Friedrich Schlegel, ‘Rezension von Göthes Werke. Erster bis Vierter Band. Tübingen in der Cotta’schen Buchhandlung.’ In: Heidelbergische Jahrbücher der Literatur, Heidelberg, 5. Abt. (1808), 2. Heft, 145-184. Repr. in Goethe und seine Kritiker, ed. Oscar Fambach (Düsseldorf, 1953), pp. 110-133.

‘Das lyrische Gedicht, das Lied, ist die freieste Aeußerung der Poesie […]. Frey von den Gesetzen der Kunst, wie von den Beschränkungen der gemeinen Wirklichkeit tönt die Stimme des Liedes aus der geheimnisvollen Tiefe des Menschengeistes und der Poesie hervor, abgerissen und einzeln, ja räthselhaft für den Verstand, dem Gefühl aber deutlich, und so bestimmt, daß wo ein solcher Ton einmal eindrang, er für immer in der Seele bleibt.’ (p. 112)

‘Lieder wie diese sind es vorzüglich, die […] im lebendigen Munde des Gesanges als ein Eigenthum des gesammten Volks die Jahrhunderte überdauern mögen, während der Roman vom Geiste der Zeit, die Bühne von der äußern Lage der Nation, die höhere Dichtkunst von Religion und Philosophie abhängig sind; ja wenn die Frage davon ist, ob eine Nation mitten unter den prosaischen Verhältnissen und Beschränkungen doch noch eine Erinnerung von Poesie besitze, so wird es vorzüglich darauf ankommen, ob sie einen reichen Vorrath, einen zureichenden Cyklus solcher Lieder besitze.’ (p. 114)


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