857 Den frumen gan ich lobes wol,
858 Die bœsen nieman loben sol.
859 In herren munde lît affen smalz,
860 Daz tôrn pfeffer unde salz
861 Ofte bringet, sô si liegent
862 Und mit süezer zungen triegent.
863 Daz lernent ir vögte bî den herren:
864 Sülte der tiufel in ûz zerren
865 Ir valschen zungen die si hânt,
866 Manic munt wêr zungelôs erkant.
867 Swer sîn sêle üm êre wil geben,
868 Der mac ungern ûf erden leben9
869 Waz êren hât diz jâmertal
870 Denne ein blickelîn kurz und smal?
871 Und nieman weiz, wie lange ez wert!
872 Wir sîn hiur krenker denne vert.
873 Swaz die jungen von den alten
874 Sehent, hœrent, daz wirt behalten
875 Vürbaz aber ein ander jâr,
876 Ez sî gelogen oder wâr:
877 Dâ von wêr guot daz alte liute
878 Wol gezogen wêren hiute,
879 Getriuwe und wârhaft vor den jungen.
880 Herren hie vor nâch êren rungen
881 In slehter fuore ân glîchsenheit
882 Und tâten irn liuten selten leit:
883 So ist nu maniger ûzen ein engel,
884 Der in der helle ein galgenswengel
885 Wirt des tiufels, ob er stirbet
886 Daz er niht gotes hulde erwirbet.
887 Gibest du, herre, in êre und guot,
888 Sô wöllent si haben tratzen muot.
889 Sint sî gewaltic ûf ertrîche,
890 Sô wöllent si leben unordenlîche.
891 Lêzest du des guotes in zerinnen,
892 Sô wöllent si kumen von irn sinnen
893 Von leide und von maniger leie getrehte.
894 Wer lebt ûf erden alsus rehte?
895 Herre und êre sint vil nâch gelîche,
896 Herre ân êre ist lesterlîche;
897 Êre bî herren, herre mit êren
898 Kan gunst, guot und nuz gemêren;
899 Herre âne êre ist ermer vil
900 Denne arm mit êren, swer ez merken wil.
901 Manic man gêt ûf êren valze
902 Hôhe enbor als ob er walze,
903 Dem rehtiu êre doch nie wart bekant:
904 Der wênt daz schaz und lieht gewant
905 Êre bringen, des entuont si niht:
906 Êre hât aleine mit tugenden pfliht.
907 Bî dem sol man nu tugent lern,
908 Sît pfaffen und leien hœrent gern
909 Loterfuor und bœsiu wort,
910 Diu selten hie vor wurden gehôrt?
911 Dô edel herren bescheidenheit,
912 Kunst, trîuwe, zuht, verstandenheit
913 Konden verstên, dô wart ir baz
914 Gelônet denne nu, wie füegt sich daz?
915 Dâ ist ir gar vil krankes muotes,
916 Alein si rîche sîn des guotes,
917 Der herze nâch tugenden selten strebt.
918 Wê dem, der als ein vihe lebt!
919 Hebich houbt, juncfrouwen laden
920 Und ritter biutel sint geladen
921 Mit hübscher habe, des ze vil
922 Selten ie wart, swer ez merken wil:
923 Noch bœser ist swacher herren trôst,
924 Bî den vil selten wirt gelôst
925 Ir arm gesinde von kummers kloben,
926 Den si doch ofte vil künnen geloben.
927 Guoter gelübde sint si rîche,
928 Daz aber si liegen williclîche
929 Und niht geben, daz stêt in übel:
930 Liegen ist sünden schanden tübel.
931 Tunkel wolken ân allen regen
932 Sint herren, die man nu siht pflegen
933 Vil geloben und lützel geben:
934 Die zernt ân êre diz kranke leben.
935 Unsers herren rede was vil swêre
936 Den juden, wenne er si lügenêre
937 Hiez und daz der tiufel wêre
938 Der lügen vater. Wer ist lêre
939 Lügen ûf erden, der herren namen
940 Habe? Des sülten si sich schamen,
941 Die grôz guot habent und doch dâ bî
942 Niht sint des selben wandels frî!
943 Ein herre ân êre zimt als wol
944 Als ein schœne sal mistes vol,
945 Buoche ân loup, houbt ân hâr,
946 Velt ân gras, tier zagels bar.
947 Mit schanden und schaden hât der genottet,
948 Dem man niht gît und doch sîn spottet:
949 Als ist swer bœsen herren nâch
950 Sliufet ân êre und ân gemach.
951 "Wer kan die besten ûz gelesen,
952 Swenne nieman wil der bœste wesen?"
953 Manic herre sêhe mich ofte gern,
954 Möhte ich und wölte sîner hilfe enbern:
955 Kumt aber daz ich in biten muoz,
956 So verliuse ich mit der hilfe den gruoz.
957 Waz hilfe sol ich üm den erwerben,
958 Den selber dunket er wölle verderben
959 Und sîns guotes wölle im zerinne,
960 Swie vil er habe ûzen und inne?
961 Die aber der armen spîser sint
962 Und weder wîp süln haben noch kint,
963 Sint die niht milte, daz stêt in übel:
964 Karkeit ist himel venster schübel.
965 Getar manz in niht under ougen
966 Werfen, doch mac man si tougen
967 Ofte schelten, ez möhte kleben.
968 Swer în nimt und niht ûz wil geben,
969 Der wil unlange mit êren leben:
970 Könden si daz bedenken eben,
971 Si wêren milter denne si sint:
972 Grôz guot machet manigen affen blint.
973 Swaz swindet und hin gêt mit der stunde,
974 Daz stêt vil wênic ûf vestem grunde:
975 Swer sich denne trœstet tratzes muotes,
976 Künste, krefte, friunde, guotes,
977 Der hât die fünf gezierde schier
978 Verlorn, swenne in ûf hebent vier
979 Und tragent in enbor als ein brût:
980 Wem ist sîn korper denne trût?
981 Weder ist ez almuosen oder ruom,
982 Swâ rîche abbatîe oder bistuom
983 Mit urliuge gein ein ander strebent
984 Und ros und kleider und grôz guot gebent,
985 Des nie pfenninc ir eigen wart?
986 Daz gotes diener habent erspart
987 In sînem dienste manic jâr,
988 Daz wirt von irm kriegen sô gar
989 Zestœrt, daz lant und liute verderbent:
990 Wê in, ob si ân riuwe sterbent!
991 Der undertânen widersaz
992 Und der obersten widertraz
993 Habent lant und liute hie vor verderbet;
994 Ouch ist der selbe kriec nach geerbet
995 Ûf uns und ûf unseriu kint,
996 Diu joch nu vil tratzer sint
997 Gein uns denne wir gein unsern alten:
998 Wen sehe wir slehter einvelte walten?
999 Pfaffen kriec und gîtikeit
1000 Gebent bœse bilde der kristenheit:
1001 Daz ist van êrste der Cardinâl schult,
1002 Die von irs krieges ungedult
1003 Den stuol âne bâbest lânt driu jâr
1004 Und dennoch lenger, daz ist wâr.
1005 Wâ süln wir kristen suochen reht,
1006 Sô der leben ist niht sleht
1007 Die pfaffen und leien verrihten sölten,
1008 Ob si daz reht an sehen wölten?
1009 Daz daz rîche âne künic wêre
1010 Zêhen jâr wêr niht sô swêre,
1011 Als ob der stuol ze Rôme ein jâr
1012 Ân bâbest ist, diu rede ist wâr:
1013 Wenne ein bâbest, der got liep hête,
1014 Brêhte zuo mit sînem gebete
1015 Daz fride und genâde würde ûf erden
1016 Und lieze niht herter kriege werden,
1017 Als wîlent manige hânt getân
1018 Der tugent ich gelesen hân.
1019 Waz sol ich dâ von lenger sagen?
1020 Nu wil daz ertrîch nimmer tragen
1021 Als ez tet bî sêligen jâren,
1022 Dô guote liute ûf erden wâren.
1023 Hêten hie vor der heiligen leben
1024 Und îr tugent schôn und eben
1025 Gar reine liute uns niht geschriben,
1026 Kristen geloube wêr nie bekliben.
1027 Nu merket nieman des andern tugent,
1028 Wenne man leider uns von jugent
1029 Siht vil mêre untugende walten
1030 Denne unser veter und unser alten.
1031 Hât ieman ein heilic leben,
1032 Wer kan daz nu gemerken eben?
1033 Der werlde liebe sô gar uns trennet,
1034 Daz ganze tugent nieman bekennet.
1035 Got mac vil guotes geben ûf erden,
1036 Milter liute wil niht mêr werden.
1037 Swer milte wêre, der wêr ein tôr,
1038 Hêt er niht guotes gewunnen vor,
1039 Daz ûf sîn tiehter tûsent jâr
1040 Erbet: und hebet ez biz dar,
1041 Dennoch hête diu gîtikeit
1042 Sîn milte vür ein grôze affenheit.
1043 Gîtikeit ist aller der werlde verboten,
1044 Ze vorderst aber gotes boten.
1045 Swer hiure wêr frumer denne vert,
1046 Der wêr wol lobes und êren wert:
1047 Swer aber an tugenden abe nimet,
1048 Niht wol dem herren name zimet.
1049 Wer ist ûf erden tugende vol?
1050 Wir bedürfen alle genâden wol,
1051 Doch süln herren nâch tugenden trahten
1052 Vil mêre denne die, der wir niht ahten.
1053 Wöllen sî halp göte sîn ûf erden,
1054 Sô hüeten daz si dem tiufel iht werden!
1055 Swer künic oder herre ûf erden ist,
1056 Der stêt als der ûf einen mist
1057 Setzet ein zil ze dem man schiuzet,
1058 Des einer engiltet, der ander geniuzet.
1059 Des wirt ir leider maniger troffen,
1060 Ze dem sîn diener sölten hoffen
1061 Daz sî von im berâten würden:
1062 Den drücket selber jâmers bürden.
1063 Wer wil sich an die rede kêren?
1064 Wir sehen die trahten nâch grôzen êren,
1065 Die nie wurden herren kint
1066 Und weder gebûre noch ritter sint.
1067 Gewaltiger ûf hôhen pferden
1068 Machent in namen hie ûf erden
1069 Und manic herzeichen gar ahtbêr,
1070 Daz verre schîne: sô dirre und der
1071 An ein drîeckot britelîn
1072 Heizet mâlen und an ein tüechelîn
1073 Ein tierlin oder ein vogellîn
1074 Oder manîc ander zeichenlîn,
1075 Seht, sô wil er ein herre sîn!
1076 "Nu wol ûz hin, trîp her în
1077 Rinder, pfert, schâf und swîn!"
1078 Hie hebt sich armer liute pîn!
1079 Füert einer gemâlt des andern zeichen,
1080 Den kan unsanft ieman erweichen,
1081 Er wülle sich sân an im gerechen
1082 Und üm daz zeichen mit im stechen.
1083 Diz ist grôz übermuot, dâ von
1084 Sprach hie vor künic Salomôn:
1085 "Ein zornic lewe, ein hungeric ber
1086 Ist unharmherzic freidiger
1087 In allen landen üher arme liute."
1088 Got herre, waz man der vindet hîute!
1089 Landes herren sint ie gewesen:
1090 Wer könde vor bœsem gewalte genesen?
1091 Wêr frumer landes herren niht,
1092 Sô tribe sînen gewalt manic bœsewiht
1093 Mit armen liuten, dîe er mit fride
1094 Muoz sitzen lâzen durch swert, durch wide.
1095 Wizzet daz maniges herren amptman
1096 Noch erger wêr denne her Aman
1097 Und noch wirs frumen liuten tête
1098 Denne jener, swâ er des urloup hête.
1099 Dô edeln herren bescheidenheit
1100 An worten, an werken reinikeit
1101 Lieber was denne golt mit sîden,
1102 Seht, dê muosten ofte mîden
1103 Schelke und bœse râtgeben
1104 Der herren hof: nu ist daz leben
1105 In iren höfen gar verkêrt,
1106 Daz selten ieman dâ von wirt geêrt
1107 Der niht siben zungen hât.
1108 Von sôgetâner missetât
1109 Stêt Mardochêus vor der tür,
1110 Sô Jûdas und Aman gênt hin vür.
1111 Diu schœne, einveltige Hester
1112 Ist hiute mêr denne gester
1113 Ze hofe leider worden unwert:
1114 Des stêt ez hiur wirs denne vert.
1115 Metter, hazzer, nîder
1116 Sint des tiufels snîder,
1117 Die valscheit niht vermîdent
1118 Und mit der zungen snîdent
1119 Wirs denne kein scharsach ie gesneit.
1120 Swelch herze nîtgallen in im treit,
1121 Dem ist alliu tugent leit,
1122 Kunst, zuht, triuwe und wirdikeit.
1123 Von swinden sorgen im wê geschiht,
1124 Swenne er ander liute siht
1125 An guote, an êren ûf stîgen,
1126 Daz er denne muoz swîgen.
[Letzte Seite] [Nächste Seite]
oder direkt zurück zum Index
Administration: Henrike Lähnemann Zuletzt geändert am 21.12.2004