VI. Von der h[er]ren geitige[n] ratgeben vn[d] vo[n] ertzten vn[d] Juristen.
648 Ouch sint si vil ungehiure.
649 Maniger herren râtgeben,
650 Der rât, der tât und allez ir leben
651 Nâch guote vil mêr stêt denne nâch gote.
652 Kumt denne eins armen klôsters bote,
653 Dâ si sich gâbe niht versehent,
654 Gar unwirdiclich si den versmêhent:
655 Swer aber in gâbe brêhte,
656 Wie wol man des gedêhte!
657 Swer niht ist falschaft und durchspitzic
658 Ûf bœse gewinne, der ist niht witzic.
659 Pfenning salbe wunder tuot,
660 Si weichet manigen herten muot.
661 Man siht leider hiute
662 Vil wênic hofeliute,
663 Die gein himel trahten
664 Und werltlicher êre niht ahten:
665 Wenne si gelobent alle wol,
666 Swie doch ir herze sî gallen vol.
667 Dâ von sô sprach hie vor alsus
668 Ein meister, hiez Lucanus:
669 "Lützel triuwen und rehter güete
670 Wont in hofeliute gemüete:
671 Si lachent güetlich ûzen
672 Und künnen doch unkust mûzen,
673 Biz daz si gar vol recket."
674 Ein armer ist schier erstecket:
675 Swie reht er hât, kumt er hin vür
676 Âne gâbe, man stœzet in vür die tür.
677 Swer guot und barmherzic sî,
678 Der wone den fürsten selten bî,
679 Die gîtic und hôchfertic sîn:
680 Sîn herze gewinnet anders manige pîn.
681 Swer gern gereht sî über al,
682 Der gê hin ûz und rûme den sal.
683 Manîc unkust und manic schande
684 Wirt bedecket in schœnem gewande.
685 Man êret manigen hofeman,
686 Dô man doch dicke wirt betrogen an,
687 Swenne er mit süezen worten triuget
688 Und gâbe în nimt und dar nâch liuget:
689 Swelch ander mensche tuot alsam,
690 Dem wirt got und diu werlt gram.
691 Selten ist er ze hofe bekliben,
692 Der einveltic was und niht durchtriben.
693 Hofegesinde, erzte und juristen
694 Habent abgöte, daz sint ir kisten,
695 In den vil dinges lît gevangen
696 Das her ûz wol möhte erlangen,
697 Hêt ez menschen sêle oder sinne.
698 Dar zuo wöllen si mêr gewinne:
699 Daz ist diu êwige unsêlikeit.
700 Süln si brôt geben, daz ist in leit.
701 Si sint selten milte wirte:
702 In einem dorfe ein armer hirte
703 Gêbe mêr brôtes ze aller stunt
704 Denne ir einer, der hundert pfunt
705 Oder mêr hât sêre beslozzen,
706 Der wênic ieman hât genozzen.
707 Swer sich fremder koste went,
708 Nâch hûsêre selten er sich sent.
709 Manic man ist ze hofe gerne:
710 Ich wölte aber lîeber gên ze Berne
711 Denne ich ein jâr ze hofe wêr:
712 Als gar ist mir der hof unmêr.
VI. Ein mer vo[n] einem hunde.
713 Ein veizter hunt von hofe lief,
714 Ein mager hunt gein im dô rief:
715 "Geselle, wanne kumstu sô sat?,,
716 Er sprach: "Ich was an einer stat,
717 Dâ gâz ich manic veiztez stücke.
718 Ein stecke hât mir aber den rücke
719 Sô gar zebert und ouch zeblouwen,
720 Daz diu vart mich hât gerouwen,
721 Wenne ich über hôhe mûren spranc:
722 Des muoz mîn lîp sîn immer kranc".
723 Ze hofe möhte manigem wol gelingen,
724 Müeste er niht tiefe und verre springen.
725 Süezer slic hât sûren slac:
726 Wol im, der sich generen mac
727 Âne sôgetân laben, âne sôgetân draben,
728 Dâ lîbes und sêle man angest muoz haben!
729 Swer sô lange ist hofewart
730 Biz er gewinnet grâwen bart,
731 Hât er aleine sîn guot gespart
732 Und niht sîn sêle dâ bî bewart,
733 Sô hât er sorge und grôze arbeit
734 Leider niht wol an geleit.
735 Hôchfart, gîtikeit, frâz, unkiusche
736 Lêrent hofeliute wol manic getiusche.
737 Mîch wundert, waz er predigen sölte,
738 Der hofeslicke bekêren wölte!
739 Ir herze unsanft ieman bekêrt:
740 Sô sich ir guot, ir êre gemêrt,
741 Sô volgent si dem hofe nâch
742 Und lîdent doch ofte grôz ungemach.
743 Ein dinc ich ofte gemerket hân:
744 Daz manîgen herren ein falschaft man
745 Vil lieber ist, der smeichen kan,
746 Denne einer der guotes und êren in gan.
747 Swaz man erwirbet mit getiusche,
748 Mit lobe, mit metten, mit unkiusche
749 Und mit bœser heimlîche,
750 Des wirt man selten mit sêlden rîche.
751 Ein frum man hât den andern liep,
752 Sô minnet ein diep den andern diep.
753 Ein rein man hât gern rein gesinde.
754 Bî hofgesinde ich ofte vinde
755 Schelke und ungezogen liute:
756 Die muoz manic herre lîden hiute:
757 Wenne unser herre den bî im leit,
758 Der diube und unkust niht vermeit.
759 "Wer kan die besten ûz gelesen,
760 Swenne nieman wil der bœste wesen?"
761 Der bœsen bôsheit sül wir mîden
762 Und doch ir menscheit bî uns lîden:
763 Alein ir valschen rête uns snîden,
764 Doch kenne wir koln bî wîzer krîden,
765 Werc und bast bî linder sîden,
766 Vîgenboum bî bittern wîden.
767 Swer ganze liebe ze gote hât,
768 Den nimet man selten an fürsten rât.
769 Swer irdisch guot gewinnen kan,
770 Der sol nu sîn ein sinnic man.
771 Eyâ got herre! Waz ich der vinde
772 Bî klœstern und bî hofgesinde,
773 Die nâch grôzem guote trahten
774 Und ûf ir sêle gar lützel ahten!
775 Eigens willen wirt vil mêre
776 Verkouft üm irdisch guot und êre
777 Denne üm die êwigen sêlikeit:
778 Wol im, der durch got vil vertreit!
779 Ze hofe ist manic man verdorben
780 An der sêle, sô hât erworben
781 Maniger daz er bischof wart
782 Sant Otten, sant Annen, sant Gothart
783 Und sant Thômas von Kandelberc
784 Brâhte ir zuht und reiniu werc
785 Ze hofe an hôhe wirdikeit:
786 Daz machte der fürsten reinikeit,
787 Die reine diener bekennen konden
788 Und in ouch guotes und êren gonden.
789 Sît aber den pfaffen in ir hant
790 Diu wal geviel, welch mensche vant
791 Heilige bischöfe sît ûf erden?
792 Daz aber ir sêle verlorn werden
793 Nâch disem lîbe, das ensprich ich niht:
794 Ir zeichen ûf erden man lützel siht.
795 Swelhe wol verrihtent ir ambet ûf erden,
796 Der mac noch vil wol heilic werden:
797 Aber werltlich êre verkêrt ir vil,
798 Als ich iuch bescheiden wil.
799 Swaz aber der alten süeziu andâht
800 Unserm herren ze lobe hât erdâht,
801 Daz wirt nu leider etswâ volbrâht,
802 Als es durch lîpnar sî gemacht.
VII. Von d[er] symonie vn[d] gleichse[n]heit.
803 Pfarre, pfrüende und probstîe,
804 Techanîe, bistuom und abbatîe
805 Kan nu erwerben gîtikeit
806 Mit schôn gemâlter glîchsenheit.
807 Got herre, getörste ich wâfen schrîe
808 Über die verfluochten simonîe,
809 Diu grôz unbilde hât getân
810 Hie vor, vor als ich vernumen hân,
811 Und tuot noch heimlich alle tage!
812 (Des ensihe ich niht, ich hœre ez sage.)
813 Wenne ir getiusche ist maniger leie,
814 Daz pfaffen und müniche und manic leie
815 Niht wöllent verstên, und wizzen doch wol
816 Waz man tuon und mîden sol!
817 Si wont vil manigen liuten bî:
818 Welch lêhenherren ist gar ir frî?
819 Ûf koufmans reht hât si geleit
820 Ze gîtikeit und ze glîchsenheit.
821 Unmüeziger tiufel, sich in zuo,
822 Daz dir ieman unreht tuo!
823 Dêmuot, zuht und reinikeit
824 Brâhten hîe vor an wirdikeit
825 Pfaffenfürsten und klôsterliute:
826 Sô kan sich leider kleiden hiute
827 Hôchfart, unkiusche und gîtikeit
828 Mit sô maniger glîchsenheit,
829 Daz manige worden sîn prêlâten,
830 Die wirs tuont denne ir vordern tâten.
831 Ô verfluochtiu glîchsenheit,
832 Wie triugest du die kristenheit!
833 Ûf ertrîch niht geschiht ân sache:
834 Wâr üm unser herre den rîche mache,
835 Den arm, des frâgent manige liute:
836 Wer kan ze rehte in daz bediute?
837 Got ist gewaltes und wunders rîche:
838 Sît er uns machet sô gar ungelîche
839 An stimme, an antlütze und an muote,
840 Sölte er uns denne mit sînem guote
841 Glîch arm machen oder rîche?
842 Daz diuhte mich selber ungelîche!
843 Daz aber der arme ze himelrîche
844 Vil ê mac kumen denne der rîche,
845 Des sül wir lop und gnâde im sagen
846 Und süln in kummer niht verzagen:
847 Wenne sô ie grœzer wirdikeit
848 An einen menschen wirt geleit,
849 Sô der selbe muoz üm sîn leben
850 Unserm herren îe grœzer antwürte geben
851 Dar nâch trahte wir niht gar sêre:
852 Würde uns der nuz und werltlîch êre,
853 Wir sölten uns an der pfaffen lêre
854 In unsern fröuden selten kêre. -
VII Ditz ist vo[n] bo[e]sen kargen vnworhaften h[er]ren vnlob vn[d] vo[n] geistlichen p[re]laten die nicht almu[o]sen den arme[n] geben vn[d] lant vnd leut mit krieg v[er]derbent.
855 Wîr süln ein wênic vürbaz rennen
856 Und bœser herren lop zetrennen.
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Administration: Henrike Lähnemann Zuletzt geändert am 26.02.2004