniger hande pîn,
11721 Diu dem frâze ist unbekant.
11722 Des vellet von im über allez lant
11723 Von manigerleie sachen
11724 Manic mensche in sünden lachen.
11725 Nu sül wir aber vürbaz rennen
11726 Und unsern herren baz erkennen.
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Administration: Henrike Lähnemann Zuletzt geändert am 12.11.2004