1.

Der goldne Tag ist heimgegangen;
Ich sah ihn über die Berge ziehn,
Und all mein sehnendes Verlangen
Floh mit ihm.

Bunt ist wohl um des Jünglings Hüften
Der schimmernde Mantel hingewallt,
Und leise in den Himmelslüften
Sein Lied verhallt.

Ich sah wohl die glühenden Locken
Am Berge wehn,
Oben ihn stehn,
Und freundlich goldne Flocken
Auf die Bahn hinsäen,
Drauf weiter zu gehen.

Da breitet das Leben
Die Schmetterlingsflügel,
Am duftigen Hügel
Ihn hoch zu erheben,
Uns nochmals zu geben.

So traurig saß er oben
Im Purpurzelt,
Und grüßt die Welt:
Leb wohl da unten!

Da hat ihn der Flügel
Mit Flammen umwunden,
Am duftigen Hügel
Hinübergehoben.

Sein ödes Reich bleibt stille zurücke,
Die Welt verweilt ganz herrenlos.
Das Leben forscht mit trübem Blicke
Im eignen Schoß.

Ein düstrer Mantel rauschet nieder
Rund um des Jünglings verlaßnen Thron,
Und aus den Wäldern hallet wider
Ein trunkner Ton.

Es rühren die nächtlichen Stunden
Sich tief im Tal,
Bereiten ein Mahl
Im dämmernden Saal,
Mit dichten Gewändern umwunden.

Ein matter Strahl
Blinkt am Pokal,
Und süß betrunken,
Vom goldenen Wein,
Schlummert die jüngste
Der Stunden schon ein,
Die andern lauschen
Von außenher zu,
Und stürzen herein.
Es sterben die Funken,
Hinabgesunken
Ist der letzte Strahl
Von ihrem Pokal.
Sie irren und rauschen
Ohn' Schimmer und Schein,
Ohn' alle Ruh'.
Zerstört ist das Mahl
Und dunkel der Saal.

Da schreiten die Stunden so leise
Wohl in die Nacht,
Verhüllen auf finsterer Reise
Mit ernstem Bedacht,
In dunkeln Falten
Die regen Gestalten,
An denen sie sinnend vorüberwallten,
Und alles umarmt sich rings umher,
Es giebt keine einzelne Rechte mehr,
Es öffnet jed Leben dem andern die Brust,
Und trinket mit Lust,
Ganz ohnbewußt,
Den himmlischen Kuß,
Den Wechselgenuß.
So innig umschlungen,
So heilig durchdrungen,
Umhüllet ein Rausch,
Den lieblichen Tausch.

Und endlich lösen die Arme sich auf,
Der Mond zieht herauf;
Der dämmernde Blick
Träumt trunkenen Traum.
Im himmlischen Raum
Erblühen die Sterne,
Und kehret das Licht
Bescheiden zurück.

Das Leben flicht
Dann in der Ferne
Den bräutlichen Kranz,
Entzündet die Lieder,
Erleuchtet den Tanz.
Die reizenden Glieder
Umhüllt ein Gewand,
Durchsichtig gewebet.
Das Leben erhebet,
Zum Himmel gewandt,
Den Busen, und strebet
Sich wieder zu finden.
Die Sehnsucht erwacht
In schimmernder Nacht.

2.

Lieb' und Leid im leichten Leben
Sich erheben, abwärts schweben,
Alles will das Herz umfangen
Nur verlangen, nie erlangen,

In den Spiegel all ihr Bilder
Blicket milder, blicket wilder
Jugend kann doch nichts versäumen
Fortzuträumen, fortzuschäumen.

Frühling muß mit süßen Blicken
Sie beglücken, sie berücken,
Sommer sie mit Frucht und Myrten,
Froh bewirten, froh umgürten.

Herbst muß ihr den Haushalt lehren,
Zu begehren, zu entbehren,
Winter, Winter lehr mich sterben
Mich verderben, Frühling erben.

Wasser fallen um zu springen.
Um zu klingen, um zu singen,
Muß ich schweigen. Wie und wo?
Trüb und froh? nur so, so.

3.

Ich will des Mais mich freuen
In dieser heil'gen Zeit
Und gehe zu der Maien,
Und seh' des Heilands Leid.
Leid gab mir Freudigkeit,

O Mai, in grünem Scheine
Du blühst kurze Weil,
O Maie, die ich meine,
Du blühest ew'ges Heil.
Heil gab mir des Todes Pfeil.

Du stehst in ew'ger Blüte
Seit unser höchstes Gut
In deinen Zweigen glühte,
Du trankst sein heil'ges Blut.
Blut gab mir so hohen Mut.

Du drangst in heil'gem Taue
So freudig Himmelwärts,
Dich tränkte die Jungfraue
Mit ihrer Tränen Schmerz.
Schmerz erquickte mir das Herz.

Des heil'gen Todes Weihe
Gab mir des Lebens Wein:
O Jesus an der Maie,
Mich heilte deine Pein.
Pein führt zum Himmel ein.

4.

Die Liebe lehrt
Mich lieblich reden,
Da Lieblichkeit
Mich lieben lehrte.

Arm bin ich nicht
In Deinen Armen,
Umarmst du mich
Du süße Armut.

Wie reich bin ich
In Deinem Reiche,
Der Liebe Reichtum
Reichst du mir.

O Lieblichkeit!
O reiche Armut!
Umarme mich
In Liebesarmen.

5.

Meine Liebe an Sophien, die ihre Mutter ist

O Mutter, halte dein Kindlein warm
Die Welt ist kalt und helle
Und leg' es sanft in deinen Arm,
An deines Herzens Schwelle.

Leg' still es, wo dein Busen bebt,
Und treu herabgebücket,
Harr' liebend, bis es die Äuglein hebt,
Zum Himmel selig blicket.

Du strahlender Augenhimmel, du,
Du taust aus Mutteraugen,
Ach Herzenspochen, ach Lust, ach Ruh'!
An deinen Brüsten saugen!

Ich schau' zu dir so Tag als Nacht,
Muß ewig nach dir schauen,
Du mußt mir die mich zur Welt gebracht,
Auch eine Wiege bauen.

Um meine Wiege laß Seide nicht,
Laß deinen Arm sich schlingen,
Und nur deiner milden Augen Licht,
Laß zu mir niederdringen.

Und in deines keuschen Schoßes Hut,
Sollst du dein Kindlein schaukeln,
Daß deine Worte so mild und gut
Wie Träume um es gaukeln.

Da träumt mir, wie ich so ganz allein,
Gewohnt dir unterm Herzen,
Wie all die Leiden die Freuden dein
Mich freuten und mich schmerzten.

Und war deine Sehnsucht ja allzugroß,
Und wußtest nicht, wem klagen,
Da weint' ich still in deinem Schoß,
Und konnte dir's nicht sagen.

Oft rief ich, komm o Mutter komm
Kühl' dich in Liebeswogen,
Da fühltest du dich so still und fromm,
Zu dir hinabgezogen.

Mit Unschuldsarmen hielt fest und warm
Ich dich in dir umschlungen,
Und hab' dir kindisch Sorg' und Harm
In Liedern weggesungen.

Was heilig in dir zu aller Stund',
Das bin ich all gewesen,
O küß' mich süßer Mund gesund,
Weil du an mir genesen.

O Mutter halte dein Kindlein warm
Die Welt ist kalt und helle.
Und leg' es sanft, bist du zu arm,
Hin an des Todes Schwelle.

Leg' es in Linnen die du gewebt,
Zu Blumen die du gepflücket,
Stirb mit, daß wenn es die Äuglein hebt,
Im Himmel es dich erblicket.

So lallt zu dir mein frommes Herz,
Und nimmer lernt es sprechen,
Blickt ewig zu dir, blickt himmelwärts,
Und will in Freuden brechen.

Bricht's nicht in Freude bricht's doch in Leid,
Bricht es uns allen beiden,
Denn Wiedersehen geht fern und weit,
Und nahe geht das Scheiden.

6.

Wie wird mir? Wer wollte wohl weinen,
Wenn winkend aus wiegendem See
Süß sinnend die Sternelein scheinen,
Werd' heiter, weich' weiter du wildwundes Herz.

Komm Kühle, komm küsse den Kummer,
Süß säuselnd von sinnender Stirn,
Schlaf schleiche, umschleire mit Schlummer
Die Schmerzen, die schwül mir die Seele umschwirrn.

Flöß' flehend du Flötengeflüster
Mir Himmel und Heimat ans Herz,
Leucht' lieblich und lispele düster
Und fächle, daß lächle im Schlummer der Schmerz.

Sieh! sind schon die Sonnen gesunken,
Glück glimmet in Abendlichts Glut
Und Finsternis feiert mit Funken,
Licht locket ins Leben das liebende Blut.

Wir wanken in wohnsamer Wiege,
Wind weht wohl ein Federlein los,
Wie's wehe, wie's fliege, wie's liege,
Fein fiel es und spielt es dem Vater im Schoß.


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