Die Ebersberger Handschrift, f. 10r

Projekt: Der Körper des Textes und der Körper der Braut. Layout und Metaphorik in der Überlieferung der 'Expositio in Cantica Canticorum' Willirams von Ebersberg

Williram, Abt des Benediktinerklosters Ebersberg, übersetzte und kommentierte um 1060 das Hohelied und schuf damit die erste vollständige Bearbeitung eines biblischen Buchs in deutscher Sprache. Dieser Vorgang hat die Germanistik seit ihrer Entstehung fasziniert und beschäftigt. Dabei wurde weitgehend ignoriert, daß die ›Expositio in Cantica Canticorum‹ keineswegs primär ein volkssprachiger Text sein will, sondern daß die Verwendung der deutschen Sprache Teil eines umfassenden poetologischen Programms ist: die deutsche Übersetzung und Kommentierung wird durch eine parallel laufende lateinische Versparaphrase und kommentierung ergänzt; beide Teile "gürten" den "Körper" des Textes, wie Williram in seiner programmatischen ›Praefatio‹ schreibt. Das Layout der ältesten Handschriften spiegelt dieses Programm durch die Anordnung von zwei Kommentarspalten um eine zentrale Spalte mit dem Vulgatatext. Der Hoheliedkommentar soll im Projekt von diesem Befund her neu kommentierend erschlossen werden, wobei die strukturellen Veränderungen, die der Text im Verlauf der Überlieferung erfährt, und die damit verbundene Umdeutung einen zweiten Schwerpunkt bilden werden. Williram von Ebersberg: Einband der Edition

Edition

Das Projekt kommentiert gleichzeitig die Neuausgabe (zusammen mit Michael Rupp) der 'Expositio in Cantica Canticorum' Willirams von Ebersberg. Der Text ist inzwischen erschienen bei de Gruyter (Juli 2004).

'St. Trudperter Hohelied' zu 5:

&xnbsp;Nû sprechen alle alte und iunge: ziuch mich nâch dir. sô loufen wir in den stanc dînes geselbes. dû Christ bist der dâ volleclîche gesalbet ist von deme heiligen geiste, wan dû bist ouch selbe das geselbe und der guote stanc zuo deme wir îlen suln. nûne mugen wir âne dîne helfe. nû ziuch uns zu uns selben. wande wir sîn ein girde des vleisches und ein girde der ougen unde ein girde der welte. sô dû uns dâ ûz geziuhest, sô loufen wir, als ez quît: cucurri cum dilatasti cor meum.“(17,12ff; Text aus: Das St. Trudperter Hohelied : eine Lehre der liebenden Gotteserkenntnis,&xnbsp; hrsg. von Friedrich Ohly unter Mitarbeit von Nicola Kleine (Bibliothek des Mittelalters 2), Ffm 1998).


Textabschnitt III (9–10):&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp;

Fusca licet uidear.&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp;ut castra nigrantia cedar:
Sum speciosa nimis.&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp;
ueluti pelles salomonis.

Fusca quidem plagis.&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp;sed honore nitens bonitatis.
Perfero grande malum&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp;natos inter tenebrarum
Attamen intern,e&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp;uirtutis compta decore.
Pacifici ueri&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp;templum conabor haberi.

9

Nigra sum sed formosa filie ierusalem. sicut tabernacula cedar. sicut pelles salomonis

Ìh bín sálo. sámo dîe héreberga cedar: unte bín ábo uuâtlîch. sámo díu gezélt salomonis.

Cedar qui interpretatur tenebr,e. er uuás ismahelis sún. uóne demo ismahelit,e cúman sínt. dîe der hûser nehábent. sunter ókkeret uílz hûs. unte ándera únuuatlîche héreberga. Mít cedâr sint filii tenebrarum bezêichenet. uon dén íh mih chlágon. Abe dóh suîese íh mit persecutionibus et erumnis uon ín gequélet sî. íh habo dóh uuâtliche in uirtutibus. unte bidiú uuírdig bín uisitatione et inhabitatione ueri pacifici. idest christi. Tabernacula dîe uuérdent ex pellibus mortuorum animalium. also máchon íh tabernaculum deo. an dén qui carnem suam mortificant cum uitiis et concupiscentiis.

O uos uicin,e.&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp;cur sim tam fusca ridete.
Ob nimium solem&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp;pulchrum deperdo colorem;

Gloria uirtutum&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp;pallet fervore malorum:
Dum premor a prauis.&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp;nec sunt mihi tempora pacis.
At decus interius.&xnbsp;&xnbsp;&xnbsp;pressuris fit quoque maius.

10

Nolite me considerare quod fusca sim. quia decolorauit&xnbsp; me sol.

Ne tuûont des nîeth uuâra. dáz íh so sálo sî. iz tûot mír míchel nôt. uuanta díu hêizza súnna. hât mir mîne scône benóman.

Neséhent daz nîeth ána. uuéleches lêides íh lébe. séhent daz ána. daz íh dar úmbe míh nîene gelôibon mînero uirtuose constanti,e. mit déro íh behálton mîne interiorem pulchritudinem.

Übersetzung:

9d Möglich, daß ich dunkel erscheine,/ wie die schwärzlichen Befestigungen Cedar://
Bin aber äußerst kostbar/ wie die Teppiche Salomos

9e Schwarz zwar durch Schläge,/ aber durch die Ehre der Güte glänzend,// ertrage ich großes Übel,/ von den Kindern der Finsternisse.//
Dennoch werde ich,/ mit dem Schmuck der inneren Tugend geziert, //versuchen, für den Tempel des wahren Friedensbringers/ gehalten zu werden.

9a

Ich bin schwarz, aber von schöner Gestalt, Töchter Jerusalems: wie die Hütten Cedar, wie die Teppiche Salomons

9b Ich bin dunkel wie die Behausungen Cedar; und bin gleichzeitig hübsch wie die Zelte Salomons.

9c Cedar, der mit 'Dunkelheiten' übersetzt wird, war der Sohn Ismaels, von dem die Ismaeliten herkommen, die keine Häuser haben, sondern Filzhäuser bewohnen und andere unhübsche Behausungen. Mit Cedar werden die Söhne der Finsternisse gemeint, deretwegen ich Klage führe. Trotzdem, wie ich auch mit Verfolgungen und Beschwerungen von ihnen gequält bin, halte ich mich doch hübsch in Tugenden und bin daher würdig des Besuchs und der Einwohnung des wahren Friedensbringers, d.h. Christi. Hütten entstehen aus den Fellen toter Tiere. So mache ich auch eine Hütte für Gott bei denen, die ihr Fleisch töten mit Lastern und Begierlichkeiten.

10d Ihr Nachbarn,/ warum belacht ihr, daß ich so dunkel bin? //Wegen zu viel Sonne/ verlor ich die schöne Farbe.

10e Der Glanz der Tugenden/ verblaßt durch die Hitze der Übel.//Denn bedrängt von den Schlechten/ gibt’s keine Friedenszeiten für mich, //doch der innere Schmuck/ wird unter Belastungen größer.

10a

Wollt nicht das bedenken, daß ich dunkel sei, weil mich die Sonne verfärbte.

10b Laßt es mich nicht entgelten, daß ich so dunkel bin. Es bereitet mir großen Schmerz, denn die heiße Sonne hat mir meine Schönheit genommen.

10c Seht nicht darauf, in welchem Leid ich lebe, seht vielmehr darauf, daß ich mich deswegen nicht lossage von meiner tugendhaften Beständigkeit, mit der ich die innere Schönheit festhalte.

Henrike Lähnemann
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