Dr. Eleonore Dörner: Mystik-Forscherin, Märchen-Sammlerin, ErzählerinEine Festgabe zu ihrem 100. GeburtstagAm 20. November 2012 wäre Dr. Eleonore Dörner 100 Jahre geworden. Als Ehrung dieser ungewöhnlichen Frau, klugen Forscherin und begnadeten Erzählerin sind auf dieser Seite einige ihrer Texte versammelt - von der Dissertation, die sie im Alter von 23 Jahren am Nikolaustag 1935 bei Wolfgang Stammler abschloss, bis zu den Märchen, die sie im Ruhestand in Nürnberg schrieb. Dazwischen steht als Herzstück ihre Sammlung von Geschichten aus dem Ausgrabungslager in der Türkei. Dissertation: Liedformen der deutschen MystikDie Dissertation war der Abschluss eines breit angelegten Studiums: Eleonore Benary studierte von 1931-34 Germanistik, Geschichte, Geographie und Philosophie. Sie begann und beendete ihre Studium an der Universität Greifswald, wo sie bei ihrer Urgroßmutter Clara Landois, der sie "in Verehrung und Dankbarkeit" ihre Dissertation widmete, wohnte (eine Auflistung aller ihrer Studienstationen findet sich auf Wikipedia, ein Rückblick auf die Beziehung zu ihrer Urgroßmutter 'Größing' in dem Privatdruck von Briefen). Ihre Promotion zu Liedformen der deutschen Mystik im 14. und 15. Jahrhundert erfolgte bei Wolfgang Stammler an der Universität Greifswald, nachdem er die begabte Studentin ermutigt hatte, die abgetretenen Pfade der "Blütezeit" zu verlassen und sich auf eigene Quellensuche in der Staatsbibliothek in Berlin zu machen. Damit wurde sie eine der frühesten Mystikforscherinnen; ihre Liededitionen werden weiterhin in der Forschung verwendet, vor allem da sie den sonst sehr vernachlässigten norddeutschen Raum betreffen.Kommagene heute - Impressionen von Land und LeutenMit Geschichten und Gedichten ergänzte Eleonore Dörner die erste große Publikation, die ihr Mann über die Ausgrabungen veröffentlichte. Der Band war bewusst nicht als rein archäologische Publikation angelegt, sondern sollte auch Impressionen von der Gegend und von dem Leben im Ausgrabungslager vermitteln, vor allem durch die Bilder des Malers Alexej von Assaulenko. (Friedrich Karl Dörner: Kommagene - ein wiederentdecktes Königreich. Mit Bildern einer Malerreise von Alexej von Assaulenko und Beiträgen von Katharina von Assaulenko, Eleonore Dörner und Christian Jenssen. Codex-Verlag, Grundholzen, Böblingen, 1966-1971, S. 106-141.)Das Foto (Friedrich Karl Dörner, 1965) zeigt Eleonore Dörner (rechts) mit einer Frau aus Kahta und deren Tochter in kurdischer Tracht. Inhaltsverzeichnis Bei den Gottkönigen in KommageneIn dem Erzählungsband hielt Eleonore Dörner die Eindrücke von verschiedenen Ausgrabungskampagnen fest, an denen sie in der Ost-Türkei teilnahm, vor allem im Sommer 1965. Ingrid Schaar, die ebenfalls das Ausgrabungslager besucht hatte, fertigte speziell zu den Erzählungen 1987 Zeichnungen an, die mit dem geübten Strich der Bühnenzeichnerin das ganze Ausgrabungslager lebendig vor Augen stellen. In der Buchanzeige heißt es: "Durch die Erzählkunst der Autorin scheint dem Leser Geburt und Tod, Hochzeit und Blutrache, Jähzorn und Gastfreundschaft mit einem märchenhaften Schimmer umgeben. Tragische Schicksale, düstere Begebenheiten wechseln mit manchem heiteren Erlebnis und sind immer wieder eingebettet in die Schönheit der Bergwelt." (Bei den Gottkönigen in Kommagene. Erlebnisse in einem deutschen Ausgrabungslager im Osten der Türkei. Mit Zeichnungen von Ingrid Schaar. Meile : Knoth, 1983. (Schriften der Hermann-Bröckelschen-Stiftung ; Bd. 6) ISBN 3-88368-064-8)Inhaltsverzeichnis (Abbildungsverzeichnis) Vorwort, S. 9 I. Erwartung und Ankunft, S. 11 II. Im Zeltlager, S. 19 III. Das Gesicht unserer Arbeiter, S. 27 IV. Auf der Eski Kale, der alten Burg, S. 33 V. Was werden wir essen, was werden wir trinken?, S. 37 VI. Bei der Dorfschneiderin, S. 47 VII. Sorgen mit der Post, S. 53 VIII. Abuzer, der Reiche, und seine Frauen, S. 57 IX. Die Yeni Kale, die neue Burg, S. 75 X. Auf dem Maultierrücken zum Nemrud Dag, S. 85 XI. Hausbau im Dorf, S. 95 XII. Emin und seine Familie, S. 107 XIII. Wasser, Wasser, S. 113 XIV. Mustafa, unser Chauffeur, S. 121 XV. Unser Gästebuch, S. 127 XVI. Der Maler und seine Modelle, S. 139 XVII. Ärztliche Hilfe nah und fern, S. 147 XVIII. Nihat sucht seinen Vater, S. 155 XIX. Der Schmied und der Müller, S. 161 XX. Abschied von Kommagene, S. 169 Märchen und LegendenIn der Einleitung zu ihrem ersten eigenen Märchenbuch, nachdem sie jahrzehntelang in der Türkei und an anderen Orten Texte und Stoffe gesammelt hatte, schrieb Eleonore Dörner darüber, was sie daran faszinierte:"Oft bin ich gefragt worden, warum ich eigentlich Märchen schreibe. Märchen, die lange vergangene Zustände mit der modernen Wirklichkeit ineinander übergleiten lassen. Sind Märchen nicht ein ehrwürdiges, altes Kulturgut, das man nicht mit der nüchternen Gegenwart vermengen sollte? Seit ich mich erinnern kann, sind in meinem Leben Märchenwelt und Gegenwart ineinander verwoben gewesen. Oder ist es etwa kein Märchen, wenn ein armer mecklenburgischer Kaufmannslehrling den Schatz des Priamos findet? Oder wenn eine schöne, kluge Stewardess eines Tages Königin von Schweden wird? Die dunklen Wälder im Schwarzwald, die einsamen Schären im Nordmeer, die Olivenhaine an den südlichen Küsten, die Felsentäler in Europas Randgebirgen, alle diese Orte schienen mir von geheimnisvollen Ereignissen zu erzählen und noch heute davon erfüllt zu sein. Das Herzstück meiner Geschichten beruht meist auf einer wahrhaftigen Begebenheit. Manchmal war es nur eine flüchtige Begegnung, die meine Anteilnahme weckte, ein Hauch der Märchenwelt, der mich streifte, und der mich weiter darüber nachdenken, den schicksalhaften Gang der Dinge ausmalen ließ. Das Märchen gehört nicht der Vergangenheit an. Es bleibt nicht darum lebendig, weil man es immer weiter in der alten Form erzählt. Wer sich seine Märchenaugen bewahrt hat, erlebt auch heute noch in unserer Welt, daß das Unmögliche möglich werden kann, und daß die Liebe den Tod besiegt. Auch die beschwingten Zeichnungen, mit denen Ingrid Schaar dies Buch geschmückt hat, sind eine märchenhafte Kostbarkeit. Dämonisches mischt sich mit hingebendem Vertrauen, zart angedeutete Konturen zaubern doch sogleich für den Leser den rechten Hintergrund vor sein inneres Auge. Ich wünsche meinen wunderbaren Geschichten viele aufrichtige Freunde, die sie so gerne lesen wie ich sie geschrieben habe." Illustration zu dem Titelmärchen 'Berglöwe': Der Derwisch hilft Halet, ihre Brüder wiederzufinden.
Erzählungen, Legenden, Vorträge und MärchenIhr Leben lang schrieb Eleonore Dörner Geschichten und Märchen auf. Ihre ersten Erzählungen waren schon in den 1920er Jahren veröffentlich worden, nachdem sie als Jugendliche einen Schreibwettbewerb mit einer Einsendung über ihre Steiff-Bären gewann (der Preis war ein Rundflug über Berlin, bei dem ihr so schlecht wurde, dass sie die Einsendung bereute). Während der Zeit in Bebenhausen schrieb sie regelmäßig für den Rundfunk, dann in Münster und Nürnberg zahlreiche Vortragsmanuskripte. Jedes Jahr schrieb sie auch eine Weihnachtsgabe für Freunde und Verwandte; einer der letzten Texte war eine Neuerzählung von Legenden um den Apostel Jakobus, die sie zum Weihnachtsfest 1995 für ihren Urenkel Jakob zusammenstellte.
Weitere PublikationenVon Anfang an war Eleonore Dörner als Chronistin und Archivarin in die Ausgrabungen mit involviert, auch bevor sie selbst mitfahren konnte. Sie war vorbildlich in ihrer präzisen Dokumentation - u.a. dadurch geschult, dass sie während ihrer Studienzeit auch als Sekretärin für ihren Vater arbeitete, der dies in einem Gedicht zu ihrer Hochzeit launig würdigte. Ein Zeugnis für ihre Einbindung in das Grabungsgeschäft ist der Brief, den Friedrich Karl Dörner ihr am 27.7.1951 schrieb und den sie unter den Ausgrabungsdokumenten mit der Notiz "1. Entdeckung von Arsameia" aufbewahrte. Er beginnt "Meine liebste Lore! Ich weiss noch nicht, wo u. wann dieser Gruss zur Post gehen wird. Aber ich will dich doch als erste wissen lassen, dass wir dabei sind, eine grosse Inschrift auszugraben, die Antiochos hier in Kâhta aufgeschrieben hat, wo ich gleichzeitig ein grosses Heiligtum - vielleicht sogar einen Palast? - vermute, [...]" was sich dann auch bewahrheitete. Bei den archäologiegeschichtlichen Publikationen war sie es jeweils, die - etwa zu Carl Humann - die fundierte Archiv-Recherche beisteuerte, und gleichzeitig dafür sorgte, dass die Dokumentation sich spannend wie ein Krimi las.
GedichteWie ihr Vater Albert Benary hielt Eleonore Dörner immer wieder ihre Alltagsimpressionen in Gedichtform fest. Gerade in den Ausgrabungen in Kommagene entstanden zahlreiche Miniaturen, die ihre Fototätigkeit und die Eindrücke der Maler, die die Ausgabungen begleiteten, ergänzten.Auf dem Nemrud DagWeiße Malven am Felsgestein,Ritt zu den himmlischen Thronen, Fort von den Hütten, den Herden im Tal Zum Berg, wo die Götter wohnen. Rings erstarrten die Felsen zum Meer, Das drohend den Gipfel umbrandet, Fest umschließt er des Königs Grab, Von heiligen Bildern umwandet. Still gelassen blicken uns an Die großen steinernen Züge. Längst erlosch ihres Reiches Glanz, Zerbrochen in Haß und Lüge. Riefen die alten Götter uns her Aus grauem gestaltlosem Norden? Sucht ihre Botschaft den Widerhall, Sind sie einsam geworden? RömerbrückeEine flinke Ziegenherde kommt den Pfad entlanggezogenÜber braunverbrannte Erde zu dem hohen Brückenbogen. Tief verborgen im Gebirge spannt er sich seit Römerzeiten Und verbindet Dörfer, Städte in den ungeheuren Weiten. Hirten, Bauern, fremde Krieger schritten über diese Steine Unter heißen Sonnenbränden und im milden Sternenscheine. Keiner kennt mehr ihre Namen, keiner weiß die Zahl zu sagen, Keiner kann die Last ermessen, die die Brücke je getragen. Nur die Inschrift auf den Säulen nennt den Kaiser, der sie baute, Der mit kühnem, hartem Blicke fernes Zukunftsland erschaute. Leben und TodDas Leben ist heute vorübergerittenAuf schmalem Felsweg über unserm Haus. Die Ziegen liefen trippelnd, und inmitten Ein dunkles Maultier griff bedächtig aus. Trug Mutter und Kind in leuchtend buntem Gewand, Ein großer Mann, den Hirtenstab in der Hand, Kam hinter ihnen geschritten. Der Tod ist heute vorübergeritten, Er hielt eine Sense und senkte das Haupt. Wohl ungerufen, taub auf alle Bitten, Kommt er zu holen, was ihm Gott erlaubt. Wir schließen die Tür, wir schlafen im Sternenlicht, Kommt Leben, kommt Tod, wir wissen es nicht Zu denen, die viel gelitten. BrautraubWarte im Schatten der Felswand am Wasserfall heute verstohlen,Warte, ich komme noch spät mit den Krügen, um Wasser zu holen, Binde die bunten Lappen dem Maultier unter die Hufe, Daß der Klang seiner Tritte den Vater, die Brüder nicht rufe. Fülle die Taschen arn Sattel mit Brot, mit Früchten und Futter, Lang wird die Flucht in die Berge und fern vorn Herd meiner Mutter. Bot auch der Ungeliebte den Eltern vieltausend Pfunde, Kalt läßt die Werbung mich, mein Herz ist mit Dir im Bunde. Wage den heimlichen Raub, wenn alle im Schlafe liegen, Hoch zu den Höhlen im Fels, wo einsam die Adler fliegen. Nimm das Gewehr von der Wand, es geht um Leben und Sterben, Wage den heimlichen Raub, und wenn wir alle verderben. MaultierrittFelsensteine übersteigt der schmale Huf,Tastet sicher an den steilen Hängen, Trägt uns wiegend auf dem harten Sattel Uber Täler, Flüsse zu den fernen Bergen. Gleißend fällt das Licht auf weiße Gipfel, Silbern schäumt der Fluß durch graue Klippen, Grüne Pappeln, grüne Rebengärten Säumen seine Ufer in der Tiefe. Singend geht das Kind vor unsern Tieren, Kennt die Wege, kennt die Dörfer alle, Führt uns durch die sonndurchglühten Weiten Zu dem Schattenplatz an einer kühlen Quelle. Welten enden hier und Märchen werden Wahrheit, Bunte Frauen bringen Obst auf Schalen, Männer sitzen ernst und still im Kreise, Und ein Hirte spielt auf der Schalmei. Anatolische WanderungSeine schmalen Kinderfüße wandern durch den grauen Staub,Durch die Steppen Anatoliens, über Disteln, dürres Laub. vor ihm zieht die Karawane, schwer bepackt mit bunter Last, Steht die Sonne hoch am Himmel, lagert sie zu kurzer Rast. Alle drängen zu der Quelle, hin zum Schatten und zur Ruh. Mütter stillen ihre Kinder, decken sie mit Tüchern zu. Und mit dunklen, ernsten Augen sieht der Knabe alles an. Bild um Bild wird zur Erfahrung, daß er später führen kann. Stärker werden seine Arme, sicher wird sein leichter Schritt, Und die zögernden Gefährten reißt sein fester Wille mit. Weiter zieht die Karawane, eingehüllt in grauen Staub, Durch die Steppen Anatoliens, über Disteln, dürres Laub. Bei den Gottkönigen: Verzeichnis der Abbildungen von Ingrid Schaar
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