Vorzeit, und neue Zeit

Ein schmaler rauher Pfad schien sonst die Erde.
Und auf den Bergen glänzt' der Himmel über ihr,
Ein Abgrund ihr zur Seite war die Hölle,
Und Pfade führten in den Himmel und zur Hölle.

Doch alles ist ganz anders nun geworden,
Der Himmel ist gestürzt, der Abgrund ausgefüllt,
Und mit Vernunft bedeckt, und sehr bequem zum gehen.

Des Glaubens Höhen sind nun demolieret.
Und auf der flachen Erde schreitet der Verstand,
Und misset alles aus, nach Klafter und nach Schuen.


Des Wandrers Niederfahrt

Wandrer.
Dies ist, hat mich der Meister nicht betrogen
Des Westes Meer in dem der Nachtwind braußt.
Dies ist der Untergang von Gold umzogen,
Und dies die Grotte, wo mein Führer haußt. -
Bist du es nicht, den Tag und Nacht geboren
Des Scheitel freundlich Abendröte küßt!
In dem sein Leben Hälios verlohren
Und dessen Gürtel schon die Nacht umfließt.
Herold der Nacht! bist du's der zu ihr führet
Der Sohn den sie dem Sonnengott gebieret?

Führer.
Ja, du bist an dessen Grotte,
Der dem starken Sonnengotte
In die Zügel fiel.
Der die Rosse westwärts lenket,
Daß sich hin der Wagen senket,
An des Tages Ziel.

Und es sendet mir noch Blicke
Liebevoll der Gott zurücke
Scheidend küßt er mich;
Und ich seh es, weine Thränen
Und ein süßes stilles Sehnen
Färbet bleicher mich;

Bleicher, bis mich hat umschlungen,
Sie, aus der ich halb entsprungen,
Die verhüllte Nacht.
In ihre Tiefen führt mich ein Verlangen
Mein Auge schauet noch der Sonne Pracht
Doch tief im Thale hat sie mich umpfangen
Den Dämmerschein verschlingt schon Mitternacht.

Wandrer.
O führe mich! du kennest wohl die Pfade
Das alte Reich der dunklen Mitternacht;
Hinab will ich ans finstere Gestade
Wo nie der Morgen, nie der Mittag lacht.
Entsagen will ich jenem Tagesschimmer
Der ungern uns der Erde sich vermählt,
Geblendet hat mich, trüg'risch, nur der Flimmer,
Der Ird'sches nie zur Heimat sich erwählt.
Vergebens wollt' den Flüchtigen ich fassen,
Er kann doch nie vom steten Wandel lassen.
Drum führe mich zum Kreis der stillen Mächte,
In deren tiefem Schoos das Chaos schlief,
Eh, aus dem Dunkel ew'ger Mitternächte,
Der Lichtgeist es herauf zum Leben rief.
Dort, wo der Erde Schoos noch unbezwungen
In dunkle Schleier züchtig sich verhüllt,
Wo er, vom frechen Lichte noch nicht durchdrungen,
Noch nicht erzeugt dies schwankende Gebild
Der Dinge Ordnung, dies Geschlecht der Erde!
Dem Schmerz und Irrsal ewig bleibt Gefährte.

Führer.
Willst du die Götter befragen,
Die des Erdballs Stützen tragen,
Lieben der Erde Geschlecht,
Die in seliger Eintracht wohnen,
Ungeblendet von irdischen Sonnen,
Ewig streng und gerecht;
So komm, eh ich mein Leben ganz verhauchet,
Eh mich die Nacht in ihre Schatten tauchet.

Wandrer.
Horch! es heulen laut die Winde,
Und es engt sich das Gewinde
Meines Wegs durch Klüfte hin.
Die verschloß'nen Ströme brausen,
Und ich seh mit kaltem Grausen
Daß ich ohne Führer bin.
Ich sah ihn blässer, immer blässer werden,
Und es begrub die Nacht mir den Gefährten.

In Wasserfluthen hör ich Feuer zischen
Seh wie sich brausend Elemente mischen;
Wie, was die Ordnung trennet, sich vereint.
Ich seh, wie Ost und West sich hier umpfangen,
Der laue Süd spielt um Boreas Wangen,
Das Feindliche umarmet seinen Feind
Und reißt ihn fort in seinen starken Armen:
Das Kalte muß in Feuersgluth erwarmen.

Tiefer führen noch die Pfade
Mich hinab, zu dem Gestade
Wo die Ruhe wohnt,
Wo des Lebens Farben bleichen,
Wo die Elemente schweigen
Und der Friede thront.

Erdgeister.
Wer hieß herab dich in die Tiefe steigen
Und unterbrechen unser ewig Schweigen?

Wandrer.
Der rege Trieb: die Wahrheit zu ergründen!

Erdgeister.
So wolltest in der Nacht das Licht du finden?

Wandrer.
Nicht jenes Licht das auf der Erde gastet
Und trügerisch dem Forscher nur entflieht,
Nein, jenes Urseyn das hier unten rastet
Und rein nur in der Lebensquelle glüht.
Die unvermischten Schätze wollt' ich heben
Die nicht der Schein der Oberwelt berührt
Die Urkraft, die, der Perle gleich, vom Leben
Des Daseyns Meer in seinen Tiefen führt.
Das Leben, in dem Schoos des Lebens schauen;
Wie es sich kindlich an die Mutter schmiegt
In ihrer Werkstatt die Natur erschauen,
Sehn, wie die Schöpfung ihr am Busen liegt.

Erdgeister.
So wiß! es ruht die ew'ge Lebensfülle
Gebunden hier noch in des Schlafes Hülle
Und lebt und regt sich kaum,
Sie hat nicht Lippen um sich auszusprechen,
Noch kann sie nicht des Schweigens Siegel brechen,
Ihr Daseyn ist noch Traum.
Und wir, wir sorgen, daß noch Schlaf sie decke
Daß sie nicht wache, eh' die Zeit sie wecke.

Wandrer.
O ihr! die in der Erde waltet,
Der Dinge Tiefe habt gestaltet,
Enthüllt, enthüllt euch mir!

Ergeister.
Opfer nicht und Zauberworte
Dringen durch der Erde Pforte,
Erhörung ist nicht hier.
Das Ungeborne ruhet hier verhüllet
Geheimnißvoll, bis seine Zeit erfüllet.

Wandrer.
So nehmt mich auf, geheimnisvolle Mächte,
O wieget mich in tiefem Schlummer ein.
Verhüllet mich in eure Mitternächte,
Ich trete freudig aus des Lebens Reihn.
Laßt wieder mich zum Mutterschoose sinken,
Vergessenheit und neues Daseyn trinken.

Erdgeister.
Umsonst! an dir ist uns're Macht verlohren,
Zu spät! du bist dem Tage schon gebohren;
Geschieden aus dem Lebenselement.
Dem Werden können wir, und nicht dem Seyn gebieten
Und du bist schon vom Mutterschoos geschieden
Durch dein Bewußtseyn schon vom Traum getrennt.
Doch schau hinab, in deiner Seele Gründen
Was du hier suchest wirst du dorten finden,
Des Weltalls sehn'nder Spiegel bist du nur.
Auch dort sind Mitternächte die einst tagen,
Auch dort sind Kräfte, die vom Schlaf erwachen
Auch dort ist eine Werkstatt der Natur.


Wandel und Treue

Violetta.
Ja, du bist treulos! laß mich von dir eilen;
Gleich Fäden kannst du die Empfindung theilen.
Wen liebst du denn? und wem gehörst du an?

Narziß.
Es hat Natur mich also lieben lehren:
Dem Schönen werd' ich immer angehören
Und nimmer weich ich von der Schönheit Bahn.

Violetta.
So ist dein Lieben wie dein Leben, wandern!
Von einem Schönen eilest du zum Andern,
Berauschest dich in seinem Taumelkelch,
Bis Neues schöner dir entgegen winket -

Narziß.
In höh'rem Reiz Betrachtung dann versinket
Wie Bienenlippen in der Blume Kelch.

Violetta.
Und traurig wird die Blume dann vergehen
Muß sie sich so von dir verlassen sehen!

Narziß.
O Nein! es hat die Sonne sie geküßt.
Die Sonne sank, und Abendnebel thauen.
Kann sie die Strahlende nicht mehr erschauen,
Wird ihre Nacht durch Sternenschein versüßt.
Sah sie den Tag nicht oft im Ost verglühen?
Sah sie die Nacht nicht thränend still entfliehen?
Und Tag und Nacht sind schöner doch als ich.
Doch flieht ein Tag, ein Andrer kehret wieder;
Stirbt eine Nacht, sinkt eine Neue nieder
Denn Tröstung gab Natur in jedem Schönen sich.

Violetta.
Was ist denn Liebe, hat sie kein Bestehen?

Narziß.
Die Liebe will nur wandlen, nicht vergehen;
Betrachten will sie alles Trefliche.
Hat sie dies Licht in einem Bild erkennet,
Eilt sie zu Andern, wo es schöner brennet,
Erjagen will sie das Vortrefliche.

Violetta.
So will ich deine Lieb' als Gast empfangen;
Da sie entfliehet wie ein satt Verlangen,
Vergönnt mein Herz Ihr keine Heimath mehr.

Narziß.
O sieh den Frühling! gleicht er nicht der Liebe?
Er lächelt wonnig, freundlich, und das trübe
Gewölk des Winters, niemand schaut es mehr!
Er ist nicht Gast, er herrscht in allen Dingen,
Er küßt sie Alle, und ein neues Ringen
Und Regen wird in allen Wesen wach.
Und dennoch reißt er sich aus Tellas Armen
Auch andre Zonen soll sein Hauch erwärmen
Auch Andern bringt er neuen, schönen Tag.

Violetta.
Hast du die heil'ge Treue nie gekennet?

Narziß.
Mir ist nicht Treue was ihr also nennet,
Mir ist nicht treulos was euch treulos ist! -
Wer den Moment des höchsten Lebens theilet;
Vergessend nicht, in Liebe selig weilet;
Beurtheilt noch, und noch berechnet, mißt;
Den nenn' ich treulos, ihm ist nicht zu trauen
Sein kalt Bewußtseyn wird dich klar durchschauen
Und deines Selbstvergessens Richter seyn.
Doch ich bin treu! Erfüllt vom Gegenstande
Dem ich mich gebe in der Liebe Bande
Wird Alles, wird mein ganzes Wesen seyn.

Violetta.
Giebt's keine Liebe denn die dich bezwinge?

Narziß.
Ich liebe Menschen nicht, und nicht die Dinge,
Ihr Schönes nur, und bin mir so getreu,
Ja Untreu' an mir selbst wär andre Treue,
Bereitete mir Unmuth, Zwist und Reue,
Mir bleibt nur so die Neigung immer frei.
Die Harmonie der inneren Gestalten
Zerstören nie die ordnenden Gewalten
Die für Verderbniß nur die Noth erfand. -
Drum laß mich, wie mich der Moment gebohren.
In ew'gen Kreisen drehen sich die Horen;
Die Sterne wandeln ohne festen Stand,
Der Bach enteilt der Quelle, kehrt nicht wieder
Der Strom des Lebens woget auf und nieder
Und reisset mich in seinen Wirbeln fort.
Sieh alles Leben! es ist kein Bestehen,
Es ist ein ew'ges Wandern, Kommen, Gehen,
Lebend'ger Wandel! buntes, reges Streben!
O Strom! in dich ergießt sich all mein Leben!
Dir stürz ich zu! vergesse Land und Port!


Einstens lebt ich süßes Leben

Einstens lebt ich süßes Leben
Denn mir war als sey ich plözlich
Nur ein duftiges Gewölke.
Über mir war nichts zu schauen
Als ein tiefes blaues Meer
Und ich schiffte auf den Woogen
Dieses Meeres leicht umher.
Lustig in des Himmels Lüften
Gaukelt ich den ganzen Tag
lagerte dan[n] froh u[nd] gaukelnd
Hin mich um den Rand der Erde
als sie sich der Sonne Armen
dampfend und voll Gluth entriß,
Sich zu baden in nächtlicher Kühle
Sich zu erlaben im Abendwind.
Da umarmte mich die Sonne
Von des Scheidens Weh ergriffen
Und die schönen hellen Strahlen
liebten all und küßten mich.
Farbige Lichter
stiegen hernieder
hüpfend und spielend
wiegend auf Lüften
Duftige Glieder.
Ihre Gewande
Purpur und Golden
Und wie des Feuers
tiefere Gluthen.
Aber sie wurden
blässer und blässer,
bleicher die Wangen
sterbend die Augen.
Plözlich verschwanden
Mir die Gespielen
Und als ich traurernd
Nach ihnen blikte
Sah ich den großen
eilenden Schatten
der sie verfolgte
sie zu erhaschen.
Tief noch im Westen
Sah ich den goldnen
Saum der Gewänder.
Da erhub ich kleine Schwingen
flatterte bald hie bald dort hin
freute mich des leichten Lebens
ruhend in dem klaren Aether.

Sah jetzt in dem heilig tiefen
Unnennbaren Raum der Himmel
Wunderseltsame Gebilde
Und Gestalten sich bewegen
Ewige Götter
saßen auf Thronen
glänzender Sterne
schauten einander
seelig und lächelnd.
Tönende Schilde
Klingende Speere
huben gewaltige
streitende Helden;
Vor ihnen flohen
gewaltige Thiere
Andrer umwanden
in breiten Ringen
Erde und Himmel
selbst sich verfolgend
Ewig im Kreise.
Blühend voll Anmuth
unter den Rohen
stand eine Jungfrau
Alle beherrschend.
Liebliche Kinder
spielten in mitten
giftigen Schlangen. -
Hin zu den Kindern
wollt ich nun flattern
mit ihnen spielen
Und auch der Jungfrau
Sohle dann küssen.
Und es hielt ein tiefes Sehnen
In mir selber mich gefangen
Und mir war als hab ich einstens
Mich von einem süßen Leibe
los gerissen, und nun blute
Erst die Wunde alter Schmerzen.

Und ich wandte mich zur Erde
Wie sie süß im trunknen Schlafe
Sich im Arm des Himmels wiegte.
Leis erklungen nun die Sterne
nicht die schöne Braut zu we[c]ken
Und des Himmels Lüfte spielten
leise um die zarte Brust.
Da ward mir als sey ich entsprungen
Dem innersten Leben der Mutter,
Und habe getaumelt
In den Räumen des Aethers
Ein irrendes Kind.
Ich mußte weinen
rinnend in Trähnen
Sank ich hinab zu dem
Schooße der Mutter.
Farbige Kelche
Duftender Blumen
Faßten die Thränen,
Und ich durchdrang sie
Alle die Kelche
rieselte Abwärts
hin durch die Blumen
tiefer und tiefer
bis zu dem Schooße
hin, der verhülleten
Quelle des Lebens.


Adonis Tod

1.

Die Göttin sinkt in namenlosem Leide,
Den Jäger traf des Thieres wilde Wuth;
Die Rose trinkend von des Jünglings Blut,
Glänzt ferner nicht im weißen Liljenkleide.

Das Abendroth der kurzen Liebesfreude
Blickt traurig aus der Blume dunklen Gluth;
Adonis todt im Arm der Göttin ruht;
Das Schönste wird des kargen Hades Beute.

Verhaßt ist ihr des langen Lebens Dauer,
Das Götterlos wird ihrer Seele Trauer,
Die sehnsuchtskrank den süßen Gatten sucht.

Und still erblühet heißer Thränen Frucht;
Den stummen Schmerz verkünden Anemonen,
Den ew'gen Wunsch im Schattenreich zu wohnen.

2.

Den Liljenleib des Purpurs dunkler Schleier
Dem irren Blick der Göttin halb entzieht;
Der Trauer Bild, die Anemone, blüht
So weiß als roth zur stillen Todtenfeyer.

Erloschen ist in Ihm des Lebens Feuer,
Sein todtes Aug' die Blume nimmer sieht. -
Doch plötzlich schmilzt der Göttin Leid im Lied,
Die Klage tönt, die Seele fühlt sich freier.

Ein Kranker, der des Liedes Sinn empfunden,
Durch Ihrer Töne Zauber soll gesunden. -
Der Andacht gerne Liebe sich vertraut.

Und glaubig einen Tempel er sich baut,
Auf daß er pflege in dem Heiligthume
Der Sehnsucht Kind die süße Wunderblume.

Adonis Todtenfeyer

Wehe! daß der Gott auf Erden
Sterblich muß gebohren werden!
Alles Dasein, alles Leben
Ist mit ihm dem Gott gegeben.
Alles wandelt und vergehet,
Morgen sinkt was heute flehet;
Was jetzt schön und herrlich steiget,
Bald sich hin zum Staube neiget;
Dauer ist nicht zu erwerben,
Wandeln ist unsterblich Sterben.
Wehe! daß der Gott auf Erden
Sterblich mußt gebohren werden!
Alle sind dem Tod verfallen,
Sterben ist das Loos von allen.
Viele doch sind die nicht wissen,
Wie der Gott hat sterben müssen;
Blinde sind es, die nicht sehen,
Nicht den tiefen Schmerz verstehen,
Nicht der Göttin Klag und Sehnen,
Ihre ungezählten Thränen,
Daß der süße Leib des Schönen
Muß dem kargen Tode fröhnen.

Laßt die Klage uns erneuern!
Rufet zu geheimen Feyern,
Die Adonis heilig nennen,
Seine Gottheit anerkennen,
Die die Weihen sich erworben,
Denen auch der Gott gestorben.

Brecht die dunkle Anemone,
Sie, die ihre Blätterkrone
Sinnend still herunter beuget,
Leise sich zur Tiefe neiget,
Forschend ob der Gott auf Erden
Wieder soll gebohren werden!

Brechet Rosen; jede Blume
Sei verehrt im Heiligthume,
Forscht in ihren Kindermienen,
Denn es schläft der Gott in ihnen;
Uns ist er durch sie erstanden
Aus des dumpfen Grabes Banden.
Wie sie leis hervor sich drängen,
Und des Hügels Decke sprengen,
Ringet aus des Grabes Engen
Sich empor verschloßnes Leben;
Tod den Raub muß wiedergeben,
Leben wiederkehrt zum Leben.
Also ist der Gott erstanden
Aus des dunklen Grabes Banden.


Die Malabrischen Witwen

Zum Flammentode gehn an Indusstranden
Mit dem Gemahl, in Jugendherrlichkeit,
Die Frauen, ohne Zagen, ohne Leid,
Geschmücket festlich, wie in Brautgewanden.

Die Sitte hat der Liebe Sinn verstanden,
Sie von der Trennung harter Schmach befreit
Zu ihrem Priester selbst den Tod geweiht,
Unsterblichkeit gegeben ihren Banden.

Nicht Trennung ferner solchem Bund droht,
Denn die vorhin entzweiten Liebesflammen
In einer schlagen brünstig sie zusammen.

Zur süßen Liebesfeyer wird der Tod,
Vereinet die getrennten Elemente,
Zum Lebensgipfel wird des Daseins Ende.


Ägypten

Blau ist meines Himmels Bogen,
Ist von Regen nie umzogen,
Ist von Wolken nicht umspielt,
Nie vom Abendthau gekühlt.

Meine Bäche fließen träge
Oft verschlungen auf dem Wege,
Von der durst'gen Steppen Sand,
Bei des langen Mittags Brand.

Meine Sonn' ein gierig Feuer,
Nie gedämpft durch Nebelschleier,
Dringt durch Mark mir und Gebein
In das tiefste Leben ein.

Tief entschlummert sind die Kräfte,
Aufgezehrt die Lebenssäfte;
Eingelullt in Fiebertraum
Fühl' ich noch mein Dasein kaum.

Der Nil

Aber ich stürze von Bergen hernieder,
Wo mich der Regen des Himmels gekühlt,
Tränke erbarmend die lechzenden Brüder
Daß sich ihr brennendes Bette erfüllt.

Jauchzend begrüßen mich alle die Quellen;
Kühlend umpfange ich, Erde, auch dich;
Leben erschwellt mir die Tropfen, die Wellen,
Leben dir spendend umarme ich dich.

Theueres Land du! Gebährerin Erde!
Nimm nun den Sohn auch den liebenden auf,
Du, die in Klüften gebahr mich und nährte,
Nimm jetzt, o Mutter! den Sehnenden auf.


Der Caucasus

Mir zu Häupten Wolken wandeln,
Mir zur Seite Luft verwehet,
Wellen mir den Fuß umspielen,
Thürmen sich und brausen, sinken. -
Meine Schläfe, Jahr' umgauklen,
Sommer, Frühling, Winter kamen,
Frühling mich nicht grün bekleidet,
Sommer hat mich nicht entzündet,
Winter nicht mein Haupt gewandelt.
Hoch mein Gipfel über Wolken
Eingetaucht im ew'gen Äther
Freuet sich des steten Lebens.


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