IX Vo[n] den hoftuschern vn[d] d[er] bo[e]sen h[er]ren vntuge[n]thaften reten.

1127 Smeichler, löter, bregeler
1128 Sint des tiufels swegeler,
1129 Die tumme herren alsô betoubent
1130 Daz si der êren in geloubent
1131 Und der tugent, diu nie wart wâr.
1132 Sprêche einer, wir hêten güldin hâr
1133 Und nême sich an, er wölte ez bewêrn,
1134 Doch sölte wir wizzen wer wir wêrn.
1135 Wol im, er ist ein sêlic man,
1136 Der selber sich wol bekennen kan!
1137 Wizzet daz valsche lecheler
1138 Sint des tiufels hecheler,
1139 Die pfaffen und leien und hôhe fürsten
1140 Hecheln künnen und ouch bürsten
1141 Und dar zuo mit affen salben
1142 Sô gar durch smirwen allenthalben,
1143 Daz si wênent si sîn die,
1144 Die si nimmer werdent und wurden nie.
1145 Triuwe, zuht und wârheit,
1146 Dêmuot, scham, einveltikeit,
1147 Kiusche und mâze sint vertriben
1148 Ze hofe und an ir stat sint beliben
1149 Liegen, triegen, ribaldîe,
1150 Loterfuor und buoberîe,
1151 Unkust, unzuht, leckerschimpfen,
1152 Trinken, slinden, nasen rimpfen,
1153 Luoder, spil, diube und spot,
1154 Lützel ahten ûf got,
1155 Ûf die sêle und ûf den tôt,
1156 Ûf den tiufel und ûf die nôt
1157 Diu immer wert und immer
1158 Je grimmer und ie grimmer:
1159 Swelhe herren nu hânt sôgetân site,
1160 Den sôgetân gesinde volget mite,
1161 Die mügen wol vallen in den dorn,
1162 Si sîn swach oder hôchgeborn.
1163 Ein schœne juncfrouwen ich selten spür
1164 Ze hofe, dia wîlent ofte her vür
1165 Frœlich mit iren gespiln gienge
1166 Und hôher fürsten geste enpfienge
1167 Und irre herren êre bewarte
1168 Und niht vor frumen gesten sparte,
1169 Die bœsen rât den herren werten
1170 Und ordenlich ir guot verzerten:
1171 Diu was Bescheidenheit genant
1172 Und fuorte Wârheit an der hant,
1173 Triuwe und Barmherzikeit,
1174 Dêmuot und rehte Einveltikeit.
1175 Diu ist leider nu verdrungen
1176 Bî den alten und bî den jungen
1177 Mit irn gespiln: daz sî geklaget
1178 Dir, herre, dem kein unreht bahaget!

IX. Von hoher tichter lobe.

1179 Gîtikeit, luoder und unkiusche,
1180 Muotwille und unzîmlich getiusche
1181 Habent manige herren alsô besezzen,
1182 Daz si der wîse gar hânt vergezzen
1183 In der hie vor edel herren sungen:
1184 Von Botenloube und von Môrungen.
1185 Von Limburc und von Windesbecke,
1186 Von Nîfen, Wildonie und von Brûnecke,
1187 Her Walther von der Vogelweide:
1188 Swer des vergêze der tête mir leide:
1189 Alein er wêre niht rîch des guotes,
1190 Doch was er rîch sinniges muotes.
1191 Her Reimâr und her Peterlîn
1192 Mügen dirre genôz an sinne wol sîn;
1193 Des selben wil ich dem Marner jehen.
1194 Swer meister Cuonrâden hât gesehen
1195 Von Wirzeburc oder sîn getihte,
1196 Der sezte in wol ze dirre pflihte.
1197 Wenne er volget ir aller spor:
1198 Doch rennet in allen der Marner vor,
1199 Der lustic tiutsch und schœne latîn,
1200 Alsam frischen brunnen und starken wîn
1201 Gemischet hât in süezem gedœne.
1202 Meister Cuonrât ist an worten schœne,
1203 Diu er gar verre hât gewehselt
1204 Und von latîn alsô gedrehselt,
1205 Daz lützel leien si vernement:
1206 An tiutschen buochen diu niht zement.
1207 Swer tihten wil, der tihte alsô
1208 Daz weder ze nider noch ze hô
1209 Sînes sinnes flüge daz mittel halten,
1210 Sô wirt er wert beide jungen und alten.
1211 Swaz der mensche niht verstêt,
1212 Trâge ez im in diu ôren gêt:
1213 Des hœre ich manigen tôren vernihten
1214 Meister Cuonrâdes meisterlîchez tihten,
1215 Ich hœre aber sîn getihte selten
1216 Wol gelêrte pfaffen schelten.
1217 Swer gar sich flîzet an seltsên rîm,
1218 Der wil ouch, sînes sinnes lîm
1219 Ûzen an schœnen worten klebe
1220 Und lützel nutzes dâr inne swebe.
1221 Alsô sint bekant durch tiutschiu lant
1222 Êrec, Îwan und Tristrant,
1223 Künic Ruother und her Parcifâl,
1224 Wigalois, der grôzen schal
1225 Hât bejaget nach hôhen prîs:
1226 Swer des geloubt, der ist unwîs.
1227 Swer reden und ouch swîgen kan
1228 Ze rehte, der ist ein wîse man.
1229 Mit sünden er sîn houbet toubt
1230 Swer tihtet, des man niht geloubt.
1231 Swer noch der wîsen lêre behielte,
1232 Maniger tugent und witze er wielte.
1233 Namhafter singer ist nu lützel.
1234 Man siht etwenne, daz ein frisch stützel
1235 Lange einen dornzûn ûf heltet:
1236 Als ist ouch dem, swer noch beheltet
1237 Der vor genanten singer dœne
1238 Und ir getihte reine und schœne:
1239 Der vindet tugent, zuht und êre,
1240 Hübscheit der werlde und ouch die lêre,
1241 Von der sîn leben wirt genême
1242 Und selten ieman widerzême:
1243 Wenne si den haltent an zühten wider,
1244 Der von im selber schier viel nider.
1245 Wîlent ein guot gewonheit was,
1246 Als ich vür wâr geschriben las,
1247 Daz nieman wart ze künige erkorn,
1248 Swie rîch er was, swie hôchgeborn,
1249 Er künde der siben frîen künste
1250 Sô vil, daz in mit frîer günste
1251 Die fürsten ûz andern herren schelten
1252 Und in durch sîne kunst erwelten.
1253 Mit den drîn künigen ich daz erziuge
1254 Von Kölen daz ich niht enliuge,
1255 Die van künsten in verren landen
1256 Vor andern sternen den stern erkanden,
1257 Der si geleite in jüdisch lant,
1258 Dâ unser herre in wart bekant.
1259 Des nam sich tiefes tihtens an
1260 Manic hôchgeborn rœmisch man
1261 Und ander herren in andern landen,
1262 Die tugent und êre an künsten erkanden:
1263 Als her Nûma Pompîlius,
1264 Mecenas und Virgîlius,
1265 Keiser Jûlius und Octaviân,
1266 Scipio, Tullius und Lucân,
1267 Her Juvenâl und her Perseus,
1268 Macrôbius und Boecius,
1269 Ovîdius und her Stâcius,
1270 Salustius und Orâcius,
1271 Terencius und her Senecâ,
1272 Manic wîs man dâ und anderswâ,
1273 Die zühthalp und auch grôzer künste
1274 Von rîcher und armer liute günste
1275 Alle wol keiser wêrn gewesen,
1276 Ob si sô lange wêrn genesen.
1277 Ir namen hât kunst und zuht für brâht,
1278 Daz ir ze guote wirt gedâht:
1279 Sô maniger fürsten wirt vergezzen,
1280 Der herze untugent hât besezzen.
1281 Und merkten landes herren eben,
1282 Waz got in êren hêt gegeben
1283 An bürgen, an steten, an liuten, an lande,
1284 An ezzen, an trinken, an schœnem gewande,
1285 An wilde, an zam, an schœnen pferden,
1286 An maniger leie wunne ûf erden,
1287 Si minneten in von herzen grunde
1288 Und bêten ouch ze aller stunde,
1289 Daz sîn güete in gerüechte geben
1290 Nâch disen êren daz êwige leben:
1291 Nu twinget si sô manic sorge,
1292 Ê dirre vergelte, jener ûz borge,
1293 Daz gotes liebe schier wirt vergezzen,
1294 Sô si mit sorgen sint besezzen.
1295 Und hât ein man zwei kindelîn
1296 Oder sus ein klein gesindelîn,
1297 Der mac ân sorge niht gesîn,
1298 Wie er des jâres sîn köstelîn
1299 Zesamen bringe und sich erner:
1300 Dâ denne ein herre ein michel her
1301 Gesindes ûf im ligende hât!
1302 Wie sol des sorge wesen rât?
1303 Vil manic mensche ir jâres geniuzet,
1304 Manigen irs lebens ouch verdriuzet.
1305 Diu lant doch ofte nâch in verderbent,
1306 Swâ sêlige landes herren sterbent.
1307 Nu müeze sich got über si erbarmen
1308 Durch sîn güete, und über uns armen.

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Administration: Henrike Lähnemann Zuletzt geändert am 26.02.2004