Johann Gottfried Herder (1744-1803)

Trinity Term 1997
Lecture 1

  1. Only words that stride onward, passing from mouth to mouth, legends and songs, keep a people alive. (N.F.S. Grundtvig, Budstikke i Høinorden (1864), quoted Michel de Certeau, The Practice of Everyday Life, tr. Steven F. Rendall (Berkeley, Los Angeles, London, 1984), p. 131.)
  2. Wilde Einfalt ist das Feld der Dichter. (Herder, Über die neuere deutsche Literatur, II, „Von den deutsch-orientalischen Dichtern", 5; Werke 1764-1772, ed. Ulrich Gaier, p. 288.)
  3. Ich ward mit der Poesie von einer ganz andern Seite, in einem andern Sinne bekannt als bisher […]. Die hebräische Dichtkunst, […] die Volkspoesie, deren Überlieferungen im Elsaß aufzusuchen er uns antrieb, die ältesten Urkunden als Poesie, gaben das Zeugnis, daß die Dichtkunst überhaupt eine Welt- und Völkergabe sei, nicht ein Privat-Erbteil einiger feinen gebildeten Männer. (Goethe, Aus meinem Leben: Dichtung und Wahrheit, 2. Teil (1812), 10. Buch, in Goethes Werke, Propyläen-Ausgabe (München, n.d.), XXV, 86.)
  4. Bei allen Völkern ist Epopee und selbst Drama nur aus Volkserzählung, Romanze und Lied worden. (Herder, Von Ähnlichkeit der mittleren englischen und deutschen Dichtkunst, nebst Verschiedenem, das daraus folgt (1777), in Herder, Kleinere Aufsätze, ed. Karl Breul (Cambridge, 1952), p. 43.)
  5. Welche herrliche Stücke haben da die Engländer bei ihrem Suchen gefunden! Freilich nicht fürs Papier gemacht und auf ihm kaum lesbar; aber dafür voll lebendigen Geistes, im vollen Kreise des Volks entsprungen, unter ihnen lebend und wirkend. […] Wie das Volk dastand und horchte! was es alles in dem Liede hatte […]! wie heilig es also die Gesänge und Geschichten erhielt, Sprache, Denkart, Sitten, Thaten an ihnen mit erhielt und fortpflanzte. Hier war zwar einfältiger, aber starker, rührender, wahrer Sang und Klang, voll Gang und Handlung, ein Notdrang ans Herz, schwere Accente oder scharfe Pfeile für die offne, wahrheittrunkne Seele. (Herder, Von Ähnlichkeit der mittleren englischen und deutschen Dichtkunst, nebst Verschiedenem, das daraus folgt (1777), in Herder, Kleinere Aufsätze, ed. Karl Breul (Cambridge, 1952), p. 42.)
  6. Aus Dichtern der Vorwelt hat sich […] bei den Griechen ihre […] Weisheit erzeugt.
    Und zwar geschahen die größten Würkungen der Dichtkunst, da sie noch lebendige Sage war, da noch keine Buchstaben […] da waren. Der Dichter sah, was er sang, oder hat's lebendig vernommen […]; nun öffnete er den Mund und sprach Wunder und Wahrheit. Der Kreis um ihn staunte, horchte, lernte, sang, vergaß die Göttersprüche nie; sie waren ihm mit Nägeln des Gesanges in die Seele geheftet. (Über die Würkung der Dichtkunst auf die Sitten der Völker in alten und neuen Zeiten (1778), in Herder, Über Literatur und Gesellschaft: Ausgewählte Schriften, ed. Claus Träger, 2nd ed. (Leipzig, 1988), p. 24.)


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