Goethe’s plays
Lecture 4: Faust (2)

  1. Faust. Habe nun, ach! Philosophie,
    Juristerei und Medizin,
    Und leider auch Theologie
    Durchaus studiert, mit heißem Bemühn.
    Da steh’ ich nun, ich armer Tor,
    Und bin so klug als wie zuvor!
    Heiße Magister, heiße Doktor gar,
    Und ziehe schon an die zehen Jahr’
    Herauf, herab und quer und krumm
    Meine Schüler an der Nase herum –
    Und sehe, daß wir nichts wissen können!
    Das will mir schier das Herz verbrennen.
    Zwar bin ich gescheiter als alle die Laffen,
    Doktoren, Magister, Schreiber und Pfaffen;
    Mich plagen keine Skrupel noch Zweifel,
    Fürchte mich weder vor Hölle noch Teufel –
    Dafür ist mir auch alle Freud’ entrissen,
    Bilde mir nicht ein, was Rechts zu wissen,
    Bilde mir nicht ein, ich könnte was lehren,
    Die Menschen zu bessern und zu bekehren.
    Auch hab’ ich weder Gut noch Geld,
    Noch Ehr’ und Herrlichkeit der Welt;
    Es möchte kein Hund so länger leben! (Nacht, 354-76)
  2. Faust. Wenn aus dem schrecklichen Gewühle
    Ein süß bekannter Ton mich zog,
    Den Rest von kindlichem Gefühle
    Mit Anklang froher Zeit betrog,
    So fluch’ ich allem, was die Seele
    Mit Lock- und Gaukelwerk umspannt,
    Und sie in diese Trauerhöhle
    Mit Blend- und Schmeichelkräften bannt!
    Verflucht voraus die hohe Meinung,
    Womit der Geist sich selbst umfängt!
    Verflucht das Blenden der Erscheinung,
    Die sich an unsre Sinne drängt!
    Verflucht, was uns in Träumen heuchelt,
    Des Ruhms, der Namensdauer Trug!
    Verflucht, was als Besitz uns schmeichelt,
    Als Weib und Kind, als Knecht und Pflug!
    Verflucht sei Mammon, wenn mit Schätzen
    Er uns zu kühnen Taten regt,
    Wenn er zu müßigem Ergetzen
    Die Polster uns zurechtelegt!
    Fluch sei dem Balsamsaft der Trauben!
    Fluch jener höchsten Liebeshuld!
    Fluch sei der Hoffnung! Fluch dem Glauben,
    Und Fluch vor allen der Geduld! (Studierzimmer [II], 1583-1606)
  3. Faust. Und so ist mir das Dasein eine Last,
    Der Tod erwünscht, das Leben mir verhaßt. (Studierzimmer [II], 1570-71)
  4. Der Herr. Du darfst auch da nur frei erscheinen;
    Ich habe deinesgleichen nie gehaßt.
    Von allen Geistern, die verneinen,
    Ist mir der Schalk am wenigsten zur Last.
    Des Menschen Tätigkeit kann allzuleicht erschlaffen,
    Er liebt sich bald die unbedingte Ruh;
    Drum geb’ ich gern ihm den Gesellen zu,
    Der reizt und wirkt und muß als Teufel schaffen. (Prolog im Himmel, 336-43)
  5. Mephistopheles. [Ich bin] ein Teil von jener Kraft,
    Die stets das Böse will und stets das Gute schafft. (Studierzimmer [I], 1335-36)
  6. Mephistopheles. […] übereiltes Streben […] (Studierzimmer [II], 1858)
  7. Der Herr. Es irrt der Mensch so lang’ er strebt.
    (Prolog im Himmel, 317)
  8. Faust. Ward eines Menschen Geist, in seinem hohen Streben,
    Von deines Gleichen je gefaßt? (Studierzimmer [II], 1676-77)
  9. Engel. Gerettet ist das edle Glied
    Der Geisterwelt vom Bösen,
    ‘Wer immer strebend sich bemüht,
    Den können wir erlösen.’ (Faust II, Bergschluchten, 11934-37)
  10. Faust. Werd’ ich beruhigt je mich auf ein Faulbett legen,
    So sei es gleich um mich getan!
    Kannst du mich schmeichelnd je belügen,
    Daß ich mir selbst gefallen mag,
    Kannst du mich mit Genuß betrügen,
    Das sei für mich der letzte Tag!
    Die Wette biet’ ich!
    Mephistopheles. Topp!
    Faust. Und Schlag auf Schlag!
    Werd’ ich zum Augenblicke sagen:
    Verweile doch! du bist so schön!
    Dann magst du mich in Fesseln schlagen,
    Dann will ich gern zu Grunde gehn!
    Dann mag die Totenglocke schallen,
    Dann bist du deines Dienstes frei,
    Die Uhr mag stehn, der Zeiger fallen,
    Es sei die Zeit für mich vorbei! (Studierzimmer [II], 1692-1706)
  11. Mephistopheles. Laß nur in Blend- und Zauberwerken
    Dich von dem Lügengeist bestärken,
    So hab’ ich dich schon unbedingt –
    Ihm hat das Schicksal einen Geist gegeben,
    Der ungebändigt immer vorwärts dringt,
    Und dessen übereiltes Streben
    Der Erde Freuden überspringt.
    Den schlepp’ ich durch das wilde Leben,
    Durch flache Unbedeutenheit,
    Er soll mir zappeln, starren, kleben,
    Und seiner Unersättlichkeit
    Soll Speis’ und Trank vor gier’gen Lippen schweben;
    Er wird Erquickung sich umsonst erflehn,
    Und hätt' er sich auch nicht dem Teufel übergeben,
    Er müßte doch zugrunde gehn! (Studierzimmer [II], 1851-67)
  12. Faust. Wohin soll es nun gehn?
    Mephistopheles Wohin es dir gefällt.
    Wir sehn die kleine, dann die große Welt. (Studierzimmer [II], 2051-52)
  13. Faust. Schon seh’ ich Glut und Wirbelrauch.
    Dort strömt die Menge zu dem Bösen;
    Da muß sich manches Rätsel lösen. (Walpurgisnacht, 4038-40)
  14. Der Herr. Hast du mir weiter nichts zu sagen?
    Kommst du nur immer anzuklagen?
    Ist auf der Erde ewig dir nichts recht?
    Mephistopheles. Nein Herr! ich find’ es dort, wie immer, herzlich schlecht. (Prolog im Himmel, 293-95)


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